Mountainbike:Fernab bekannter Pfade

Als Triathletin wollte sich Rebecca Robisch zu Olympia in Rio klagen. Nun hat sie ihr Glück als Mountainbikerin gefunden.

Von Johannes Knuth

Eine der wichtigsten Regeln in ihrem neuen Sportlerleben, sagt Rebecca Robisch, sei, dass es nicht zu viele Regeln gibt. Sie trainiert, wenn sie die Lust aufs Mountainbike zieht, und wenn sie dann sechs, sieben Stunden durch die Landschaft rollt, lässt sie sich gerne treiben. "Hauptsache, man fährt nicht auf befestigten Wegen", sagt Robisch. Und noch etwas ist ihr wichtig, sie sagt: Nie denselben Pfad zwei Mal befahren!

Rebecca Robisch, 28, aus Roth, mag ihr neues Leben als Mountainbikerin, und es ist kein Zufall, dass dieses Leben ziemlich weit von ihrem alten Sportleralltag entfernt ist. Das alte Leben, das war die olympische Kurzstrecke im Triathlon, das waren deutsche Meistertitel bei den Jugendlichen und Erwachsenen, Einsätze bei der WM-Serie. Das waren aber halt auch: strikte Trainingspläne, bis zu drei Einheiten am Tag, Schwimmen, Radfahren, Laufen, Normen, Kaderlehrgänge. Robisch ist dankbar für diese Zeit, Rennen in Yokohama, Chicago, Kapstadt, für 15 Jahre Mitgliedschaft im Nationalteam, das schon. Sie ist aber auch froh, jetzt etwas "komplett anderes" zu verfolgen, nachdem sie "jahrelang in diesem Zirkus gefangen" war, wie sie sagt. Wenn Robisch über ihre Zeit als Dienstleisterin im Olympiabetrieb spricht, macht sie das mit einer Mixtur aus Freude und Erleichterung. Wobei letzteres überwiegt, das schon.

Das Olympiajahr 2016 hatte sie zum Höhepunkt ihrer Triathlonkarriere ausgerufen. Sie war, wie viele Athleten der Deutschen Triathlon Union (DTU), durch Tiefs gewatet; die Deutschen hatten aber genug Qualifikationspunkte zusammengetragen, um fünf Startplätze für die olympische Kurzdistanz in Rio zu sichern, drei bei den Frauen, zwei bei den Männern. Die DTU wollte dafür aber nur Athleten beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) vorschlagen, die auch eine strengere, nationale Norm erfüllten. Die führte nur Anne Haug mit sich. Der Verband nominierte bei den Frauen also Haug, dazu Anja Knapp und Laura Lindemann, die Haug im Rennen unterstützen sollten. Andere, wie Robisch, die bloß die internationale Zulassung erfüllt hatten, blieben draußen.

Rebecca Robisch Foto Namibia

18 Stunden durch die Namibwüste: Knapp 400 Kilometer radelte Rebecca Robisch und gewann das Mountainbike-Rennen "Desert Dash".

(Foto: Thomas Stadler/OH)

Unfair, fand Robisch. Sie klagte vor dem Deutschen Sportschiedsgericht (DIS), auch, weil der Helferaspekt ihrer Meinung nach "schwammig" im Nominierungskatalog der DTU verankert war. "Es ist schwer, in einer Individualsportart eine Teamtaktik zu fahren", sagt Robisch. Der Verband sah das anders, er verwies auf Kriterien und die internationale Praxis. Robisch gewann trotzdem. Die DTU musste die Rio-Fahrer beim DOSB neu benennen, auch mit Robisch. Weil sie recht hatte, sagt Robisch heute. Weil ihr Anwalt wusste, dass am Tag der Verhandlung Claudia Wisser dem DIS vorstand, wie das Fachportal tri-mag berichtete. Wisser war einst DTU-Präsidentin, sie schied später im Streit vom Verband. Die DTU protestierte gegen die Besetzung, ohne Erfolg. In der neuen Nominierungsrunde fiel nur noch Haug ein Startplatz zu, später auch Laura Lindemann. Knapp und zwei deutsche Männer, die zuvor vorgeschlagen worden waren, fielen aus der Reisegruppe für Rio, offenbar, weil der Verband neue Klagen vermeiden wollte. Robisch galt im Verband als Reizfigur, bis heute. Auch wenn sie nicht versteht, was verwerflich daran sein soll, für ihr Recht zu kämpfen. "Das war der einzige Weg, um Gerechtigkeit zu schaffen", sagt sie. Im Juli, nach dem WM-Rennen in Hamburg, beendete sie ihre Karriere. "Ich hätte so oder so aufgehört", sagt sie, ohne das Gezerre um die Nominierung, weil sie sich "unwohl" im Verband fühlte. Einen Abschied aus der Nationalmannschaft bekam sie nicht.

Robisch wechselte also zum Mountainbiken, eine alte Liebe. Sie startete im Dezember beim "Desert Dash", knapp 400 Kilometer quer durch die Namibwüste, 3000 Höhenmeter, kurze Verpflegungspausen. Robisch gewann, nach knapp 18 Stunden. Seitdem schreibt sie ihre Trainingspläne selbst, sitzt fünf Mal die Woche auf dem Mountainbike, sechs bis sieben Stunden - ohne Nahrungsaufnahme, um den Körper daran zu gewöhnen, von den eigenen Ressourcen zu zehren. Hauptsache fern der asphaltierten Wege, auf und ab. Robisch wohnt in Saarbrücken, das Umland ist bergig, sie sagt: "Man kann eigentlich gar nicht flach fahren."

Mountainbike: Rebecca Robisch.

Rebecca Robisch.

(Foto: Thomas Stadler)

Hochleistungssportler sacken nach einer Karriere oft in ein Loch, sie verlieren nicht nur den Sport, sondern auch eine Identität, die ihnen der Sport verschafft hatte. Aber Robisch hat den Wechsel in ihre zweite Laufbahn gut geschafft, auch, weil sie sich mit dem Mut einer Abenteurerin auf unerforschtes Terrain wagt. Das Extreme, wie Wüstenrennen in Namibia, sagt sie, "ist eine ganz andere Herausforderung. Der Schmerz ist nicht mehr so intensiv, du musst mit den Kräften haushalten und kommst irgendwann in einen Rauschzustand", sagt Robisch, "ein unglaublich gutes Gefühl. "Und wenn der Rausch verflogen ist? Dann versucht man, "das immer wieder herzustellen, mit immer größeren Reizen."

Robisch hat nichts verloren, so sieht sie das, sie hat eine Welt voller neuer Möglichkeiten gewonnen. Im Sommer will sie beim Langstreckentriathlon in Roth mit einer Staffel starten, danach vielleicht beim berühmten Race Across America, mit einem Team des Extremsportlers Hubert Schwarz. "Ein bisschen reinschnuppern in die Extremsportwelt", sagt Robisch. Sie ist bis 2018 noch Sportsoldatin, danach wird sie sich noch einmal ausbilden lassen, zur Medizinisch-Technischen Assistentin. "Das interessiert mich einfach", sagt sie, "ich habe da überhaupt keinen Stress". Wie beim Mountainbiken. Hauptsache, es führt sie fernab der bekannten Pfade.

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