1860 München:Ein Sechziger mit Bayern-Klausel

Allianz-Arena München

Mehr blau (1860) als rot (FC Bayern)? Ein Trugschluss, den die Beleuchtung des Münchner Fußballstadions zulässt.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • 2006 verkaufte der TSV 1860 München seine Anteile an der Arena an den FC Bayern.
  • Der Kaufpreis lag damals bei 11,3 Millionen Euro. Zu niedrig, sagen manche. Der damalige 1860-Geschäftsführer Stefan Ziffzer wehrt sich dagegen.
  • Allerdings konnte Ziffzers aus seinem Vertrag auf Wunsch des FC Bayern nur "aus wichtigem Grund" entlassen werden.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Mit der Wahrheit, sagt Stefan Ziffzer, rufe man oft die meiste Ungläubigkeit hervor. Es ist das Schlusswort, nachdem der frühere Geschäftsführer des TSV 1860 München den versammelten Pressevertretern rund zwei Stunden lang seine Wahrheit erzählt hat, wie der Verkauf der Arena-Anteile der Löwen an den Lokalrivalen FC Bayern München lief. Ihm war zuletzt vom scheidenden 1860-Verwaltungsrat Christian Waggershauser im SZ-Interview vorgeworfen worden, bei dem Handel "nicht primär die Interessen des TSV 1860" vertreten zu haben. Konkret lauten die Vorwürfe, die sich im Umfeld der Löwen seit einem Jahrzehnt halten, dass der Kaufpreis von 11,3 Millionen Euro viel zu niedrig gewesen sei. Vor allem vor dem Hintergrund, argumentierte Waggershauser, dass die Subventionen in Höhe von 200 Millionen Euro von Freistaat und Stadt an die Bedingung gekoppelt waren, dass zwei Vereine für die Dauer von zehn Jahren in der Arena spielen müssten. Und dass Ziffzer, der einige Bayern-Verantwortliche schon vor seinem Amtsantritt aus seiner Zeit bei der Kirch-Gruppe gut kannte, dann auch noch ohne Not die Rückkaufsoption für nur eine Million Euro abgetreten habe.

Ziffzer beginnt seinen Bericht im Jahr 2006: "Ich war damals selbständig, hatte einen ordentlichen Job." Dann habe er in der Münchner Innenstadt den 1860-Anwalt Guido Kambli getroffen, der ihn um Hilfe als Sanierer gebeten habe: Der TSV befinde sich in großen Schwierigkeiten. Wie groß sie wirklich waren, sagt Ziffzer, habe er allerdings nicht vor Antritt der Rettungsmission analysiert, sondern erst danach: "Ich habe festgestellt, dass der Laden pleite war, tot. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich das Amt gar nicht angetreten." Im Klub sei man immer davon ausgegangen, dass stille Reserven der Stadiongesellschaft die Überschuldung der Profifußball-KGaA ausgleichen würden. Das habe er schnell widerlegt gesehen: "Es wollte der Zufall, dass der Wirtschaftsprüfer der Stadiongesellschaft ein lieber Freund von mir war, und er hat erklärt, dass da kaum stille Reserven waren", berichtet Ziffzer. Dieser liebe Freund, sagt Ziffzer auf Nachfrage, arbeitete auch als Wirtschaftsprüfer für den FC Bayern.

Er habe nun in einer "Operation am offenen Herzen" nur noch vermeiden müssen, Insolvenz anzumelden. Dabei tat Ziffzer, was ein Insolvenzverwalter auch getan hätte: Er verscherbelte, was noch da war - und das waren die Arena-Anteile. Einen anderen Kaufinteressenten als den FC Bayern habe es nicht gegeben. "Das Ding war leider nicht verkäuflich", sagt er. Es ist die zentrale Botschaft, auf die er Wert legt: Eine derartige Spezialimmobilie, die noch für einige Jahre mit hohen Kosten verbunden sei, wolle niemand erwerben.

Daher argumentiert Ziffzer auch, man habe bei der Kaufpreisermittlung den Substanzwert nicht heranziehen können, sondern nur den so genannten Ertragswert. So sei dann herausgekommen, dass der Wert der 1860-Anteile gar "im Minusbereich" gelegen habe: "Jemand, der nach Ertragswert kauft, der hätte erst mal gar nichts auf den Tisch gelegt."

Stellt sich die Frage, warum der FC Bayern dann überhaupt etwas gezahlt hat. "Weil der FC Bayern in der Tat nicht uninteressiert war, dass wir am Leben bleiben", sagt Ziffzer. "Natürlich hatten sie ein Interesse, dass da ein Verein weiter in der Arena spielt. Wir haben errechnet: Wie viel brauchen wir, damit wir überhaupt überleben können." Genau auf jenen nötigen Betrag legten sich Ziffzer und die Vertreter des FC Bayern dann fest - es waren 11,3 Millionen Euro.

Ziffzer verhandelte sozusagen nicht. Er rechnete. Damit bestätigt er letztlich einen Kernvorwurf von Waggershauser: dass er nämlich "nicht primär die Interessen" von Sechzig vertreten habe. Sondern wohl eher so etwas wie gemeinsame Interessen von Sechzig und dem FC Bayern. Ziffzer und die Bayern bestimmten sozusagen die kleinste gemeinsame Schnittmenge. Er sagt: "Wir mögen uns alle geirrt haben, aber für uns war das nicht besser darstellbar. Und es waren ja alle in den Deal involviert, wir haben auch Edmund Stoiber und Christian Ude ins Boot geholt. Ich denke, dass es nicht geklappt hätte, wenn der FC Bayern nicht Vertrauen in Stefan Reuter (damals Sport-Geschäftsführer, d. Red.) und mich gehabt hätte."

In dem Vertragswerk wurde zudem eine jährliche Mietzahlung des TSV 1860 von sechs Millionen Euro festgelegt, die Ziffzer später noch auf vier Millionen Euro herunterverhandelte. "Das war immer noch viel, aber in dem Bereich, wie es für ein derartiges Stadion vertretbar war", sagt er. Dazu kam eine Fortzahlung der Garantiesumme von über zwei Millionen Euro pro Jahr für das Catering der Firma Arena One, die einen Baukostenzuschuss gegeben hatte - eine sinnlose Regelung für einen Mieter, könnte man mit guten Argumenten meinen. Für 80 Prozent Auslastung des Vip-Bereichs müssen die Löwen standardmäßig bezahlen, egal wie viele Plätze sie verkaufen. Ziffzer verweist darauf, dass zu seiner Zeit "an dem Catering am Ende kein Geld verloren" worden sei.

Auf Wunsch des FCB konnte er laut Vertrag nur "aus wichtigem Grund" entlassen werden

Waggershauser hatte auch gesagt, Ziffzers Vertrag als Geschäftsführer sei auf Druck des FC Bayern verlängert worden. "Das kann man sich so hinbiegen", sagt Ziffzer. Um die Vertrauensperson so lange im Amt zu halten, wie Sechzig von der vierjährigen Rückkaufsoption hätte Gebrauch machen können, sei in seinem Vertrag eingebaut worden, dass er nur "aus wichtigem Grund" entlassen werden könnte, bestätigt Ziffzer. So war Ziffzer der garantierte Ansprechpartner für den FC Bayern - und mögliche fremde Investoren.

Später trat er dann jene Rückkaufsoption an den FC Bayern ab. "Zwei Jahre nach dem Verkauf kamen die Bayern und haben gesagt: Wir haben ein gewisses Interesse, dass ihr euch früher aus der Rückkaufsoption verabschiedet. Sie haben die Finanzierung umgestellt, da war das für die Verhandlungen besser - die Bayern waren für Banken ein machbares Risiko, Sechzig nicht." Den Vorwurf, auch die Summe von einer Million Euro für jenes Rückkaufsrecht sei zu niedrig gewesen, kann Stefan Ziffzer ebenso nicht verstehen: "Nach Meinung aller Beteiligten war das Ding gar nichts wert, weil Sechzig es nie hätte ausüben können."

In zwei Jahren habe sich schließlich kein einziger externer Kaufinteressent für die Anteile gemeldet. Offenbar also nicht einmal als Investment. Als Spekulation darauf, dass zumindest der FC Bayern in der Folge aufsteigen würde zu einem europäischen Top-Klub, bei dem es bei Heimspielen kaum Tickets zu erstehen gäbe.

"Hätt' ich doch auf einen Investor gewartet - das ist doch Theorie", sagt Ziffzer. Dass die Bayern das Rückkaufsrecht aufgrund ihrer Kreditverhandlungen unbedingt entfernen wollten, hätte ein mächtiges Argument sein können. "Was die Bayern wollten, interessiert mich nicht", entgegnet Ziffzer, "was ich erzielt habe, war besser, als ich es bewertet hatte." Es sei sowieso ein Grundproblem: "Man will bei Sechzig nicht wahrhaben, dass das Leben auch ohne Hass auf den FC Bayern funktioniert."

Wenig später provozierte Ziffzer seinen Rauswurf mit der Aussage: "Der Fisch stinkt vom Kopfe her, und der Kopf ist der Präsident." Die damalige Pro1860-Bewegung mit dem Präsidenten Albrecht von Linde, zu der auch Waggershauser gehörte, sei "sektenhaft" gewesen und habe eine "dem Geld eher abgeneigte Grundhaltung" gehabt. Angesichts dieser Konstellation habe es für ihn "keine Alternative" gegeben, sagt Ziffzer: "Ich wusste nur, dass ich nicht am Steuer sitzen wollte, wenn der Laden an die Wand fährt."

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