Motorsport:Fürsten der Finsternis

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3600 Lampen für eine gewagte Idee: Die Motorrad-WM startet im Emirat Katar mit ihrem ersten Nachtrennen.

René Hofmann

Die Weltmeister sind zufrieden. Valentino Rossi sagt: "Ich war sehr neugierig, aber man kann ganz normal fahren. Wie am Tag. Es ist nicht gefährlich." Sein Nachfolger Casey Stoner fühlt sich wie vor der Spielkonsole: "Der erste Eindruck ist, als spiele man ,Need for Speed'. Es ist ganz anders als das, was wir gewöhnt sind. Nicht besser oder schlechter, nur anders."

Grand Prix bei Nacht: am Wochenende in Doha, Katar (Foto: Foto: Reuters)

Die besten Motorrad-Fahrer und ihre Prototypen erwartet an diesem Wochenende auf dem Losail International Circuit im Emirat Katar eine außergewöhnliche Erfahrung: Zum ersten Mal wird ein Rennen unter Flutlicht ausgetragen. Die Klasse bis 125 Kubikzentimeter Hubraum startet am Sonntag um 20 Uhr Ortszeit in die Saison. Rossi, Stoner und die anderen aus der Kategorie MotoGP sind dann um 23 Uhr dran - pünktlich zur Primetime im wichtigsten Markt Europa. Das Bestreben, zur interessantesten TV-Zeit Runden zu drehen, ist ein Grund für das gewagte Projekt, alleine aber hätte es den gewaltigen Aufwand nicht gerechtfertigt.

Rund um die 5,4 Kilometer lange Strecke hat ein US-Unternehmen 1000 Masten im Wüstenboden verankert. 500 Kilometer Kabel wurden verlegt, wofür 12 600 Meter Fels aufgebohrt wurden. 3000 Tonnen Zement wurden angerührt, 44 Generatoren herbeigeschafft und 3600 Leuchten aufgehängt, die so viel Strom saugen, wie 3000 Haushalte brauchen. 5,4 Millionen Watt, rechnen die Initiatoren stolz vor, erleuchten eine Fläche, die 70 Fußball-Feldern entspricht. Entstanden ist das Wunderwerk der Technik in lediglich 175 Tagen. Gekostet hat es nach vorsichtigen Schätzungen 14 Millionen Euro. Sein Urheber trägt einen Titel und einen langen Namen und ist Präsident der QMMF, der Qatar Motor & Motorcycle Federation: Scheich Nasser Bin Khalifa El Attiyah.

Der Motorrad-Fan war bereits die treibende Kraft hinter dem Bau der 58 Millionen Dollar teuren Grand-Prix-Strecke. Als die am 2. Oktober 2004 fertig war, trug sie aber schon einen Schönheitsfehler: Die Nachbarn im Emirat Bahrain waren schneller gewesen und hatten den ersten Formel-1-Lauf in der Region an sich gerissen. El Attiyah blieben bloß die Motorrad-Piloten - und mit denen waren nicht so leicht Geschäfte zu machen. Im ersten Jahr startete das Rennen in solch sengender Hitze, dass alle Beteiligten unangenehm schwitzten, im vergangenen Jahr verloren sich an jedem Tag bloß ein paar tausend Zuschauer auf den Tribünen. All das soll nun anders werden.

Mit der gewaltigen Flutlichtanlage lässt sich auch Nachts fahren, wenn die Temperaturen erträgliche Maße erreichen. Der Kurs soll damit ganzjährig nutzbar werden - und nebenbei lässt sich so auch der Formel 1 einiges heimzahlen: Die Serie, die sich selbst als die Königsklasse des Motorsports begreift, wird erst im September in Singapur ihr erstes Flutlichtrennen absolvieren. Im Wettrennen der Wettrennen sind die Motorrad-Akteure denen auf vier Rädern also endlich einmal einen Schritt voraus, auch wenn sich Carmelo Ezpeleta alle Mühe gibt, seine Genugtuung darüber zu kaschieren. Ezpeleta ist in der Motorrad-WM das, was Bernie Ecclestone in der Formel 1 ist: der Vermarkter. Ezpeleta sagt: "Wir kämpfen nicht gegen die Formel 1. Die Organisatoren des Rennens in Katar sind mit der Idee auf uns zugekommen, und wir fanden sie gut."

Die nächsten Interessenten stehen allerdings schon bereit: Die Veranstalter des Rennens in Malaysia sahen sich die ersten Beleuchtungsproben im vergangenen November in Katar ganz genau an. Was sie dabei sahen? Elementar wichtig ist es, dass die Lampen in unterschiedlichen Höhen zwischen drei und 36 Metern rund ums Asphaltband angebracht werden - das minimiert den Schattenwurf, ein Thema, das beim Ritt auf zwei Rädern durch die Nacht noch wesentlich heikler ist als beim Autofahren. Wie die Formel-1-Autos tragen auch die WM- Motorräder keine eigene Lampen. Die Piloten erkennen nur, was von außen angestrahlt wird. Und wie wenig das trotz allen High-Techs sein kann, hat der Spanier Dani Pedrosa nach den abschließenden Testfahrten am vergangenen Wochenende angedeutet.

"Die Strecke scheint ganz gut ausgeleuchtet zu sein, aber es gibt viele Schatten, und das strengt die Augen an", sagte der WM-Zweite des vergangenen Jahres. Chris Vermeulen, aus seiner Heimat Australien offenbar Grelleres gewohnt, meckerte: "Ich hätte gedacht, dass es ein wenig heller ist. Es dauerte ein wenig, sich an das Licht zu gewöhnen." Bodenwellen werden in dem Zwielicht schlechter zu erkennen sein. "Man muss mehr Zuversicht haben, als der Instinkt eigentlich zulässt", glaubt Titelverteidiger Casey Stoner. Sein Gegenspieler Valentino Rossi hat damit offenbar kein Problem. "Ich", tönt der bekannte Sprüche-Klopfer, "bin nachts eh aufgeweckter als am Tag."

© SZ vom 6.3.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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