Motorsport: Valentino Rossi:Dottore hat Schmerzen

Motorrad-Seriensieger Valentino Rossi soll den Mythos Ducati beleben - doch die Union der italienischen Legenden startet holprig.

Birgit Schönau

Sein erstes Duell in diesem Jahr hat Valentino Rossi verloren. Es ist der Kampf mit seiner Schulter, die er sich bei einem Motocross-Training im vergangenen April verletzte, aber erst Monate später operieren ließ. Vorher hatte Rossi, der Raser, keine Zeit - und jetzt holt ihn ausgerechnet diese Sache ein, die ihn bei einem Einsatz neben der Spur erwischt hat. Einmal nur zum Spaß durch die heimische Pampa und es rächt sich noch in Malaysia.

Motorsport: Valentino Rossi: Valentino Rossi bei Testfahrten in Sepang.

Valentino Rossi bei Testfahrten in Sepang.

(Foto: AFP)

Bei den ersten Testfahrten in Sepang fuhr der neunmalige Weltmeister auf seiner Ducati der Konkurrenz in dieser Woche weit hinterher. Mitunter fehlten ihm mehr als zwei Sekunden auf den bisherigen Ducati-Vorausfahrer, den Australier Casey Stoner, der nun eine Honda bewegt. Die verflixte Schulter macht dem "Dottore", wie Rossi sich gerne nennen lässt, mehr zu schaffen als das Bein, an dem er im Juni beim Grand Prix in Mugello einen offenen Schienbeinbruch erlitten hatte.

Es ist wie verhext: Erstmals seit 1999 fährt Italiens größter Motorrad-Renn- fahrer wieder auf einer italienischen Maschine. Und schon geht alles schief. Schlimmer noch: Rossi, der Unverwüst- liche, lässt den Kopf hängen, stöhnt, er habe immer noch Schmerzen und kaum Kraft, malt schwarz für den Saisonstart am 20. März in Katar. Er wird 32 Jahre alt sein, wenn es wieder los geht. Und dann werden nicht nur die Schmerzen präsent sein.

Auch der Gedanke an die letzte Zielgerade wird mitfahren, die Idee vom Aufhören wird fixer werden, sie wird sich in Rossis Nacken setzen und sich dort unverrückbar verkeilen. Und wer weiß, ob Rossi sie wegschieben kann bis unter die siebte Rippe wie Michael Schumacher, um einfach weiterzumachen als ewiger Hamster im Rad der Männermythen-Maschine Motorsport.

Bei Ducati beteuern sie, das gar nicht zu wollen. "Valentino ist extrem achtsam, er nimmt jedes Signal ernst", sagt Rennchef Filippo Preziosi, "die große Gefahr für den Piloten ist, zu dogmatisch zu sein." Rossi aber kenne das nicht, "diese vorgefasste, aufgesetzte Sicherheit". Sich mit Vorsicht und Sensibilität nach vorn zu fahren, ist eine zutiefst italienische Strategie. Sie wird Valentino Rossi entgegenkommen an diesem Punkt seiner Karriere, an dem er erstmals erfahren hat, wie es ist, sich schwach zu fühlen.

Er hat für Aprilia, Honda und Yamaha lang gehegte Titelträume erfüllt, nun ist es nicht mehr so sicher, dass es auch mit Ducati auf Anhieb klappt. Aber Rossi ist mehr als ein Weltmeister, Rossi ist eine Legende. Er repräsentiert ein Italien, das es gegen alle Widerstände immer wieder schafft, mit dem Mut, den auch die Konkurrenz hat, aber auch mit der Selbstironie und der Leichtigkeit, die jener so oft abgeht. Deshalb kommt die Union zwischen "Valentinik" und Ducati zur rechten Zeit. Sie gemahnt an Zeiten, in denen Italien Lieder sang, die sich um Mädchen drehten, für die man das Wichtigste gab, was man hatte: das Motorrad. Solche Lieder summte das Land, bevor es in Scham verstummte.

Rossi und Ducati - das ist endlich wieder Musik. Sechs Jahre gibt sich die traditionsreiche Motorradfirma vor den Toren Bolognas, damit der Rossi-Effekt wieder auf den Straßen zu sehen ist. Bis dahin muss aber vor allem ein einziges Modell perfekt sein: Die Desmosedici des Rennfahrers. So melodisch klingt dieser Name, so markig verkündet Rossi: "Ich will dafür sorgen, dass ich das Instrument in meiner Tonart spielen kann." Seine Tonart ist ein klares C-Dur, die pfeilschnelle Desmosedici aber macht Zicken, sie schlägt aus, sie schrillt und pfeift. "Sie ist ein schlimmes, ein böses Motorrad", frotzelt Rossi, "sie ist anders als alle anderen Maschinen, man muss sie mit den Krallen fahren."

Es geht nicht um Perfektion, es geht um Empathie und um Beherrschung. Ducati hat Arbeiter, die, kaum war Rossi unter Vertrag, mit einem sogenannten "Seifenstreik" drohten, weil die Firmenleitung ihnen die Fünf-Minuten-Pause zum Händewaschen wegnehmen wollte. "Es sieht so aus, als wenn wir für Valentino Rossi zahlen müssten", ließ damals der Betriebsrat verlauten. Der Streik wurde verhindert, aber die Skepsis der Belegschaft passt gut in das Bild einer Verbindung zwischen Firma und Champion, die schillernd ist, ohne glatt zu sein. Skepsis ist ihr verbindendes Element.

Fünf oder sechs Monate, dann sei er vielleicht wieder der Alte, verspricht Rossi. "Ich werde natürlich versuchen, schneller zu sein als alle anderen. Aber mein Körper entscheidet, ich wohne nur darin." Zum zehnten Mal Weltmeister zu werden, das sei jetzt schlichtweg unmöglich, eher sei das Titelverteidiger Jorge Lorenzo zuzutrauen oder dem zu Honda abgewanderten Casey Stoner. Aber was macht das eigentlich, wenn doch alle Augen auf Valentino Rossi gerichtet sind? Auf den Dottore und seine Desmosedici, er mit Krallen, sie mit Zicken. Darauf kommt es doch an.

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