1860 München im Abstiegskampf:"Da muss man nach Worten ringen"

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Da waren alle fertig: Die Spieler von 1860 München freuen sich über den 2:1 Sieg gegen Nürnberg. (Foto: Marc Müller/dpa)
  • Welch ein Drama in der vollen Arena im Münchner Norden: Der TSV 1860 zittert sich im Derby gegen Nürnberg zu einem 2:1 und verlässt die Abstiegsplätze in der 2. Liga.
  • Kurz vor Schluss kommt es zu einer mysteriösen Schiedsrichterentscheidung.

Von Markus Schäflein

Es war die 87. Minute, Dave Bulthuis traf ins Tor für den Club, es stand 2:2. Die ersten der 68 500 Menschen verließen die Arena mit Tränen in den Augen, das Remis war zu wenig für 1860 München, viel zu wenig. Der Ball lag am Mittelkreis, die Spieler brüllten sich für die letzten Minuten noch einmal Mut zu.

Plötzlich bildete sich am Spielfeldrand ein Knäuel, Nürnbergs Trainer René Weiler diskutierte mittendrin mit Schiedsrichter Jochen Drees, 1860-Sport-Geschäftsführer Gerhard Poschner eilte hinzu und redete auf Weiler ein, anschließend erhielten der vermeintliche Torschütze Bulthuis und sein Kollege Javier Pinola noch Gelb wegen Meckerns - der Unparteiische erklärte das Tor wegen Abseits für ungültig.

Es blieb beim 2:1 für 1860 nach Treffern von Niklas Stark (45.), Guillermo Vallori (56.) und Daniel Adlung (72.), die fünf Minuten Nachspielzeit gingen noch irgendwie rum, Löwen fielen hin und blieben liegen, Pinola sah noch Gelb-Rot - und am Ende schob sich 1860 am vorletzten Spieltag vor die Abstiegszone, vorbei an Aue (0:0 gegen Kaiserslautern) und dem FSV Frankfurt (1:3 gegen Union Berlin). Gerettet ist der TSV 1860 noch nicht, am letzten Spieltag in Karlsruhe braucht er aufgrund der Tabellenkonstellation einen weiteren Sieg zum sicheren Klassenverbleib.

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"Da muss man nach Worten ringen", sagte Club-Trainer Weiler nach dem irren Spiel, "mit dem 2:2 hatten sich alle abgefunden. Das ist eigenartig, die Fernsehbilder zeigen, dass es ein reguläres Tor war. Wer dieses Tor zurückgenommen hat, muss sehr viel Fantasie haben - da kommt man schon auf ganz komische Gedanken." Und Torschütze Bulthuis meinte gar: "Das war nicht real. Vielleicht hat der Schiedsrichter gewettet auf dieses Spiel."

Er habe zudem gehört, nicht der Linienrichter auf Ballhöhe, sondern dessen Kollege auf der anderen Seite habe die Entscheidung angeregt: "Meiner Meinung nach war er 100 Meter weg." Drees nahm selbst Stellung: "Sie können sich vorstellen, dass der Linienrichter ziemlich bedröppelt in der Kabine sitzt." 1860-Trainer Torsten Fröhling fand es hingegen zwar eine Rarität, dass ein Schiedsrichter einen Treffer so spät zurücknimmt, aber "umso schöner" - und erinnerte daran, dass Drees seinem Team zuvor nach einem Foul von Even Hovland an Valdet Rama einen durchaus möglichen zweiten Strafstoß verweigert hatte.

Die Partie gegen Nürnberg war das am besten besuchte Zweitligaspiel dieser Saison. "Wir begrüßen die 40 000 Katastrophentouristen", hatten die 1860-Fans, die immer da sind, auf ein Transparent geschrieben. Und in der Tat steuerte der Nachmittag erst einmal auf eine Katastrophe hin: Ohne Rubin Okotie (gesperrt) und Stephan Hain (verletzt), mit Rodri und Valdet Rama in der Mitte und dem genesenen Krisztian Simon auf der rechten Seite entwickelten die Löwen im ersten Durchgang keine Ideen, wie sie für Torgefahr sorgen sollten.

Nürnberg zeigte die bessere Spielanlage, kam allerdings auch kaum zu Möglichkeiten. Umso größer war der Schock kurz vor der Halbzeitpause, gerade als Rama per Kopf die einzige Möglichkeit der Löwen vergeben hatte: Danny Blum flankte, Niklas Stark traf mit einem Flugkopfball zum Führungstor für Nürnberg (45.).

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Zur zweiten Hälfte brachte Torsten Fröhling Marius Wolf für den wirkungslosen Simon, prompt war mehr los auf der rechten Seite und insgesamt plötzlich der situationsgemäße Kampf im Spiel der Münchner, der in der ersten Hälfte noch nicht zu erkennen gewesen war. Für das 1:1 war dann Innenverteidiger Guillermo Vallori zuständig, der wohl keinen neuen Vertrag mehr bei den Löwen bekommen soll, aber zum Abschied "einen Kampf bis aufs Blut" und auch sein erstes Saisontor angekündigt hatte. Nach einem Freistoß von Daniel Adlung beförderte Vallori den Ball zum umjubelten 1:1 ins Netz (56.).

Nun wurde die gut besetzte Arena zum erhofften Tollhaus, und als Nürnbergs Stark die Hand zu Hilfe nahm im Zweikampf mit Rodri, entschied Schiedsrichter Drees auf Elfmeter. Rodri hatte den Ball schon unterm Arm, wollte schießen, doch Adlung eilte herbei und übernahm die Verantwortung. "Er hat den Ball für mich etwas warmgemacht", erklärte Adlung. "Ich bin eingeteilt als Elfmeterschütze." Souverän schoss er den Ball scharf ins linke Toreck zur nun euphorisch bejubelten Führung (77.).

Fröhling wechselte Rodri kurz darauf aus, Korbinian Vollmann fügte sich in das Kampfspiel nahtlos ein. Adlung scheiterte nur eine Minute nach seinem Tor mit einem Distanzschuss an Club-Torwart Raphael Schäfer, 1860 musste weiter zittern. Bei den Nürnbergern wirkte mittlerweile der robuste Robert Koch statt des Filigrantechnikers Alessandro Schöpf mit, Trainer Weiler wollte sich nicht geschlagen geben. Dann kam die 87. Minute, Nürnberg traf - und traf eben doch nicht.

Am letzten Spieltag können die Löwen mit einem Sieg in Karlsruhe den Klassenverbleib schaffen; dabei fehlen ihnen allerdings Gary Kagelmacher und Rama (beide gelbgesperrt) und womöglich auch der verletzte Vallori. Wenn sie nicht gewinnen, müssen sie auf Patzer von Aue (in Heidenheim) und des FSV Frankfurt (in Düsseldorf) hoffen. "Das Problem ist jetzt, dass wir nächste Woche weiterpunkten müssen", erkannte auch Fröhling, "aber wir bekommen diese Saison eben nichts geschenkt." Das sahen die Nürnberger selbstredend anders.

© SZ vom 18.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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