München gewinnt nach frühem Wechsel 3:1:Ungewollte Vorlage

Erst nach der Auswechslung des rot-gefährdeten Chilenen Arturo Vidal findet der FC Bayern in die Partie beim VfB Stuttgart - und setzt seine erstaunliche Serie gegen die Schwaben fort.

Von Matthias Schmid, Stuttgart

Arturo Vidal plagte offenbar sein schlechtes Gewissen. Anders war sein Laufweg nach seiner Auswechslung nicht zu deuten. Der Profi des FC Bayern München schlurfte in der Stuttgarter Arena nicht vorne an der Bank vorbei, um seine Mitspieler abzuklatschen - wie das normalweise Profis dieses Planeten so machen. Der renitente Vidal, 28, lief stattdessen hinter der überdachten Ersatzbank vorbei, den Blick auf den Boden gesenkt. Bis Philipp Lahm mit einer Jacke in der Hand auftauchte und den Chilenen mit sanftem Druck dazu zwang, bitteschön doch noch Platz zu nehmen.

Vielleicht war Vidal einfach auch nur sauer, auf sich, den Schiedsrichter und auch auf seinen Trainer Pep Guardiola, der ihn schon nach 26 Minuten vom Platz holte. Aber hätte es nicht der Katalane getan, dann hätte es wohl Schiedsrichter Bastian Dankert getan. Wegen wiederholten Foulspiels. Der Rackerer übertrieb es beim 3:1 (1:0)-Sieg gegen den VfB Stuttgart diesmal mit seiner Aggressivität. Zunächst grätschte er Daniel Didavi um, ohne dass der Ball auch nur in der Nähe gewesen wäre. Und wenige Szenen später lag plötzlich Außenverteidiger Emiliano Insua auf dem Boden, umgeworfen von Vidal.

"Ich wollte kein Risiko eingehen", sagt Pep Guardiola zu Vidals Auswechslung

Sogar Mitspieler Xabi Alonso hatte vom ungestümen Einsteigen des Chilenen genug und zeigte nach dessen zweitem Foul innerhalb von wenigen Minuten öffentlich, was er von Vidals Vorführung hielt, indem er sich an die Schläfe tippte und ihm so den Vogel darbot. "Ich wollte kein Risiko eingehen", sagte Pep Guardiola über die frühe Auswechslung. Der Trainer will die Kontrolle behalten. Es steht ja in diesen turbulenten Wochen zu viel auf dem Spiel für die Münchner. Neben dem Rückspiel in der Champions League warten auch in der Bundesliga K.o.-Spiele auf den FC Bayern, denn die Dortmunder lauern nur auf Ausrutscher des großen Rivalen.

Im Moment warten sie aber vergeblich.

München gewinnt regelmäßig seine Partien in der Bundesliga, mit dem 15. Pflichtspielsieg nacheinander gegen den VfB vergrößerte der deutsche Meister den Vorsprung zumindest bis Sonntachmittag sogar wieder auf acht Punkte. Erst dann hat der BVB im Revierderby beim FC Schalke die Möglichkeit, den Abstand zu verkürzen.

Selbstverständlich findet es Guardiola nicht, dass es seiner Mannschaft nach Auftritten in der Champions League immer wieder gelingt, im Alltag viel mehr als Dienst nach Vorschrift zu verrichten, neunmal siegte sie nach Spielen im Europapokal anschließend in der Liga. "Das ist nicht einfach", gesteht Guardiola und rechnete selber vor, wie viele Dreier noch nötig sind, bis der FC Bayern die Meisterschaft sicher hat. "Wir brauchen noch drei Siege und ein Unentschieden." Man spürt, dass ihm dieser Meistertitel zu seinem Abschied viel bedeuten würde. Es wäre einer für die Geschichte, der vierte in Serie. "Das hat in der deutschen Historie noch keiner geschafft", sagte Guardiola in Stuttgart.

Müllers Einwechslung belebt das Spiel der Münchner

Vielleicht hatte Vidals Übereifer deshalb sogar etwas Gutes. Denn mit der Hereinnahme von Thomas Müller hatten die Münchner im Spiel nach vorne mehr Optionen. Sie hatten sich lange schwer getan, gegen die fehlerlos arbeitende Fünferkette des VfB. "Wir hatten am Anfang viele Probleme", gab Guardiola zu. Die beste Chance des Spiels vergab deshalb auch der abstiegsbedrohte VfB, doch Didavis Schuss gegen die Laufrichtung parierte Manuel Neuer mit einem famosen Reflex (11.), wie ein gewandter Handballtorwart brachte er noch die rechte Hand hinter den Ball. Und vorne half ihnen ein Spieler, der mit dem FC Bayern einst in der Jugend eine Meisterschaft gewann: VfB-Verteidiger Georg Niedermeier spitzelte den Ball nach einer harten Hereingabe von Ribéry ins eigene Tor (31.). Es war schon das sechste Eigentor der Stuttgarter in dieser Saison. "Trainieren tun wir das nicht", stellte Kramny süffisant fest.

Nach der Pause dauerte es nicht lange, bis die Münchner gegen etwas verzagte Stuttgarter mit 2:0 führten, David Alba traf in die kurze Ecke (52.). Doch in die eigentlich entschiedene Partie kam noch mal etwas Spannung auf, weil Daniel Didavi im Sitzen Manuel Neuer bezwang (63.). Den Ball bekam Didavi ungewollt vom unglücklichen Robert Lewandowski serviert, der im dritten Spiel nacheinander ohne Tor bleib. Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge begegnet als ehemaliger Stürmer der unerfreulichen Statistik aber sehr gelassen. "Alles okay" befindet Rummenigge, wohl auch, weil der eingewechselte Douglas Costa schließlich den 3:1-Endstand markierte (89.).

Er habe das alles selber schon erlebt, fügte Münchens Klubchef hinzu, "ich wünsche Robert im nächsten Spiel ein Tor". Denn dann hätten alle etwas davon, mit einem Treffer am Mittwoch im Rückspiel des Viertelfinales in Lissabon "hätten wir beste Voraussetzungen, das Halbfinale zu erreichen." Und die Aussichten in der Bundesliga? Ja, die interessiere ihn natürlich auch, sagte Rummenigge routiniert. Er hält es da mit Thomas Müller, der sich am Sonntag das Spiel zwischen Schalke und Dortmund vor dem Fernseher anschauen wird: "Aber ich werde jetzt mit Sicherheit nicht dem BVB die Daumen drücken." Als Müller das sagte, schlurfte Vidal gerade lächelnd an ihm vorbei.

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