Nach dem Bürgerentscheid zu Olympia:Spiele-Verderber Thomas Bach

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Thomas Bach nach seiner Wahl zum IOC-Präsidenten (Foto: Enrique Marcarian/Reuters)

Der IOC-Präsident unterstellt den Hunderttausenden, die gegen Olympia 2022 in München gestimmt haben, schwere staatsbürgerliche Defizite. Dabei ist Thomas Bach selbst schuld, dass die Bewerbung scheiterte: Er opferte erfolgreiche Spiele in München einst seinen Karriereplänen.

Ein Kommentar von Thomas Kistner

Es dauerte einige Tage, dann wollte Thomas Bach die Sache doch klarstellen. Hunderttausende Bürger in Bayern hatten eine Winterspiel-Bewerbung 2022 abgelehnt, im Zentrum ihrer Ablehnung standen das Internationale Olympische Komitee (IOC) und dessen Geschäftsgebaren. Man könnte auch sagen: Bach selbst. Der hatte ja die Münchner Bewerbung 2018 angeführt, die nach Jahren wolkiger Versprechen krachend gescheitert war. Und seit September führt er das IOC persönlich an.

Bach hat nun also das Votum analysiert und schwere staatsbürgerliche Defizite ermittelt. In Deutschland herrsche "in weiten Teilen eine gewisse Mutlosigkeit", Zukunftsprojekte anzugehen, doziert der Wirtschaftsberater, zu sehen beim Bau von Flughäfen, Straßen und Bahnhöfen. "Es kann sein, dass wir in einigen Jahren feststellen müssen, eine gute Situation nicht ausgenutzt zu haben."

Kann sein. Als gesichert aber erscheint, dass Bachs deutscher Sport "eine gute Situation" ungenutzt gelassen hatte, als er sich für München 2018 entschied - eine Bewerbung, die aus Bachs sportpolitischer Agenda erwuchs und durchgepeitscht wurde, obwohl sie völlig chancenlos war. Das räumten selbst IOC-Leute ein, nachdem sie München abgeledert hatten.

Abgelehnte Münchner Olympiabewerbung
:Wie das IOC die Menschen verprellte

Das Nein in München zu den Winterspielen richtet sich nicht gegen Olympia generell. Vielmehr dürfte es die Quittung sein für eine Sportpolitik, die sich lieber auf Kungelei verlässt.

Von Thomas Kistner

Dass Taktiker Bach mit dem Winter-Flop eine Sommer-Kandidatur 2020 umging, die ja zeitgleich mit der IOC-Thronwahl entschieden wurde (und es nicht zwei Zuschläge für Deutschland gegeben hätte) - das begriffen auch die Naivsten. Aber erst, nachdem sie bis zur Öffnung des Kuverts an Münchens Sieg geglaubt hatten.

Für den Sommer 2020 erwählte das IOC dann aus drei Hinterbänklern (Madrid, Istanbul, Tokio) die Japaner. Trotz Fukushima, und obwohl die Spiele 2018 beim Nachbarn Südkorea stattfinden, nur 1000 km entfernt.

So bestätigt Bach all die Menschen, die mit dem olympischen Geschäft nichts zu tun haben wollen. Dass sie als Hasenfüße abgetan werden, die es noch bereuen könnten, wie der bedeutende Sportphilosoph Franz Beckenbauer festhielt, dürfte die Haltung bestärken, die der klar formulierte IOC-Überdruss offenbart: Immer weniger Menschen gehen dem Party-Gedöns des globalen Sportmarketings auf den Leim.

Das ist für die Kommerzmaschine eine gefährliche Entwicklung: Funktioniert die quasi-religiöse Überhöhung humaner Premiumprodukte nicht mehr, und dringt der Heldenkult um talentierte Körperleister nicht mehr ins Gros der Wohnstuben, zerbricht der gesellschaftliche Konsens, der den Illusionsbetrieb zusammenhält. Also alle Geschütze auf Angriff: Wer das olympische Geschäftsmodell durchschaut, ist ein Spiele-Verderber.

Und so lobt Bach tapfer die Strahlkraft seines Produkts, auf das weiter alle ganz scharf seien. Die Realität: Außenseiter aus Skandinavien nutzen die Gunst der Stunde und konkurrieren mit Vertretern der olympischen Zukunft. Die liegt im Osten: China, Aserbaidschan, Ukraine. Sotschi, Pyeongchang, Tokio sind bereits durch. Die Fußball-WM gastiert 2018 in Russland und 2022 in Katar. Aus dem arabischen Raum übrigens erfuhr Bach im IOC-Wahlkampf eine ebenso starke wie umstrittene Unterstützung.

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:Nicht in meinem Hinterhof

In München und Umgebung hat Olympia keine Chance. Zu undurchschaubar sind die Machenschaften des IOC, zu erwartbar die Saturiertheit der Bürger. Unsere Städte sind längst übereventisiert und zugrunde vermarktet, da gibt's keinen Platz für die Spiele. Doch können wir es uns wirklich leisten, für alle Zeit das Dorf von Asterix zu sein?

Von Gerhard Matzig

Ins Bild passt seine Begründung für den München-K.o.: Die Gegner hätten "die Vorteile einer Bewerbung leider verschwiegen"; Bevölkerungsteile hätten sich von Nein-Sagern leiten lassen. Wie unfair! Haben die Ja-Sager nicht klar alle Nachteile benannt? Bach hält also Teile der Bevölkerung für naiv, die Ja-Sager indes für kaum heller bestrahlt. Die hätten wohl "ihre Stimme nicht ausreichend erhoben oder sind gar nicht erst zur Wahl gegangen".

Aha. Bestimmt haben sie am Wahltag schon in Massen geübt, auf den prä-olympischen Hängen und Pisten.

© SZ vom 18.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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