Motorsport:Beherrscher der Motoren

Zum Tod des Briten John Surtees, dem einzigen Rennfahrer, der auf dem Motorrad und im Auto Weltmeister in der höchsten Kategorie war.

Von René Hofmann

Der Motorsport war bei den Surtees stets eine Familienangelegenheit. Gleich das erste Rennen, an dem er teilnahm, gewann John Surtees - als Beifahrer des Motorrades, das sein Vater Jack fuhr. Der Triumph aber hatte keinen Bestand. Als der Rennleiter das wahre Alter des Jungen im Beiwagen herausbekommen hatte, wurde das Familien-Duo disqualifiziert: John Surtees war damals erst 14. Ende der 1940er-Jahre war das, in Cockfosters, einem Vorort im Norden von London.

Wenn Jack Surtees nicht Rennen fuhr, handelte er im Süden der britischen Hauptstadt mit Motorrädern. Seine Leidenschaft übertrug er auf seinen Sohn. Inspiriert von dem, was er in Fachzeitschriften und alten Rennprogrammen las, trat John Surtees mit 15 zu seinem ersten Speedway-Rennen an. Mit 16 begann er eine Lehre bei der Motorrad-Firma Vincent und bestritt mit einer Maschine, die er für zwölf Pfund erstanden hatte, in Brands Hatch sein erstes Straßenrennen. Mit 17 zog John Surtees dann erstmals die Blicke der Fachwelt auf sich - als er Geoff Duke bei einem Rennen in der Grafschaft Hampshire erstaunlich hartnäckig Paroli bot. Duke war damals schon eine Größe des Sports, bis 1955 sammelte er sechs WM-Titel. Aber John Surtees sollte ihn anschließend noch übertreffen. Und nicht nur ihn.

Motorsport: Im Sattel: John Surtees 1957 auf seinem Norton-Motorrad.

Im Sattel: John Surtees 1957 auf seinem Norton-Motorrad.

(Foto: imago)

Sieben WM-Titel auf zwei Rädern sind für John Surtees in den Statistiken vermerkt. Von 1956 bis 1960 war er in der Klasse bis 350 Kubikzentimeter Hubraum dreimal der Beste; in der Kategorie bis 500 Kubikzentimeter triumphierte er viermal. Das allgemeine Sportarchiv des Munzinger-Verlags notierte damals so nüchtern wie treffend: "Heute ist John nicht nur der erfolgreichste Rennfahrer der Welt, sondern dazu mit seiner erstklassigen Technik einer der besten Kurvenspezialisten." Als herausragendes Merkmal des Edelfahrers wird am Ende des insgesamt nur 14 Zeilen langen Eintrages noch vermerkt: "John Surtees ist ein außergewöhnlicher Pilot, der seine ebenso außergewöhnlichen Rennmaschinen restlos kennt und beherrscht, und genau weiß, wie viel er dem Motor und sich selbst zumuten darf." Die Welt war damals noch eine andere, auch im Rennsport.

Als er das Gefühl hatte, auf zwei Rädern niemandem mehr etwas beweisen zu können, wandte Surtees sich den Autorennen zu - ohne jede Erfahrung in diesem Metier. "Das erste Autorennen, das ich gesehen habe, war das, bei dem ich mitgemacht habe", hat John Surtees gerne gesagt. Sein Ruhm verhalf ihm zu einem Einstieg in der Klasse, die auch heute noch jedem Talent als Ziel gilt: der Formel 1. 1960 fuhr er für Lotus, 1961 für Cooper, wirklich konstante Erfolge kamen aber erst, als er sich 1963 Ferrari anschloss. In jenem Jahr gewann er auf dem Nürburgring seinen ersten Grand Prix. Im Jahr darauf eroberte er - in einem dramatischen Showdown mit Jim Clark und Graham Hill im Saisonfinale in Mexico City - die WM-Krone. John Surtees ist bis heute der einzige Fahrer, dem dies gelang: auf zwei und auf vier Rädern in der höchsten Kategorie WM-Titel zu gewinnen.

John Surtees 1934-2017

Im Cockpit: John Surtees 1963 im Formel-1-Ferrari.

(Foto: action press)

Der Sport, den er so ausgezeichnet beherrschte, zeichnete ihn aber auch: Wenn die Tanks leckten, sammelte sich in den Cockpits der Rennwagen oft Benzin, das damals noch hochgiftig war. Die Spuren der Giftbäder an den Beinen wurde John Surtees ein Leben lang nicht los. Und das waren bloß die sichtbaren Narben, die er davontrug. Am 19. Juli 2009 verunglückte bei einem Formel-2-Rennen in Brands Hatch, dort, wo einst die Karriere des Vaters Schwung aufgenommen hatte, Surtees' Sohn Henry tödlich. Dem 18-Jährigen schleuderte ein Reifen gegen den Kopf, der sich beim Unfall eines anderen Autos gelöst hatte. "Keine Überlebenschance", hieß es: John Surtees sah die Tragödie nicht nur live, er saß als Kommentator am Mikrofon eines TV-Senders. Für die Stiftung, die den Namen seines Sohnes trug, sammelte er später einen Millionenbetrag, der unter anderem in den Ausbau der Luftrettung in Großbritannien floss.

John Surtees ist bis heute der einzige Motorradfahrer, der im Königreich als "Sportler des Jahres" geehrt wurde. Orden erhielt er einige, der Ritterschlag aber blieb ihm verwehrt - was nicht wenige britische Motorsportfans für einen Skandal halten. Auch, weil Surtees nie das Land verließ, um anderswo weniger Steuern zu bezahlen. Am Freitag ist John Surtees in London gestorben. Er wurde 83 Jahre alt.

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