München-Derby:Später Aufschrei dank Pflipsen

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Die Löwen haben das lahme Trainingsspiel gegen konturlose, müde Bayern durch ein Elfmetertor gewonnen.

Von Philipp Selldorf

Der Abend begann andächtig, mit einer Gedenkminute für den am Freitag verstorbenen Löwenbetreuer Hugo Hackl. Ein paar Bayernfans - aber wirklich nur ein paar - störten die Stille pietätlos mit Zwischenrufen ("Auf Wiedersehen"), dann war es wieder ruhig.

Und warum sollte es auch laut sein? Die bescheidene Menge Zuschauer, die sich das 200. Zusammentreffen des TSV 1860 und des FC Bayern angucken wollte, verlor sich in der Weite des Olympiastadions wie ein Schwarm Fischlein im Ozean - und ähnlich stumm verfolgten die Fans das Geschehen, das mühselig in Schwung kam und sich trist fortsetzte, bis es einen späten Aufschrei gab: Zehn Minuten vor Schluss hatte Pflipsen das 1:0 für die Löwen geschossen, per Elfmeter, wie es sich für eine lahme Partie wie diese gehört. Immerhin: Den Sieg hatten die Sechziger durch ihr Engagement in der zweiten Halbzeit gegen eine noch ziemlich konturlose und müde Bayern-Mannschaft verdient.

Die beiden Trainer bemühten sich, das Positive mitzunehmen. Löwen-Trainer Rudi Bommer sah sich in dem Glauben bestätigt, seine Mannschaft sei "konkurrenzfähig" in Liga zwei, auch wenn sie ihm noch "zu lieb" erscheint. Kollege Felix Magath erklärte, ihm habe Spaß gemacht, wie sich seine Elf in der ersten Halbzeit Chance um Chance erspielte, auch wenn diese nicht verwertet wurden.

EM-Fahrer auf der Bank

Spekuliert wurde in den vergangenen Tagen, wen der neue Bayern-Trainer zum Kapitän bestimmen würde. Oliver Kahn oder Michael Ballack? Magath meint nämlich, der Torwart stehe "zu weit hinten", um ein wirkungsvoller Spielführer zu sein. Doch Kahn saß gestern nur auf der Ersatzbank, und Ballack durfte zwar gleich mitspielen im Derby, obwohl es sein erster Arbeitstag seit dem Spiel gegen Tschechien bei der EM war.

Aber nur als Nummer 13 und nicht als Kapitän. Stattdessen erhielt Abwehrveteran Thomas Linke das Patent, woraus er allerdings - ebenso wie der Kapitän Tyce bei den Löwen - nicht allzu viel ableiten sollte, denn künftig wird er wohl seinen Platz auf der Ersatzbank haben.

Dort saßen gestern während der ersten Halbzeit auch die Neuerwerbungen Hashemian und Frings sowie die EM-Fahrer Jeremies, Schweinsteiger, Kovac und Hargreaves. Mit großen Namen prunkten die Bayern auch auf dem Rasen, aber der Eindruck war dann nicht besonders furchterregend. Etwas antriebsschwach wirkten ihre Aktionen gegen resolut verteidigende Sechziger, die sich mit allen möglichen Mitteln behalfen, um den Ball von Michael Hofmanns Tor fernzuhalten.

Das sah jedoch weder elegant aus, noch besonders gekonnt, denn am 33 Jahre alten Verteidiger Komljenovic, den Trainer Rudi Bommer aus Burghausen nach München importierte, führt mancher Weg vorbei. Vor allem der kürzeste - einfach vorbei laufen. Roque Santa Cruz demonstrierte das, als er seinem Gegenspieler auf dem Weg in den Strafraum fünf Meter Vorsprung klaute.

Santa Cruz war der einzige richtige Angreifer, den Magath zunächst aufbot. Ihm assistierte in vorderster Linie vor allem Ze Roberto, der mit dieser Rollendefinition große Probleme hatte. In Mittelstürmerposition vergisst der Brasilianer augenblicklich, was für ein glänzender Fußballer er ist, und bei der zweiten von zwei hervorragenden Torchancen trat er am Ball vorbei und fiel so grotesk auf den Hintern, als wollte er eine Komödie aufführen.

Hoffentlich ist ihm vor lauter Grundlagentraining nicht sein Sinn fürs Filigrane verloren gegangen. Schwierigkeiten hatte auch Salihamidzic im rechten Mittelfeld, und zwar beim Flanken, im Pass-Spiel und, ganz allgemein, im Umgang mit dem Ball.

Ohnehin wirkten beide Mannschaften weniger interessiert an einem ansehnlichen Spiel als an der Pflichterfüllung. Sebastian Deisler war im Grunde der einzige, der Vergnügen verbreitete. Seine Dribblings und Steilpässe waren Oasen des Vergnügens. Vom neuen Löwen-Dirigenten Kalla Pflipsen ließ sich das nicht behaupten. Eigentlich fiel der gar nicht auf - bis er sich in der 80. Minute auf nahezu unsterbliche Weise beliebt machte. Kovac hatte Baier im Strafraum geschubst, und Pflipsen verwandelte den Elfmeter sicher.

1860 München: Hofmann (46. Ochs) - Meyer, Komljenovic, Costa, Bulut, - Cerny (76. Lepoint), Lehmann (60. Baier), Tyce (51. Ojigwe), Pflipsen, Gebhardt (68. Milchraum), Agostino (68. Koyo).

FC Bayern: Rensing - Görlitz (46. Jeremies), Demichelis (46. Kovac), Linke (46. Kuffour), Rau - Salihamidzic, Ze Roberto (46. Frings), Ballack (46. Schweinsteiger), Trochowski (46. Hargreaves), Deisler (46. Hashemian) - Santa Cruz.

Tor: 1:0 Pflipsen (Foulelfmeter/80.). Gelbe Karte: Komljenovic. Schiedsrichter: Stark (Landshut).

© Süddeutsche Zeitung vom 20.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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