Motorsport:Detailverliebter Perfektionist

Max Günther zählt zu den Titelfavoriten in der Formel 3 und will in seinem letzten Jahr in der Nachwuchsklasse den Sprung in die Formel 1 schaffen.

Von Anna Dreher

Max Günther beugt sich tief nach unten, bis sein Kopf fast verschwindet. Er beugt sich dorthin, wo das Problem liegt. Zumindest vermutet er es dort, aber meistens spürt er das sehr genau. "Hier", sagt Günther und zeigt mit dem Finger ins Dunkel auf eine Stange. "Hier einen halben Zentimeter weiter nach rechts und da noch einen nach vorne."

Er beugt sich in seinen Rennwagen, Max Günther ist Formel-3-Fahrer, er gilt als das nächste große deutsche Motorsporttalent. Sein Mechaniker nickt, als Günther seinen Kopf aus dem Auto hebt, und stellt ein paar Fragen. Günther zuckt nie mit den Schultern oder zögert, auch nicht danach im Gespräch mit seinem Ingenieur. Ende März im österreichischen Spielberg ist die Arbeit besonders intensiv gewesen, wenige Wochen vor dem Saisonbeginn in Silverstone im April. Probleme finden und lösen. Günther hat akribisch an der Verbesserung seines Rennwagens gearbeitet, wochenlang. Er ist detailverliebt, ein Perfektionist. Alles soll passen. Alles muss passen. Vor allem in dieser Saison, der bisher wohl wichtigsten seiner Karriere.

Günther geht dieses Jahr zum dritten Mal in der Formel 3 an den Start. Es soll sein letztes in einer der wichtigsten Nachwuchsklassen im Motorsport sein. Danach will er dorthin, wo alle ambitionierten Rennfahrer hinwollen: in die Formel 1. Er weiß, dass das nicht einfach ist. Aber er weiß auch, dass aus Formel-3-Talenten Formel-1-Weltmeister werden können.

Der Fokus der Formel 3 ist in dieser Saison auf mehrere Fahrer gerichtet. Auf Joel Eriksson etwa, der 2016 seine erste Saison gleich als Fünfter beendete, auf Harrison Newey, Sohn des Designer-Gurus Adrian Newey, der Sebastian Vettel zu seinen vier WM-Titeln verhalf. Und natürlich auch auf Mick Schumacher, der zum ersten Mal in der Formel 3 startet und Sohn des erfolgreichsten Rennfahrers der Geschichte, Michael Schumacher, ist. Max Günther ist kein Rennfahrer-Sohn. Er hat auch keine finanzielle Unterstützung in Millionen- oder gar Milliardenhöhe im Hintergrund, wie mancher im Fahrerfeld. Aber der Fokus ist auch auf den Oberallgäuer gerichtet, er gilt als Titelfavorit. 2016 wurde er Vize-Europameister, den Titel holte der Kanadier Lance Stroll, der inzwischen in der Königsklasse bei Williams unter Vertrag steht. Diesen Schritt will Günther auch schaffen. "Letztes Jahr war der zweite Platz das Optimum, aber nun ist das einzige Ziel der Titel", sagt er. "Ich will in die Formel 1 und mein Job ist es jetzt, mein Bestes zu geben."

Formel 3 Max Günther

Noch sind die Ergebnisse nicht nach dem Geschmack von Max Günther: Nach zwei Podestplätzen in sechs Rennen, wie hier in Monza, ist er Gesamtvierter.

(Foto: oh)

Am Wochenende steht das dritte Saisonrennen im französischen Pau an. Günther ist derzeit hinter dem Schweden Eriksson und den Briten Lando Norris und Callum Ilott Vierter. Zum Auftakt in Silverstone wurde Günther Dritter und zwei Mal Vierter. Zwei Wochen später beim Heimrennen seines italienischen Rennstalls Prema Powerteam in Monza kam er auf die Ränge drei, vier und sieben. Bei insgesamt zehn Wochenenden mit jeweils drei Rennen kann bis zum Saisonende am 15. Oktober in Hockenheim noch viel passieren. Aber Platz vier ist nicht gerade das, was sich Günther vorgestellt hat. Er ist nicht unzufrieden mit seiner Leistung. Sie ist nicht nichts, aber eben zu wenig, wenn einer alles will. Nur ist das Zusammenspiel von Fahrer und Auto schon in der Formel 3 komplex, es kommt auf Kleinigkeiten an. "Das ist ein ständiger Prozess. Man darf nichts dem Zufall überlassen oder aufhören an sich zu arbeiten", sagt Günther. "Sonst bleibt man stehen und wird von anderen überholt. Das will ich nicht."

Er ist früh erwachsen geworden. Günther tritt souverän auf, ist strukturiert und spricht mit 19 Jahren so überlegt, wie es manche selbst Jahre später nicht können. In der Szene ist Günther bekannt für seine Reife, seine Professionalität und seine Konzentration. Seine Prioritäten hat er immer klar gesetzt: alles wurde dem Motorsport untergeordnet. In der Schule hat er am Ende fast die Hälfte des Jahres gefehlt. Sein Abitur hat er trotzdem mit 2,6 abgeschlossen - weil er weiß, dass es auch eine Zeit nach dem Motorsport geben wird.

Max Günther Formel 3

Max Günther, 19, aus Oberstdorf gilt als nächstes großes deutsches Talent im Motorsport. Seit 2015 fährt er in der Formel 3, 2016 wurde er in der Klasse Zweiter der Europameisterschaft.

(Foto: oh)

Er ist so. Aber er muss auch so sein. Der Motorsport ist gnadenlos bei der Auslese der Besten. Talent allein reicht nicht. Es braucht Fleiß und viel Geld. Wer das nicht hat, muss noch stärker herausragen, um auf sich aufmerksam zu machen. "Nach oben zu kommen, hängt von vielen Faktoren ab. Wenn man dieses Ziel klar verfolgt, merkt man, dass man dafür eine bestimmte Einstellung an den Tag legen muss", sagt Günther. Er hat das früh gemerkt.

An einer für die Region üblichere Karriere im Wintersport hatte er nie Interesse. Günther wollte immer nur: Auto fahren. Mit sechs Jahren fing Günther mit dem Kartsport an, seit dem hat ihn der Zweikampf auf der Strecke nicht mehr losgelassen. Über die ADAC-Kart-Meisterschaften schaffte er 2011 den Sprung in den Formel-Sport, wo er beim ADAC Formel Masters an den Start ging. Seit 2015 fährt er in der Formel 3, erst für Mücke Motorsport, seit 2016 für Prema, dem Seriensieger-Team der vergangenen sechs Jahre. Seit 2017 gehört er zudem zum Mercedes-AMG Motorsport DTM Team. Günther ist längst bekannt in dieser Welt. Seine Karriere, davon geht nicht nur Max Günther fest aus, wird er nach der Formel 3 professionell fortsetzen. Die Frage ist nur: wo?

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