Muguruza in Wimbledon:Mit der Klasse für Aaahs und Ooohs

Wimbledon

Garbiñe Muguruza: Erster Grand-Slam-Sieg in Wimbledon

(Foto: REUTERS)
  • Garbiñe Muguruza siegt mit 7:5 und 6:0 gegen Venus Williams, der erste Satz begeistert das Publikum.
  • Williams verpasst es, mit 37 Jahren und 28 Tagen zur ältesten Wimbledonsiegerin in der Open Era aufzusteigen.
  • Die Amerikanerin gibt sich als faire Verliererin.

Von Matthias Schmid, London

Es sollte nicht unhöflich klingen. Aber als das Publikum etwas höhnisch lachte, merkte auch Garbiñe Muguruza, dass die Aussage vielleicht doch einen Tick zu unverfroren war. "Ich bin damit aufgewachsen, deine Matches im Fernsehen zu sehen", sagte die Spanierin mit Blick auf Venus Williams, nachdem sie gerade die Trophäe als neue Wimbledon-Siegerin überreicht bekommen hatte. "Entschuldige", schob die 23-Jährige schnell nach. Sie wollte nicht auf das für Sportlerinnen beinahe biblische Alter ihrer Gegnerin anspielen, sondern einfach nur zum Ausdruck bringen, dass Williams eine Inspiration für sie war. Früher.

Als die 37 Jahre alte US-Amerikanerin bei den All England Championships den ersten ihrer fünf Titel gewann, war Muguruza gerade mal sechs Jahre alt. Die Williams-Schwestern waren ein Grund, warum die Spanierin mit dem Tennisspielen begonnen hatte. Und nun stand sie am Samstag auf dem Centre Court und musste eine kleine Siegerrede halten, nach einem überraschend klaren Sieg gegen ihr einstiges Vorbild. "Unglaublich", fand Muguruza das, "ein Traum ist wahr geworden." Mit ihrem 7:5 und 6:0-Sieg verhinderte sie gleichzeitig, dass Williams mit 37 Jahren und 28 Tagen zur ältesten Wimbledonsiegerin in der Open Era aufsteigen konnte.

Williams begegnete der Niederlage ziemlich gefasst, keine Tränen, als sie auf der Bank Platz nahm und die Siegerehrung beobachtete, sie nahm sie und die beiden vergebenen Satzbälle im ersten Satz - zumindest nach außen - gelassen hin und gönnte ihrer Kontrahentin den Erfolg. "Ich weiß, wie viel dir und deiner Familie das alles bedeutet", sagte Williams.

Muguruza spielt die Bälle lang und tief zurück - zu lang und tief für Williams

Das Spiel hatte mit einem intensiven ersten Satz begonnen, mit vielen langen, kraftraubenden Ballwechseln, die die Zuschauer mit vielen "Aaahs" und "Ooohs" begleiteten. Williams hatte zunächst Vorteile, weil ihr vor allem mit ihrer Vorhand zahlreiche direkte Punktgewinne gelangen und sie sehr gut aufschlug. Doch Muguruza ließ sich nicht abschütteln, nicht zermürben von den harten Grundschlägen, sie blieb dran, holte die meisten der wuchtigen Bälle zurück, auch aus den entlegensten Ecken, sie spielte sie nicht nur zurück, sie spielte sie lang und tief zurück - bis Williams den Fehler machte.

Die Quote der sogenannten "unforced errors" ging bei ihr ausgerechnet in einer Phase nach oben, in der die Amerikanerin sich anschickte, den ersten Satz für sich zu entscheiden. Zwei Satzbälle in Folge hatte sie bei einer 5:4-Führung. Vor allem der erste Satzball war irgendwie sinnbildlich für das gesamte Match, ein Menetekel der vergebenen Chancen. Williams scheuchte ihre Kontrahentin hin und her, von einer Ecke in die andere, 19-Mal passierte der Ball das Netz, am Ende schlug sie die Vorhand ins Netz. Sie verlor das Spiel und kurze Zeit später auch den Satz mit 5:7. "Wir hatten beide Chancen, den Satz zu gewinnen", sagte Muguruza und Williams bekannte: "Garbiñe hat in dieser Phase unglaublich gespielt."

Lehrsame Niederlage gegen Serena

Die Geschichte des zweiten Satzes ist dafür schnell erzählt, Williams reihte Fehler an Fehler, sie wirkte ein bisschen müde, im Kopf und in den Beinen. Das Match endete schließlich eher unwürdig, mit einer Entscheidung an der Videowand. Muguruza hatte das Hawk Eye angefordert, indem sie den Ballwechsel unterbrochen hatte, weil sie sich sicher war, dass die Rückhand von Williams im Aus gelandet war und nicht noch die Linie berührte. Der Videobeweis gab ihr recht und sie vergrub ihr Gesicht hinter ihren Händen. Nur kurz ließ sich die Spanierin auf die Knie fallen. Überraschend war der Erfolg gegen Venus Williams nicht. Sie hatte sich mit überzeugenden Leistungen ins Finale gespielt und dabei auch im Achtelfinale Angelique Kerber in drei mitreißenden Sätzen bezwungen. Ihr unerschrockener Stil mit den flachen, schnellen Grundschlägen ist wie für den Rasen gemalt.

Muguruza hatte auf dem Weg zum Titel prominente Unterstützung

Muguruza hat viel gelernt seit ihrer Niederlage vor zwei Jahren gegen Serena Williams an gleicher Stelle, sie konnte sich ein Jahr später nicht nur für die Niederlage gegen die jüngere Schwester von Venus revanchieren und den Titel bei den French Open gewinnen. Sie nahm Williams auch beim Wort, die ihr damals in Wimbledon ins Ohr geflüstert hatte, dass sie eines Tages an der Church Road gewinnen würde. "Jetzt stehe ich hier", sagte sie und klang so, als ob sie das selbst von sich erwartet hatte.

Geholfen hat ihr dabei die Zusammenarbeit mit ihrer Landsfrau Conchita Martinez, die ebenfalls schon in Wimbledon gewinnen konnte, 1994 war das. "Sie hat mich dabei unterstützt, mit dem Stress hier besser umgehen zu können, weil ein Grand-Slam-Turnier sehr lang sein kann", hat Muguruza vor dem Finale erzählt. Martinez hatte damals selbst miterlebt, wie es ist, im Finale vermeintlich nur die Außenseiterin zu sein. Sie stand damals der großen Martina Navratilova gegenüber, der neunmaligen Wimbledonsiegerin im Einzel, die sogar noch eine paar Tage älter war als Venus Williams heute.

Geschichte kann sich also doch wiederholen. Zumindest ein bisschen. Nicht nur Navratilova verlor ihr Finale, sondern auch Venus Williams. Es wäre eine herzergreifende Story gewesen, wenn sie mit 37 Jahren noch ihren sechsten Wimbledon-Titel hätte gewinnen können. Nach den nervenaufreibenden vergangenen Wochen, in denen sie in der Heimat in einen Autounfall mit Todesfolge verwickelt war. Sie wusste nicht, ob sie Schuld hatte an dem Tod eines 78-jährigen Beifahrers, als sie in Wimbledon ankam, bis vor einigen Tagen die Polizei mitteilte, dass sie nicht anders reagieren konnte. Es waren aufwühlende Tage für sie. "Ich hoffe, dass ich noch einige Möglichkeiten in Endspielen bekommen werde", fügte sie am Ende hinzu. Garbiñe Muguruza hatte da ihre Siegertrophäe auf die Bank gelegt, für einen kurzen Moment nur war sie ihr zu schwer geworden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: