Münchner Verletzte:Blaulicht vor Barcelona

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Nach dem Saisonaus für Arjen Robben, der Gehirnerschütterung von Robert Lewandowski und der Müdigkeit von Stammkräften wie Philipp Lahm und Xabi Alonso muss der FC Bayern auch durch die letzten Saisonwochen humpeln.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Die Kapuze seines Pullovers hatte er sich tief über die Stirn gezogen, sie bedeckte seinen Schädel, nicht aber Jochbein und Oberkiefer, und so stand Robert Lewandowski am Ausgang der Arena stellvertretend für die ganze Verletzlichkeit einer Mannschaft. Kurz darauf, wenige Minuten nach Mitternacht, stieg Lewandowski in einen Krankenwagen. Noch war unsicher, was die Untersuchung ergeben würde, es gab erst einmal nur die Nachricht von Cezary Kucharski, Lewandowskis Berater, der auf Twitter schrieb, sein Schützling könne sich "nicht an die letzten Minuten erinnern". Dann fuhr der Krankenwagen mit Blaulicht davon.

Es war das Bild, das den FC Bayern in dieser Mitternachtsstunde von Dienstag auf Mittwoch am besten beschrieb: eine eilige Fahrt ins Krankenhaus.

Bis zum späten Mittwochvormittag wurden die Bilder aus dem Krankenstand des FC Bayern noch dramatischer. Es kam ein Foto dazu, auf dem Lewandowski in eine Röhre geschoben wird. Es kamen die Bilder dazu, auf denen Arjen Robben am Vormittag in die Praxis des ehemaligen Mannschaftsarztes Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt humpelt, auf Krücken, Augenzeugen wollen gesehen haben, dass er das linke Bein nicht belastet habe; nach Hause gefahren wurde er auf der Rückbank liegend. Und es kamen irgendwann die offiziellen Diagnosen, sie kamen wuchtig, überraschend kamen sie nicht mehr.

Arjen Robben: Muskelbündelriss in der linken Wade, das Saisonende.

Robert Lewandowski: Oberkiefer und Jochbein gebrochen, dazu eine Gehirnerschütterung, ein Einsatz in den Halbfinals der Champions gegen den FC Barcelona in akuter Gefahr.

Ach ja, eine gute Nachricht steckte auch in dem Bulletin: Thiago habe nur eine leichte Prellung. Diese eine gute Nachricht verschwand allerdings unter all den Krankmeldungen; genauso wie die Meldung über den neuen, üppigen Deal mit Ausrüster Adidas ( Wirtschaft).

Das DFB-Pokal-Halbfinale des FC Bayern gegen Borussia Dortmund gewann über Nacht immer weiter an Emotionalität, die Partie wurde bedeutender als nur das nackte Ergebnis, eine 0:2-Niederlage im Elfmeterschießen. Die Mannschaft hat nicht nur das Finale in Berlin verpasst und somit die Chance auf das Triple, die Partie gegen den ersten Herausforderer der jüngeren Vergangenheit hat diese Mannschaft nicht nur in ihrem Stolz getroffen - sie humpelt ins Saisonfinale.

Dabei sollte das Halbfinale gegen den BVB eigentlich das Ende der Verletztenmisere einleiten, viele Spieler hatten sich zurückgemeldet, allen voran Arjen Robben, der vormals wichtigste Angreifer der Saison, gut fünf Wochen nach seinem Bauchmuskelriss. In der 68. Minute, der FC Bayern führte durch ein Tor von Lewandowski (29.), sprintete Robben in seinem unnachahmlichen Watschelgang auf den Rasen. Wenige Minuten später fasste er sich an die Wade, sein Gesicht legte er in seiner unnachahmlichen Mimik in Schmerzensschluchten. Nach 16 Minuten wurde er ausgewechselt. Und so fehlte Pep Guardiola, dem Trainer des FC Bayern, drei Minuten vor Ende der Verlängerung eine Wechselmöglichkeit, um Lewandowski vom Feld zu nehmen. Der Stürmer torkelte nach einem ruppigen Rempler von BVB-Torwart Mitchell Langerak zurück auf den Rasen.

Nachdem Lewandowski in den Krankenwagen gestiegen war, kamen die anderen Spieler aus der Kabine, anders als der Angreifer hatten sie die letzten Minuten nicht vergessen, auch nicht dieses Slapstick-Elfmeterschießen. Philipp Lahm: ausgerutscht. Xabi Alonso: ausgerutscht. Mario Götze: gescheitert an Langerak. Manuel Neuer: gescheitert an der Latte.

Die Dramatik des Abends, an dem der FC Bayern in der regulären Spielzeit lange die an Ballbesitz und Torchancen überlegene Mannschaft war, gipfelte in den Schüssen von Lahm und Alonso, in diesen Anläufen auf Seifefüßen. Lahm hatte zuvor müde gewirkt, auch Alonso hat sich durch die vergangenen Wochen geschleppt, doch der Kader gönnt ihnen zurzeit keine Pause, nicht in den entscheidenden Momenten, und so rutschten sie am Finaleinzug vorbei. "Man hat gesehen, dass die Spieler sich konzentrieren, dass sie sich eine Ecke vornehmen. Die wollten ihn beide oben rechts platzieren", sagte Neuer. "Die Spieler hatten jetzt keine Badelatschen an", sagte Thomas Müller. Lahm sagte: "Mehr als Stollenschuhe anziehen kann ich nicht."

Die Spieler weigerten sich jedoch, die Schuld allein im torlosen Elfmeterschießen zu suchen, sie fanden sie stattdessen in Schiedsrichter Peter Gagelmann, der ihnen zwei Elfmeter verwehrt hatte. Sie fanden sie aber vor allem: in sich selbst. "Wir müssen zwei, drei Tore machen", sagte der gewohnt robuste Innenverteidiger Jérôme Boateng, "wir verschenken heute einfach das Finale."

Als letzter Spieler, es war weit nach Mitternacht, humpelte schließlich Medhi Benatia aus der Kabine, sein linker Knöchel war dick bandagiert, sein rechter Fuß war so geschwollen, dass er seinen Joggingschuh nur wie eine Badelatsche nutzen konnte. Die nächste bittere Nachricht? "War nur ein Schlag", sagte Benatia. "Alles okay."

© SZ vom 30.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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