1860 München:"Ein ehrlicher Arbeiterverein, kein Schampusverein"

Zehn Prozent weniger: Der neue 1860-Geschäftsführer Robert Schäfer kürzt allen Angestellten und Spielern das Gehalt.

Markus Schäflein

Ein einziger Tag reichte, um die ganze Schizophrenie des TSV1860 München selbst für Löwenverhältnisse ungewohnt drastisch zu zeigen. Am Dienstagabend gab der Klub zum 150-jährigen Jubiläum die große Kabarettgala "Lachen mit den Löwen" - wenige Stunden zuvor waren in der Geschäftsstelle an der Grünwalder Straße einige Angestellte den Tränen nahe gewesen. Geschäftsführer Robert Schäfer offerierte den Mitarbeitern auf einer Betriebsversammlung seine Pläne, alle Gehälter um zehn Prozent zu kürzen. Insgesamt sind rund 125 Angestellte betroffen, davon 23 in der Verwaltung und 35 in der Lizenzmannschaft.

SpVgg Greuther Fürth - TSV 1860 München

Ärger über die Niederlage in Fürth, nicht über die Gehaltskürzung: die 1860-Spieler Stefan Buck und Alexander Ludwig.

(Foto: dpa)

Einen Tag später machte Schäfer das Vorhaben auch öffentlich. "Die elementare Aussage ist: Wir fangen mit der Sanierung bei uns selbst an", sagte Schäfer. "Für mich hat das eine überragende Bedeutung als Symbol nach innen und nach außen. Es gibt kein ,Weiter so' mehr. Wir müssen unseren Teil beitragen, das gilt für alle hier." Für alle - auch für die Profifußballer der Zweitliga-Mannschaft. Ausgenommen sind immerhin Mitarbeiter und Nachwuchsspieler, die bislang schon wenig verdienen. "Unter 1500 Euro kann man nicht fallen", sagte Schäfer.

Bis Montag erwartet er ein Votum der Betriebsversammlung. "Wir sind mit dem Betriebsrat auf dem Weg, das zu einer Lösung zu bringen." Auch die Spieler hätten ihre Bereitschaft signalisiert: "Sie wollten nur sicher wissen, dass es der einzige Schnitt ist und nicht im April noch was kommt." Am Donnerstag vor dem Training stimmt das Team ab. Führungsspieler wie Daniel Bierofka und Benjamin Lauth sollen bereit sein, zuzustimmen - und ihre Kollegen überzeugen.

Akzeptieren einzelne Angestellte die Pläne nicht, wird 1860 die Kürzungen dennoch vornehmen: "Dann müssen wir es durchziehen", sagte Schäfer. Formal plant er so genannte Änderungskündigungen. Diese sind im Rahmen eines erstellten Sanierungsplans rechtlich vorgesehen. Dagegen kann der Angestellte klagen, der Ausgang ist dann offen.

Der Sanierungsplan muss die Finanzlage des Betriebes, den Anteil der Personalkosten und die Auswirkung der geplanten Kostensenkungen umfassend darstellen. Die beabsichtigten Änderungskündigungen müssen sich nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2008 als das einzig mögliche Mittel anbieten, um eine Reduzierung der Belegschaft oder sogar eine Schließung des Betriebs zu verhindern.

Schäfer hofft, dass die komplexe juristische Lage gar nicht zum Tragen kommt. Er versteht es - im Gegensatz dazu, wie sein Vorgänger Robert Niemann von vielen Angestellten wahrgenommen wurde -, seine Gesprächspartner an der Hand zu nehmen und selbst bittere Wahrheiten mit Optimismus und einer natürlichen Gelassenheit zu vermitteln. "Ziel ist es, dass alle mentalitätsmäßig in der Situation ankommen", sagte Schäfer. "wir sind in einer Phase, die wir überstehen müssen, und das wird uns zusammenschweißen."

1860 sei "kein Schampusverein, sondern ein ehrlicher Arbeiterverein", sagte Schäfer: "Das heißt, nicht so zu tun, als ob man das Real Madrid von Giesing ist. Wir dürfen nicht notorisch so tun, als wären wir noch in der ersten Liga. Wenn wir das nicht nur erzählen, sondern auch leben, werden die Menschen uns das auch abnehmen." Schäfer will künftig "ein ehrliches Budget" machen, das zum Ziel hat, "in der zweiten Liga überleben zu können". Die Finanzpläne für die Profimannschaft werden sich "sicher nicht an den Top zwei der zweiten Liga orientieren" .

Kurzfristig spart Schäfer demonstrativ auch an kleineren Posten: Die Übernachtung vor dem Auswärtsspiel im nahen Ingolstadt wird gestrichen. Und auch das von Trainer Reiner Maurer sehnlichst geforderte Wintertrainingslager in der Türkei, das rund 30000Euro gekostet hätte, wird es nicht geben. "Ich werde nicht der Waschfrau kurz vor Weihnachten zehn Prozent Gehalt kürzen und die Mannschaft dann in ein Vier-Sterne-Hotel fliegen lassen", sagte Schäfer. Maurer mühte sich, seine Gefühlslage zu verbergen, und zeigte Verständnis für die Sanierung, sagte dann aber doch: "Man muss nur aus dem Fenster schauen, um das Problem zu sehen."

Rund eine Million Euro pro Jahr spart der Klub durch die Zehn-Prozent-Regelung; sie soll so lange gelten, wie 1860 in der Sanierungsphase steckt, mit "mindestens zwei Jahren" rechnet Schäfer: "Hier muss ab jetzt jeder mit anpacken, egal ob er ein hohes oder niedriges Gehalt hat." Seine eigenen Bezüge hat er daher bereits gekürzt - unmittelbar nach seinem Amtsantritt vor zwei Wochen, um 20 Prozent.

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