Nach Bundesliga-Rückkehr:Neue Kölner Bescheidenheit

Cologne's Stoeger celebrates victory against Bochum after the German second division Bundesliga soccer match in Cologne

Ein Wiener Hofnarr zu Köln: Trainer Peter Stöger.

(Foto: REUTERS)

Das Stadion verwandelt sich nach dem Bundesliga-Aufstieg in eine Karnevalsmeile. Doch hinter den Kulissen herrscht beim 1. FC Köln nach Jahren des Chaos mittlerweile Vernunft - vor allem dank Trainer Peter Stöger. Die Bundesliga darf sich auf ein taktisch bestens eingestelltes Team gefasst machen.

Von Jonas Beckenkamp

Die Stadt Köln wartet mitunter mit so wunderbaren Dingen auf, dass jeder Erdenbewohner eigentlich umgehend das Kölner Bürgerrecht beantragen sollte. Leere Biergläser füllen sie einem dort ungefragt auf. Jeden Winter hören die Menschen für eine Woche auf zu arbeiten, ziehen bescheuerte Kostüme an und singen Lieder mit simpelsten Refrains. Zu essen gibt es Kartoffelbrei mit Blutwurst ("Himmel un Ääd") und der Dom ist sowieso unübertroffen. Seit dem gestrigen Abend ist zudem nicht auszuschließen, dass Köln auch noch am Meer liegt. Im Stadion des ortsansässigen Unterhaltungsvereins 1. FC Köln schwappte eine solche Welle auf das Fußballfeld, dass bald kein Flecken Rasen mehr durchschimmerte.

Es waren Fans, die sich den Regeln widersetzten und einfach über die Zäune kletterten. Friedliche, siegestrunkene Anhänger eines Klubs, der wieder einmal aufgestiegen ist. Der FC ist wieder wer im Fußball. Nach dem 3:1 (0:1) im Heimspiel gegen den VfL Bochum verwandelte sich die Arena in eine Karnevalsmeile, im Innenraum lagen sich wildfremde Personen in den Armen und irgendwer kippte dem Kölner Trainer Peter Stöger eine Ladung Kölsch über den Kopf. Ein Österreicher! Mit Kölsch überschüttet - da wirse jeck!

Es gab allen Grund für solche Besonderheiten: Drei Spieltage vor Saisonschluss sicherte sich der Klub die Zweitliga-Meisterschaft und darf kommenden Saison wieder "janz oben" mitmischen. "Das ist natürlich ein Traum. Ganz Köln darf heute feiern", stammelte Torschütze Marcel Risse.

Nach seinem Ausgleich in der 50. Minute sicherten Patrick Helmes (64.) und Anthony Ujah (81.) den fünften Bundesliga-Aufstieg der Kölner. Für die Gäste hatte Danny Latza (42.) vor der Pause getroffen, doch das war später vergessen. Zwei quälend lange Jahre hatten die Kölner zuletzt in den Niederungen der 2. Bundesliga verbracht, nachdem der Abstieg 2012 ebenso krachend über die Bühne gegangen war wie nun die Wiederauferstehung.

Damals zündeten die Fans Rauchbomben, es gab Tränen und Tumulte. Der Stadtheilige Lukas Podolski nannte das Desaster ein "Gesamtkunstwerk der letzten Monate". Natürlich flog Podolski, mittlerweile als Abgesandter der Stadt Köln in London tätig, nun zur Aufstiegsfeier ein.

Emanzipiert von den Tollhaus-Tagen

Seit seinem Abschied hat sich bei seinem alten Arbeitgeber einiges getan. Die Protagonisten sind andere, die Vereinsführung bemüht sich um Seriosität. Die Folklore ist der weiterhin hochemotionalen Anhängerschaft überlassen. Die Jubelworte der Verantwortlichen klangen beinahe verhalten: "Das fühlt sich schön an und ich bin stolz", sagte Trainer Stöger, der nach dem Kölsch-Inferno eine FC-Zipfelmütze trug.

"Das haben die Menschen hier verdient. Mit dem Heimspiel hatten wir ein perfektes Drehbuch", erklärte Manager Jörg Schmadtke, der zwar kein gebürtiger Kölner ist, aber immerhin aus einer Stadt etwas weiter nördlich am Rhein stammt (Düsseldorf!). Gemeinsam mit Stöger hatte Schmadtke die Mannschaft entrümpelt und eine junge, willensstarke Truppe geformt, die kaum mit manch schräger Chaosbesetzung der Vergangenheit zu vergleichen ist. Den Kern bilden Talente wie Torwart Timo Horn, die Abwehrlehrlinge Kevin Wimmer und Jonas Hector, Mittelfeldrenner wie Yannick Gebhardt und Kazuki Nagazawa sowie die bundesligaerfahrenen Adam Matuschyk und Helmes (ein echter Kölner!).

Diesen Spielern impfte Stöger von Beginn an eine Philosophie ein, die auf kraftraubendem Pressing und schnellen Umschaltangriffen basiert. Wer gegen Köln antritt, muss sich auf eine Elf einstellen, die ähnlich wie Thomas Tuchels Mainzer taktisch bestens eingestellt ist. Und noch etwas schafften Stöger, Schmadtke und Präsident Werner Spinner: Sie dämmten die im Verein oftmals übertriebenen Erwartungen ein. Wo gefühlt nach jedem kleinen Sieg von der Meisterschaft geträumt wurde, herrscht mittlerweile Vernunft. Geschäftsführer Alexander Wehrle erinnerte im Moment des Ausflippens daran: "Wir werden in der Bundesliga gegen den Abstieg spielen. Das ist klar."

Die jecken Momente bleiben der Öffentlichkeit überlassen. Vor kurzem druckte der Kölner Express irrtümlich eine Zweitligatabelle ab, die den FC als Champions-League-Teilnehmer auswies. Der Klub selbst, so der Eindruck aus dieser Spielzeit, hat sich emanzipiert von den Tollhaustagen vergangener Jahre. Und so nahmen die Verantwortlichen sogar den Platzsturm nach Spielende gelassen, für den der Deutsche Fußball-Bund eigentlich eine saftige Strafe vorsieht.

"Wir werden mit dem DFB reden und hoffen auf ein gnädiges Auge", sagte Präsident Spinner," der Verband wird es sicher würdigen, dass wir alles unternommen haben, das zu verhindern. Und im Endeffekt ist ja alles friedlich geblieben. Die Tore stehen noch und es wurden keine Elfmeterpunkte herausgerissen", sagte Spinner in Anspielung auf die Ereignisse vor knapp zwei Jahren in Düsseldorf. Die Biergläser auf dem Rasen wird das Putzkommando aufsammeln und hoffentlich recyceln. Was leer ist, wird in Köln schließlich gerne wieder aufgefüllt.

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