Münchner ATP-Turnier:Cool wie Bridges

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Der letzte Deutsche am Aumeisterweg in München: Alexander Zverev steht im Halbfinale der BMW Open - nach einem verblüffend coolen Dreisatz-Sieg. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty)

Alexander Zverev steht nach seinem Sieg gegen Jan-Lennard Struff im Halbfinale der BMW Open. Der Moment ist günstig: Der 20-Jährige könnte sein erstes Turnier in der Heimat gewinnen.

Von Gerald Kleffmann

Die Geste war klar. Der Zeigefinger ging nach unten, zwei-, dreimal. Dies ist mein Platz, sagte Alexander Zverev damit. Dies ist mein Revier. Hier will ich auch am Wochenende reüssieren. Im Halbfinale am Samstag (ab 13.30 Uhr), und am besten im Endspiel am Sonntag. Es ist schon verblüffend, mit welcher Coolness dieser 20-Jährige inzwischen Matches gewinnt, die er aufgrund seiner Favoritenrolle auch gewinnen sollte. Selbst wenn diese Matches erst im letzten Moment zu seinen Gunsten kippen. Während die Zuschauer sich erhoben, um anerkennend zu applaudieren, auch für den nur hauchdünn in diesem Viertelfinalmatch der BMW Open am Freitag unterlegenen Jan-Lennard Struff, schritt Zverev nach dem 3:6, 7:6 (3), 7:6 (5) so lässig wie Jeff Bridges im legendären Film "The Big Lebowski" ans Netz. Eigentlich fehlte ihm nur der White Russian in der Hand.

Beim Rasenturnier in Halle stand Zverev im Finale. Er verlor aber gegen Florian Mayer

Gary Lineker gab ja mal den genialen Spruch zum Besten, dass beim Fußball 22 Mann kicken und am Ende die Deutschen immer gewinnen würden. Im deutschen Tennis tut sich mittlerweile eine unübersehbare Parallele dazu auf, sie lautet: Am Anfang treten zehn Profis im Turnier an und am Ende ist es immer Zverev, der am weitesten kommt. Diese Qualität zeichnet den Hamburger, der russische Eltern und inzwischen in Monte-Carlo seinen Wohnsitz hat, mittlerweile aus. Welchen Zug Zverev in seinem Anspruch hat, veranschaulichte er nach dem Sieg. Er marschierte sofort zum Trainingscourt vor dem stilvollen Klubhaus des MTTC Iphitos - und legte eine Extraschicht ein. Michail Ledowskich, Coach seines Bruders Mischa, spielte ihm die Bälle zu. Zverev wollte mit einem besseren Gefühl "für die aggressiven Schläge" den Arbeitstag beenden, wie er später erklärte. Vater Zverev und Mutter Zverev sahen zu, sogar Lövik ("kleiner Löwe"), der kleine Pudel des Clans, hüpfte am Rand umher. Zverevs Erfolgsgeschichte ist in erster Linie eine Familiengeschichte.

Für Zverev könnte der Moment ein günstiger sein, um sein erstes Turnier in Deutschland zu gewinnen. Es würde ihm "sehr viel" bedeuten, wie er nachvollziehbar betonte, "der erste Turniersieg bleibt einem immer in Erinnerung - und der erste Heimsieg würde auch für immer in Erinnerung bleiben". In St. Petersburg feierte er im September 2016 seinen ersten Titel. Der zweite gelang im Februar in Montpellier. Vergangenes Jahr war er in Halle beim Rasenturnier schon kurz vor dem Heimsieg gestanden, im Finale unterlag er dann aber Florian Mayer. Als er, selbst mit diesem zeitlichen Abstand, zugab, das habe "schon weh getan", war sein hartnäckiger Erfolgswille wieder zu vernehmen. Das Motto, das Turnier-Veranstalter Michael Mronz ausgerufen hatte ("Die Deutschen gegen den Rest der Welt"), hatte sich als kleines Fazit zum Wochenende nicht nur dank Zverev bewahrheitet. Anfangs stand vor allem Tommy Haas im Fokus, der 39 Jahre alt ist und seine letzte Saison bestreitet (er verlor gegen Struff in der zweiten Runde). Die speziellste Note steuerte der 25-jährige, schwerhörige Yannick Hanfmann bei, der in den USA College-Tennis gespielt hatte, ehe er vor zwei Jahren als Profi auf kleineren Touren einstieg. Nach zwei Siegen in der Qualifikation und im Hauptfeld gegen deutlich besser in der Weltrangliste platzierte Gegner, stieß er im Viertelfinale an seine Grenze. 3:6, 3:6 unterlag er Roberto Bautista Agut. Der Spanier, als 18. in der Weltrangliste zwei Plätze vor Zverev, wird nun auf ebendiesen treffen. Schon am Mittwoch hatte Hanfmann eine erfrischende Pressekonferenz gegeben, am Freitag, bei der zweiten seines Lebens, kam er nicht weniger gut an.

Novak Djokovic trainiert "wie eine Maschine", erzählt Yannick Hanfmann

Mit Ironie erkannte er selbst, dass er eine "coole Story" gewesen ist. Nun aber müsse er "das schöne ATP-Turnier verlassen" und nach Usbekistan zu einem Challenger weiterreisen. Wobei er Usbekistan keinesfalls zu nahe treten wollte. Allein schon aufgrund seiner feinsinnigen Erzählweise ist Hanfmann zu wünschen, dass die deutschen Turniere in Stuttgart, Halle und Hamburg ihn bei der Vergabe einer Wildcard berücksichtigen. Ganz offensichtlich schlummern in diesem jungen Mann noch einige gute Geschichten. Am Freitag referierte er anschaulich über seine Trainingsschichten mit Roger Federer und Novak Djokovic. Nun weiß man etwa, dass der Schweizer in solchen Momenten "verspielter" ist, während der Serbe "wie eine Maschine" übt. Dass Hanfmann nun diese Tage sacken lassen kann, "erleichtert" ihn ein w enig. "Da waren viele Emotionen diese Woche", gab er zu. Und doch zählte er, einer der vier Viertelfinalverlierer, zu den Gewinnern dieses Turniers.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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