Motorsport:Maxi heißt jetzt Max

Max Günther aus Rettenberg ist eines der größten deutschen Motorsport-Talente. An diesem Samstag startet er in Bahrain in seine erste Formel-2-Saison. Sein Werdegang zeigt, wie schwer der Weg zum Rennfahrer ist.

Von Ralf Tögel

March 6 2018 Le Castellet France MAXIMILIAN GUENTHER of Germany and Arden International drives; Max Günther

Von 0 auf 200 in sechs Sekunden: Der Allgäuer Max Günther ist in der Formel 2 schnell unterwegs.

(Foto: James Gasperotti/imago)

Sanft schlängelt sich die Straße von Sonthofen nach Rettenberg, rechts und links saftig grüne Wiesen, im Süden die mächtigen Alpen. Wer verstehen will, was es mit einer der vielversprechendsten Karrieren des deutschen Motorsports auf sich hat, muss ins Allgäu reisen - und in die Vergangenheit. An diesem Samstag startet Max Günther, 20, in die Saison der Formel 2, die Vorstufe der Formel 1. Günthers Geschichte zeigt, dass der Weg dorthin keine Straße mit sanften Kurven ist.

Rückblick: Maxi kommt mit dem Auto der Eltern aus der Schule, er besucht das Gymnasium in Immenstadt, ein paar Kilometer weiter. Mit seinen mit 17 Jahren darf er eigentlich noch gar nicht fahren, er hat eine Sondergenehmigung, das ist nicht unüblich in dieser ländlichen Gegend. Und er hat einen großen Traum: Berufsrennfahrer zu werden. Sein außerordentliches Talent hat ihn schon weit gebracht, er steht vor einem richtungsweisenden Sprung: der Chance auf einen Startplatz in der Formel 3. Noch sind Details zu klären, Sponsoren zu akquirieren, es sieht gut aus. Nun sitzt er am Küchentisch des elterlichen Hauses, höflich, zuvorkommend, er lächelt viel. Und er spricht fast ohne Akzent hochdeutsch, in nahezu druckreifen Sätzen, was schon weniger üblich ist für einen Jungen aus dem tiefsten Allgäu. Er erzählt erst einmal, wie alles angefangen hat.

Seit Max Günther ein Rennen im Fernsehen sah, wollte er selbst Formel-1-Pilot werden

Mit seinem Vater Andreas hat er ein Formel-1-Rennen im Fernsehen gesehen, das Feuer war entfacht. Zumal seine Eltern schon immer rennsportbegeistert waren, Maxi durfte mit Kart-Slalom beginnen. Mehr ist im Allgäu nicht möglich, es gibt keine Rennstrecken wie etwa im nordrheinwestfälischen Kerpen. Doch auch beim Slalomfahren war nicht zu übersehen, dass dieser Sechsjährige ein außergewöhnliches Gefühl für das Fahrzeug unter seinem Hintern hatte.

Bald wechselte er auf die Rundstrecke, zweieinhalb Jahre später fuhr er seine erste deutsche Meisterschaft, wurde auf Anhieb Fünfter. Fortan war er nur noch durch Altersbarrieren zu bremsen, als Junior gewann er seinen ersten DM-Titel. Es folgten Sichtungen für die Nachwuchs-Serien im Formel-Sport, er war stets einer der Jüngsten, er fiel auf. Und er wurde bald gefördert, ein essentieller Faktor in der Karriere eines Rennfahrers - obwohl ihn die Familie nach Kräften unterstützte. Doch die finanziellen Anforderungen wuchsen so rasant wie seine Erfolge in der Formel BMW und danach in der ADAC Formel Masters, wo er in seinem ersten Jahr auf Anhieb Zweiter wurde. Es folgten Ehrungen zum besten deutschen Nachwuchsfahrer und es drängte sich bald ein Vergleich auf: Sebastian Vettel hatte einen nahezu identischen Werdegang.

Seither ist viel passiert.

Neuer Ortstermin, dieses Mal ist der Treffpunkt ein Café in Sonthofen, ein paar Kilometer vor Rettenberg. Maximilian Günther kommt wieder im Auto seiner Mutter, die Sondergenehmigung braucht er nicht mehr. Er ist größer geworden, männlicher, Sprache und Umgangsformen sind noch geschliffener, er hat neben all den motorsportlichen Aktivitäten Abitur gemacht. Aus Maxi wurde Max, die Verniedlichung passt nicht mehr zu dem 20-jährigen Rennfahrer, dem der nächste große Schritt bevorsteht: Die Formel 2, die an diesem Samstag in Bahrain startet und schon sehr nah an der Königsklasse ist. Alle Rennen sind in den Formel-1-Rennkalender eingebettet, an zwölf Wochenenden wird Günther rund um den Globus um Aufmerksamkeit fahren.

Es liegen aufregende Jahre hinter ihm, der Beginn in der Formel 3 im Mücke-Rennstall, einer Talentschmiede, in der auch der Rohdiamant Vettel geschliffen wurde. Dann der Wechsel zum Prema-Rennstall, der bessere Meisterschaftschancen bot, Günther wurde auf Anhieb Zweiter - hinter seinem Teamkollegen Lance Stroll. Dessen Vater Lawrence war nicht nur Teameigner, der kanadische Mode-Tycoon ist auch Milliardär. Mittlerweile fährt Stroll in der Formel 1 für Williams, sein Vater hat Prema veräußert und sich für einen zweistelligen Millionenbetrag bei Williams eingekauft. Keine Seltenheit in der Formel-Welt, es ist längst Usus, dass die Fahrer das Geld mitbringen. Wobei auch reiche Piloten ihr Handwerk verstehen würden, merkt Günther an. Es sei eine Mär, dass Sprösslinge von milliardenschweren Motorsportverrückten sündteure Hightech-Boliden nach Lust und Laune in die Leitplanken ballern dürfen.

Für Max Günther dagegen ist es schon ein kleines Wunder, dass er das "Paket" für die Formel 2 zusammentragen konnte. Der Weg des Motorsportteams Günther in die zweithöchste Klasse war ungleich mühsamer, bis vor ein paar Monaten schien selbst der unmöglich. Günther wurde jedoch aufgrund seiner mittlerweile bekannten Fähigkeiten zu zahlreichen Tests eingeladen, in der Deutschen Tourenwagen-Masters (DTM), der japanischen Super Formula oder der FIA Formel E, jener boomenden Serie für Elektrorennwagen. Und der 20-Jährige tat das, was er am besten kann: Er fuhr schnell, sehr schnell.

Maximilian Günther GER Prema Powerteam Dallara F317 Mercedes freut sich über seinen Sieg bei d; Maximilian Günther

Maximilian Günther freut sich über seinen Sieg bei der FIA Formel 3 Europameisterschaft im Rahmen der DTM auf dem Hockenheimring.

(Foto: Thomas Pakusch/imago)

"Das hat mir einige Türen geöffnet", erzählt er lächelnd, letztendlich war das der Schlüssel zur Finanzierung des neuen Cockpits. Ob es nicht ärgerlich ist, dass Fahrer an ihm vorbeiziehen, die vielleicht weniger schnell sind? "Natürlich habe ich nicht die Möglichkeiten eines Milliardärs, aber ich habe meine Ergebnisse immer über Leistung erreicht. So werde ich es auch weiterhin machen." Neben dem Talent zeichnet Günther die Fähigkeit aus, sich total auf das Wesentliche zu kontrieren: "Ich bin Perfektionist, was ich anfasse, mache ich so gut, wie es nur irgendwie geht." Er habe gelernt, Dinge, die er nicht ändern kann, zu akzeptieren - anstatt sich davon ablenken zu lassen: "So schaffe ich es ganz gut, das Optimum herauszuholen. Das ist eine wichtige Eigenschaft, um in diesem Sport nach oben zu kommen, alles andere hält dich nur davon ab."

Die Formel 2 hat schon Fahrer wie Lewis Hamilton und Nico Rosberg hervorgebracht

Seine Fähigkeiten haben Max Günther noch etwas eingebracht: ein Engagement beim Formel-E-Team Dragon als Test- und Ersatzfahrer. Bei Tests in Marrakesch Mitte Januar fuhr er in seinem ersten Einsatz in einem Formel-E-Boliden die drittbeste Rundenzeit aller 20 Fahrer - und düpierte unter anderem Formel-1-Piloten und DTM-Champions.

Fortan aber gilt seine ganze Aufmerksamkeit der Formel 2, die schon so prominente Fahrer wie Lewis Hamilton, Nico Rosberg oder Nico Hülkenberg hervorgebracht hat. "Es ist der Unterbau zur Formel 1", beschreibt Günther seinen neuen Arbeitsplatz, die Fahrzeuge der beiden Serien seien sich schon sehr nahe: Aerodynamik, Chassis, das neue Halo-System, mit dem der Kopf des Fahrers geschützt wird, die gleichen Strecken mit denselben Reifen, Günther sagt: "Die Autos gleichen sich eins zu eins". Und im Gegensatz zu den 240 Pferdestärken der Formel 3 liegt die Leistung eine Klasse darüber bei 620 PS. "Von 0 auf 200 in sechs Sekunden, das geht bis 350 so weiter", bei diesen Worten beginnen die Augen des 20-Jährigen zu leuchten, die größte Schwierigkeiten sei es, diese unbändige Kraft überhaupt auf den Asphalt zu bringen: "Die Rundenzeiten sind schon sehr ähnlich zur Formel 1." Und überhaupt: "Ich bin jetzt einfach in einem sehr guten Umfeld", sagt Max Günther, im Fahrerlager der Formel 1 zum Beispiel, dort, wo er sich mit guten Ergebnissen optimal präsentieren kann.

Teameigner seines neuen Rennstalls ist übrigens Christian Horner, ein bekannter Name in der Formel-1-Szene. Horner ist zugleich Teamchef von Red-Bull-Racing - jenem Rennstall, mit dem Sebastian Vettel viermal Weltmeister wurde.

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