Motorsport:Formel 1: Die Treibjagd ist eröffnet

Australian F1 Grand Prix

Nico Rosberg (li.): Erster Gejagter der neuen Formel-1-Saison

(Foto: Getty Images)
  • Nico Rosberg gewinnt vor seinem Teamkollegen Lewis Hamilton. Auf Rang drei fährt Sebastian Vettel.
  • Der zweimalige Weltmeister Fernando Alonso überlebt schweren Unfall unverletzt.
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Von René Hofmann, Melbourne

Sebastian Vettel war bester Dinge. Lässig warf er, bevor es zur Siegerehrung ging, Lewis Hamilton die Schildkappe zu, die für den Zweitplatzierten bereitgelegt worden war - so, wie Hamilton das im vergangenen Jahr beim Rennen in Austin mit seinem Mercedes-Kollegen Nico Rosberg gehalten hatte. Das hatte damals einige Aufregung erregt, weil Rosberg die Geste gar nicht gefiel.

Auf dem Siegertreppchen schüttete Vettel seinen Champagner dann seinem einstigen Teamkollegen Mark Webber über den Kopf, der nach dem Grand Prix von Australien für einen hiesigen Fernsehsender die schnellsten drei interviewen sollte. Webber gefiel das nicht so sehr. "Ich vertrage keinen Alkohol!", versuchte er, Vettel zu bremsen - was aber nicht gelang. "Ich weiß", gab Vettel zurück, "dann fängst du immer an, über den Sommer von 69 zu singen."

Wer vom ersten Rennen der Saison 2016 nur die Siegerzeremonie sah, der konnte fast auf die Idee kommen, Vettel habe den Auftakt-Grand-Prix im Albert Park in Melbourne gewonnen. Das aber hatte er nicht. Der erste Sieger des Rennjahres heißt Nico Rosberg. Der Mercedes-Chauffeur kam acht Sekunden vor seinem Teamkollegen Lewis Hamilton an der karierten Flagge vorbei. 1,5 Sekunden nach Hamilton folgte dann Vettel.

Mercedes, Mercedes, Ferrari: Auf den ersten Blick erinnerte das Ergebnis stark an die Resultate des vergangenen Jahres, die Farbfolge Silber, Silber, Rot hatte es damals siebenmal gegeben. Dieses Mal aber verband sich mit ihr ein ganz anderes Gefühl. Die Titelverteidiger, die einen Stern auf ihren Autos tragen, wirkten keineswegs entrückt. Sie wirkten vielmehr zum Greifen nahe. "Ferrari ist echt nah dran", konstatierte Nico Rosberg nach dem 15. Triumph seiner Formel-1-Karriere, dem - saisonübergreifend - vierten nacheinander. "Wir sind deutlich näher dran", wusste auch Sebastian Vettel.

Was maßgeblich zu dem Eindruck beigetragen hatte: Vettels Traumstart. Als die Startampel erlosch, lenkte der 28-Jährige seinen Ferrari genau zwischen den beiden Mercedes-Männern, die die erste Startreihe okkupiert hatten, hindurch. Es sah aus wie ein Frühstart, war aber keiner. "Super" sei diese Aktion gewesen, lobte Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene, der das Überholmanöver in der Box frenetisch bejubelt hatte. Rosberg kam ordentlich weg, bei Hamilton drehten die Reifen zu stark durch. In der Folge kamen die beiden sich in der ersten Kurve so nahe, dass sich die Autos berührten. "Das macht natürlich keinen Spaß", kommentierte Toto Wolff die Szene. Eine Schuld für die Beinahe-Kollision wollte der Mercedes-Teamchef aber keinem seiner Fahrer zuschreiben. Auch Hamilton, der wegen ihr bis auf Platz sechs zurückfiel, beschwerte sich nicht.

Viele Runden lang fanden die beiden Mercedes-Fahrer sich daraufhin in einer ungewohnten Rolle wieder: in der von Jägern. Vettel stürmte auf weichen Reifen unbedrängt voraus. Daran änderte sich auch nach der ersten Boxenstopp-Runde nichts. Erst ein spektakulärer Unfall lenkte den Streit um den Sieg in eine neue Richtung. In Runde 17 kollidierten auf der langen Geraden vor Kurve Nummer drei, auf der die Autos bis zu 310 km/h erreichen, Esteban Gutiérrez und Fernando Alonso.

Schrecklicher Unfall endet glimpflich

Der zweimalige Weltmeister fuhr mit seinem McLaren-Honda gegen den linken Hinterreifen des Haas-Ferrari des Mexikaners. Alonsos Auto war daraufhin nicht mehr zu kontrollieren. Es schleuderte mit großer Wucht ins Kiesbett, wo es sich mehrmals überschlug. Der Wagen war nach dem heftigen Crash ein Wrack: Totalschaden. Sowohl der Spanier als auch Gutiérrez blieben aber unverletzt; beide konnten die Unfallstelle selbständig verlassen.

"Dank der vielen Sicherheitsvorkehrungen bin ich am Leben", gab Alonso an. Einen Vorwurf an Gutiérrez wollte er allerdings nicht formulieren: "Es war ein Rennvorfall. Aber manchmal vergessen wir, dass wir mit 300 km/h unterwegs sind", so Alonso. An gleicher Stelle hatte es bei einem ähnlichen Unfall zwischen Ralf Schumacher und Jacques Villeneuve 2001 einen Toten gegeben: Ein abgerissenes Rad war damals durch eine Lücke im Zaun geflogen und hatte einen Streckenposten erschlagen. Dieses Mal kamen alle Beteiligten mit dem Schrecken davon.

Um den Streckenposten Zeit zu geben, die vielen Trümmer von der Strecke zu räumen, wurde das Rennen mit der roten Flagge unterbrochen. Die Fahrer reihten ihre Autos in der Boxengasse auf. Erst 20 Minuten später sollte es weitergehen. In dieser Zeit unterlief der Scuderia der letztlich entscheidende Strategiefehler: Beim Neustart zogen die Ferrari-Mechaniker Vettel eine zu weiche Reifenmischung auf. Er musste einen weiteren Stopp absolvieren, so kamen Rosberg und Hamilton doch noch vorbei. Vettels Teamkollege Kimi Räikkönen musste seinen Ferrari abstellen, weil Flammen aus der Lufthutze schlugen.

Vettel gibt sich zuversichtlich

"Im Nachhinein ist man immer klüger", versuchte Vettel, den Strategie-Lapsus nach dem Rennen zu relativieren und das Positive herauszustreichen. Das Auto biete "deutlich mehr Möglichkeiten" als das Vorjahresmodell. "Wir wissen, dass wir uns noch steigern müssen, aber wir wissen auch, dass wir uns noch steigern können", erklärte er im Duktus eines Rennstrecken-Gelehrten.

Im vergangenen Jahr hatte Vettel in Melbourne ebenfalls Platz drei belegt, damals aber hatte der Rückstand auf Sieger Lewis Hamilton mehr als eine halbe Minute betragen. Dass es dieses Mal knapper war, lässt Hoffnungen keimen, zumal die Strecke durch den Albert Park als eine gilt, die den Ferraris nicht unbedingt liegt. Was zudem Mut macht: dass es in diesem Jahr 21 Rennen geben soll, zwei mehr als 2015. Die Treibjagd wird also länger dauern. Das nächste Halali wird in zwei Wochen in Bahrain geblasen.

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