1860 München:1860-Trainer Möhlmann wundert sich über Fans und Spieler

TSV 1860 München - 1. FC Nürnberg

Benno Möhlmann hat mit dem FC Ingolstadt 2010/11 in einer ähnlich ausweglosen Situation wie jetzt noch die Rettung geschafft.

(Foto: dpa)
  • Nach der Niederlage bei Union Berlin ist die Zuversicht beim TSV 1860 München verflogen.
  • Trainer Benno Möhlmann kritisiert die vermeintliche Stimmungsmache einiger Anhänger.
  • Vor den zwei richtungsweisenden Heimspielen der abstiegsbedrohten Löwen geben die Spieler Rätsel auf.

Von Markus Schäflein

Benno Möhlmann hat schon eine Menge gesehen in seiner Laufbahn als Fußballtrainer, aber derartig extreme Stimmungsschwankungen, wie er sie derzeit beim Zweitligisten TSV 1860 München erlebt, waren selbst dem 61-Jährigen bislang unbekannt. In der Winterpause herrschte angesichts von fünf Zugängen geradezu eine Euphorie, die sich sogar noch über das 0:1 im ersten Spiel nach der Pause gegen Nürnberg hinweg rettete.

Nun, im Spiel bei Union Berlin, das die Löwen nach missratener Anfangsphase und frühem Rückstand lange offen hielten, ehe in der Schlussphase ein deutliches 0:3 zustande kam, kippte die Stimmung in der Anhängerschaft wieder ins andere Extrem. "Absteiger, Absteiger", hallte es aus dem Gästeblock, das Plakat mit der Aufschrift "Adios 2. Liga Tour" wurde wieder ausgerollt, und nach dem Schlusspfiff wurden die Spieler von etlichen der 1500 Mitgereisten so wüst beschimpft, dass einige auf dem obligatorischen Weg zum Block gleich wieder kehrt machten.

"Würde während des Spiels schon gerne unterstützt werden"

"Die Worte der Fans waren nicht so freundlich", berichtete Möhlmann am Montag. Wobei ihn der nach dem Schlusspfiff abgeladene Frust nicht so sehr störte wie die aus seiner Sicht mangelnde Anfeuerung zuvor: "Ich habe nichts dagegen und als Spieler immer akzeptiert, wenn nach schlechten Spielen Theater ist. Aber während das Spiel läuft, würde ich schon gerne unterstützt werden", meinte Möhlmann.

"Wer unter dem Spiel ein Banner rausholt, der ist vorbereitet, der will Programm machen. Wenn ich 100 Prozent mithelfen will, brauche ich so ein Banner nicht." Die bedingungslose Unterstützung, wie er sie etwa bei St. Pauli wahrnehme, sei bei Sechzig womöglich "ein wenig verloren gegangen durch die letzten Monate oder Jahre".

Zum Klassenverbleib fehlen neun Punkte

Der Trainer selbst hat immerhin den Vorteil, dass er - im Gegensatz zum Kollegen Stefan Effenberg beim Tabellen-16. Paderborn - auch nach fünf Liga-Niederlagen in Serie nicht in Frage gestellt wird. Schließlich ist mittlerweile auch an der Grünwalder Straße der Gedanke angekommen, dass die aktuelle Situation - Platz 17, drei Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz, neun gar zum direkten Klassenverbleib - auch ein Ergebnis ständiger Personalwechsel in den vergangenen Jahren ist. Zudem hat Möhlmann mit dem FC Ingolstadt 2010/11 in einer ähnlich ausweglosen Situation die Rettung geschafft und auch sonst genug Erfahrung, dass seine Maßnahmen als fachlich korrekt akzeptiert werden.

Den trainingsfreien Dienstag hätten die Anhänger seinen jungen und unerfahrenen Vorgängern ebenso um die Ohren gehauen wie die Entscheidung, in Berlin im Sturm mit Stefan Mugosa anstelle von Rubin Okotie zu beginnen - obwohl es für beide Maßnahmen gute Gründe gibt. "Ich kann die Mannschaft nicht nur rennen lassen und alles nieder- und kaputthauen", sagte Möhlmann zur Dosierung, zur Personalentscheidung berichtete er: "In der Trainingswoche war Mugosa der Einzige, der laufend das Tor getroffen hat."

In Berlin traf er nicht, als ihn sein Gegenspieler per missglückter Kopfballrückgabe dazu eingeladen hatte; anschließend vergab der eingewechselte Okotie seine große Möglichkeit ebenso. "Es ist ein bisschen nervig, wie in ,Täglich grüßt das Murmeltier': Letztlich endet es immer mit einer Niederlage", klagte Möhlmann.

Die Spieler wirken im Abstiegskampf völlig ratlos

Noch mehr Rätsel als die Fans geben ihm nämlich seine Spieler auf: Nach demonstrativer Abklatscherei und lautem Gebrülle fielen sie nach dem Anpfiff seltsamerweise in einen zehnminütigen Tiefschlaf, der zum frühen 0:1 führte und zu zwei weiteren Großchancen der Berliner. "Als ob wir nicht gewusst hätten, dass der Platz schwierig war und es nur über Zweikämpfe ging", sagte Möhlmann, "und obwohl in unserer Situation jeder weiß, worum es geht."

Am Montagmorgen wollte er mit seinen Spielern über jene merkwürdige Phase diskutieren, was sich allerdings zu einem "Monolog" entwickelt habe: "Wenn du da fragst, kommt nur ein Achselzucken."

Auch die Frage nach dem System stellt sich mittlerweile, Möhlmann schließt nicht aus, das im Winter verordnete 4-4-2 wieder auf den Prüfstand zu stellen. Er stellte allerdings mit einigem Recht fest, dass die Berliner Großchancen zu Spielbeginn nicht systembedingt waren, sondern aus individuellen Aussetzern resultierten. Im weiteren Verlauf der Partie bot Sechzig dann - im 4-4-2 - eine durchschnittliche Leistung an, die durchaus noch zu einem Remis hätte führen können. Möhlmann fand: "Wir haben noch nicht so scheiße gespielt, dass wir aufgeben müssten."

Er weiß allerdings auch, dass nach den nächsten beiden Partien gegen Bochum und Düsseldorf, die Sechzig beide zu Hause bestreitet, die Hoffnung bereits auf ein Minimum geschwunden sein könnte: "Sie könnten eine Vorentscheidung im negativen Sinn bringen." Daher mag Möhlmann angesichts der zwei Heimspiele nicht von einer großen Chance reden. Er sagte lieber: "Sie sind eine große Verpflichtung."

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