MSV Duisburg:Zebra im Freibad

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So wollen sie auch in der 2. Liga jubeln: Hajri und die Duisburger. (Foto: firo Sportphoto)

Nach Jahren der Misswirtschaft will sich der traditionsreiche MSV Duisburg wieder als Zweitligist etablieren.

Von Ulrich Hartmann, Duisburg

Das Zebra "Ennatz" ist chronisch begeistert. Das mannsgroße Plüsch-Maskottchen demonstriert gemäß seiner Bestimmung immer gute Laune. Der echte Ennatz ist da ganz anders. Der echte Ennatz heißt Bernard Dietz und ist beim MSV Duisburg die Ikone einer erfolgreichen Vergangenheit. Im Gegensatz zum Zebra hat der 67-Jährige in den vergangenen zwei Jahren ganz schön gelitten.

Als das blau-weiße Maskottchen vor zehn Jahren nach dem Spitznamen des früheren Musterprofis benannt wurde, war der dramatische Absturz des MSV kaum abzusehen gewesen. Misswirtschaft und ein viel zu teures Stadion brachten die Duisburger erst in die Bredouille und dann per Lizenzentzug in die dritte Liga, wo sie sich binnen zwei Jahren aber wieder berappelten. Als der MSV im vergangenen Mai den Wiederaufstieg in die zweite Liga feierte, trugen die Fußballer T-Shirts mit der Aufschrift "Einmal Hölle und zurück", und auch Dietz atmete erleichtert auf: "Jetzt können wir uns wieder sehen lassen."

Zwischen historischem Stolz und aktuellem Wiederaufbruch beschleunigt der Meidericher Sport-Verein (MSV) auf schmalem Grat. Die Zuschauer und das euphorische Zebra bejubelten den Aufstieg wie einen Titel, doch Menschen wie Bernard Dietz oder Präsident Ingo Wald mahnen Vorsicht und eine Fortsetzung der Konsolidierung an. "Die Marke MSV hat ein paar Kratzer abbekommen", sagt Wald, "aber attraktiv bleibt sie trotzdem."

Die Aufstiegsmannschaft wurde nahezu komplett gehalten

Duisburg ist mit seinen knapp 500 000 Einwohnern die zwölftgrößte deutsche Stadt, aber beim Fußball, der einst einen Großteil des örtlichen Selbstbewusstseins ausmachte, steht der MSV seit seinem bisher letzten Bundesliga-Abstieg 2008 im Abseits. Trainer, Präsidenten und Fußballer wechselten in den vergangenen Jahren derart häufig, dass ein geordneter Neuanfang lange unmöglich erschien. Erst mit einem 80-prozentigen Schuldenschnitt bereiteten Gläubiger den Boden.

Mit dem Sportchef Ivica Grlic, dem Trainer Gino Lettieri und dem Präsidenten Wald hat sich der MSV in der dritten Liga stabilisiert und probiert nun, dies mit einem kontinuierlich und vor allem in der Offensive verstärkten Kader auch in der zweiten Liga zu schaffen. Vom 1. FC Köln kommt Thomas Bröker, von Rot-Weiß Erfurt Simon Brandstetter, vom VfL Osnabrück Stanislav Iljutcenko. Die drei werden es gegen die MSV-Torjäger Zlatko Janjic (17 Saisontore in der dritten Liga) und Kingsley Onuegbu (14) im Kampf um einen Stammplatz aber schwer haben. Rückkehrer Dustin Bomheuer von Fortuna Düsseldorf und Andreas Wiegel aus Erfurt sind weitere Neue. Die Aufstiegsmannschaft wurde nahezu komplett gehalten. "Wir haben einen unfassbaren Zusammenhalt", schwärmt der Torjäger Janjic und nennt als Beleg sommerliche Freibadbesuche mit dem kompletten Team.

An einen direkten Durchmarsch wie in Darmstadt denkt niemand

Seine These wird aber erst jetzt wirklich auf die Probe gestellt. Das erste Saisonspiel, das an diesem Freitag als offizielles Eröffnungsspiel der zweiten Liga fungiert und zu dem 25 000 Zuschauer erwartet werden, wird für den MSV gegen Kaiserslautern gleich zum wegweisenden Test. Gegen die Pfälzer, die im vierten Zweitligajahr nacheinander den Sprung nach oben anvisieren, werden die Duisburger vielleicht schon spüren, in welche Tabellenregion sie sich einordnen müssen.

"Klassenerhalt", das hört man von Spielern ebenso wie von Trainer Lettieri als vorsichtiges Saisonziel. An einem Klub wie Darmstadt 98, der in der vergangenen Saison den Durchmarsch von der dritten in die erste Liga schaffte, mag man sich nicht orientieren - zumal der Präsident betont, dass man "mit dem obersten Gebot einer weiteren Konsolidierung" in die Saison gehe. Sportchef Grlic musste den Kader zwischen Sportperspektiven und wirtschaftlichen Zwängen zusammenstellen.

Im Zusammenspiel mit Lettieri gelang das aber ganz ordentlich. Der Deutsch- Italiener, 1966 in Zürich geboren, hat den FC Augsburg 2002 von der vierten in die dritte Liga geführt und danach bei Vereinen in Bonn, Bayreuth, Burghausen und Weiden gearbeitet. "Als ich ihn hier in Duisburg als Trainer präsentiert habe, bin ich nicht verstanden worden", erzählt der Sportchef Grlic mit einiger Genugtuung.

Der öffentlich zurückhaltende und dafür lieber fleißige Lettieri verkörpert für Grlic relevante Tugenden des Ruhrgebietsfußballs und passt deshalb so gut zum MSV Duisburg. Als im Mai der Aufstieg gelungen war, sagte Lettieri: "Ich freue mich, dass wir die Menschen hier ein bisschen glücklicher machen konnten." Mindestens den beiden Ennatzen, dem hyperaktiven Zebra und der stets ein wenig skeptischen Vereinsikone, hat er damit aus der Seele gesprochen.

© SZ vom 24.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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