Motorsport:Die Kurve kriegen

Robert Kubica, einst ein vielversprechender Formel-1-Pilot, musste nach einem schweren Unfall komplett umlernen. Jetzt fasst er den Mut, ein weiteres Comeback anzugehen: als Langstreckenfahrer.

Von Elmar Brümmer

Die 24 Stunden von Dubai sind das Warm-Up für die große Motorsportsaison, das erste Treffen der Langstreckenpiloten. An diesem Wochenende war ein aus der Formel 1 bekannter Name in der bunten Starterliste zu finden: Robert Kubica, inzwischen 32, probiert eine dritte Karriere im Top-Motorsport - in der dritten Kategorie. Nach 12 Stunden und 12 Minuten musste sein Team den Porsche 911 nach technischen Problemen allerdings abstellen. Trotzdem hat der Pole neuen Mut für sein Comeback gefasst.

Es gibt Rennfahrerkarrieren, die definieren sich über die Unfälle. Die von Robert Kubica fällt definitiv in diese Kategorie. Der Pole aus dem BMW-Werksteam hatte 2008 in Montréal seinen ersten und letztlich einzigen Grand-Prix-Sieg gefeiert, vor allem aber hatte er ein Jahr zuvor den immer noch spektakulärsten Formel-1-Crash des Jahrtausends an gleicher Stelle unverletzt überlebt. Sein Auto war bei Tempo 300 angehoben worden, krachte in eine Betonmauer, überschlug sich mehrfach quer über die Leitplanke und landete in den Leitplanken, sogar die Sicherheitszelle wurde zerfetzt. Kubica, damals 22, trug dennoch keine Verletzungen davon. Er wurde sogar richtiggehend sauer, dass die Ärzte ihn beim Rennen eine Woche später in Indianapolis vorsichtshalber nicht starten lassen wollten und stattdessen Ersatzmann Sebastian Vettel sein Debüt feierte.

FIA World Rally Championship Great Britain - Day Three; Kubica

Will sich nicht vom Rennsport verabschieden: Robert Kubica.

(Foto: Clive Rose/Getty Images)

Die Nachwirkungen seiner Verletzungen provozierten Fahrfehler

Robert Kubica, kompromisslos und schnell, blieb der Geheimtipp unter den Formel-1-Fahrern. Mit Lotus-Renault wollte er 2011 den Sprung an die Spitze schaffen, bis er wenige Wochen vor dem Saisonstart bei einer Jux-Rallye in Italien mehrere schwere Handverletzungen sowie Arm- und Beinbrüche zuzog. Er hatte wieder einen Schutzengel, denn eine Leitplanke hatte den Skoda Fabia in voller Länge durchbohrt. Die Grand-Prix-Karriere war beendet, aber der Mann aus Krakau wollte nicht akzeptieren, dass ihm mit 26 sein Lebensinhalt genommen werden sollte. Seit 2013 versuchte er sich, zunächst sogar auf WM-Niveau, im Rallyesport, obwohl dieser ihm schon so viel Unglück beschert hatte. Es fing gut an, mit dem Titel in der WRC 2, er gewann in der Rallye-EM und führte sogar bei der Rallye Monte Carlo. Aber insbesondere auf engeren Pisten machte ihm die Mobilität seines Armes Probleme, ihm unterliefen Fahrfehler.

Drei Jahre lang trieb ihn sein unbedingter Ehrgeiz, am Ende hatte er oft Pech, nicht immer das perfekte Material: "Die vergangenen Jahre waren ziemlich hart. Ich konnte nicht konkurrenzfähig sein", stellte er schließlich fest. Aber der Traum, in seiner Karriere nochmal die entscheidende Kurve zu bekommen, hat ihn bis heute nicht losgelassen. Um Glanz und Glitter geht es dabei nicht, den mochte er nie. Der Reiz, am Limit zu leben und zu fahren, obwohl er schon zweimal drüber war, wirkt immer noch. Nach optimistisch verlaufenen Sportwagen-Testfahrten in Spa-Francorchamps, auf einer der anspruchsvollsten Strecken überhaupt, startete der rasende Ehrgeizling an diesem Wochenende in einem Porsche 911 GT3 bei den 24 Stunden von Dubai. Das Leben und Fahren im Extrem lässt ihn einfach nicht los. Sein Team ging von Startplatz zehn aus ins Rennen, wurde nach dem Ausfall aber nicht gewertet, weil es nicht die vorgeschriebenen 60 Prozent des Rennens zurückgelegt hatte.

BMW Formula One driver Robert Kubica of Poland crashes during the Canadian F1 Grand Prix in Montreal

Bei diesem Unfall am 10. Juni 2007 in Montreal wird sein Auto wird zerfetzt, doch Kubica bleibt unverletzt:

(Foto: Christinne Muschi/Reuters)

Viele Fahrten im Simulator

Kubicas Haare sind lichter geworden, die Gesichtszüge etwas härter. Aber da ist immer noch dieses Feuer in den Augen. Von all den Besessenen im Formel-1-Fahrerlager war er der coolste, er organisierte Pokerrunden mit Michael Schumacher, und er fuhr nachts virtuelle Rennen gegen die besten Computer-Gamer der Welt. Bei aller Leidenschaft fürs Querfeldeinfahren hat er jetzt zur alten Liebe Rundstreckensport zurückgefunden. Zugegeben, Langstreckenrennen sind weit weg von seinem ursprünglichen Vorhaben, es wieder zurück in die Königsklasse zu schaffen, aber der Weg ins Cockpit führte zumindest über sein angestammtes Territorium. Renault hatte ihn gebeten, als Referenzfahrer im Simulator des Formel-1-Werksteams im britischen Enstone Runden zu drehen. Kubica gilt als Meister solcher Testläufe, die Behinderungen an seinem rechten Arm spielen dort keine so entscheidende Rolle. Er hat in den letzten Jahren auch regelmäßig für den Weltmeisterrennstall von Mercedes virtuelle Probefahrten absolviert. Zugleich war es der Beginn des Plans, einen Start im Langstreckensport zu ermöglichen.

Mit dem Gedanken an die Langstrecke hat er sich nach dem Ende aller Formel-1-Träume langsam anfreunden können: "Bis vor zwei Jahren hat mich das nur wenig interessiert, aber das ist jetzt ganz anders. Man muss auch auf der Langstrecke schnell sein. Der Wettbewerb ist knackig und hart." Zusammen mit Renault-Technikern tüftelt er an einer für sein Handicap optimalen Schaltung. In einem Mercedes nahm er im letzten Jahr schon an einem 12-Stunden-Rennen teil, qualifizierte sich als Dritter. Das machte Mut und Appetit.

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Im Februar 2011 der nächste schwere Unfall: Der Skoda von Kubica wird bei der Rally Ronde di Andora abtransportiert. Er selbst erleidet schwere Handverletzungen sowie Arm- und Beinbrüche

(Foto: AFP)

Es sieht so aus, dass ihm die Asphalt-Abenteuer tatsächlich neue Kraft geben, wie es auch bei früheren Cockpit-Rückkehrern wie Alex Zanardi und Alessandro Nannini der Fall war. Der eher scheue Kubica freute sich besonders, dass viele polnische Fans ihm schon wieder gefolgt waren. Ein Wiedersehen mit besseren Zeiten? "Es war mir wichtig, wie sich Rundstreckenrennen für mich noch anfühlen. Dabei hat sich gezeigt, dass ich noch nicht eingerostet bin", bilanzierte er nach seinem ersten Test, "ich will jetzt weiterhin möglichst viel Zeit im Auto verbringen." Nur für einen Moment wurde er wehmütig, als er es in Spa gleich auf das Podest geschafft hatte: "Dort zurück auf dem Podium gewesen sein, hat sich gut angefühlt. Natürlich nicht so wie vor sechs Jahren, als ich in der Formel 1 hier als Dritter stand, aber so ist eben das Leben. Mein Rhythmus ist ein anderer geworden." Robert Kubica wird von seiner Leidenschaft verfolgt - und er folgt ihr: ein ewiger Kreisverkehr.

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