Motorsport:Angst vor dem Chaos

Die Formel 1 startet im belgischen Spa-Francorchamps erstmals nach neuen Regeln. Die Chancen für Fehler steigen - die Aussichten auf ein gewisses Durcheinander auf den ersten Metern nach dem Start damit auch.

Von Elmar Brümmer, Spa-Francorchamps

Es wirkt aberwitzig, dass die Formel 1 mitten in der Saison ausgerechnet dort ihr Startprozedere ändert, wo sich 1998 der denkwürdigste Massencrash zu Beginn eines Rennens zutrug: in Spa-Francorchamps/Belgien. Eine Stunde lang kreiste dort vor 17 Jahren der Abschleppwagen, bis alle 13 havarierten Rennautos aufgeräumt waren.

Es herrscht Verunsicherung im Fahrerlager: Wie wird sich der Wegfall der elektronischen Starthilfen und das Funkverbot für die Fahrzeugingenieure auswirken? Die Maßnahmen sollen mehr Spannung bringen und die Kunst der Fahrer aufwerten. Entscheidend dafür, dass die 700 PS der Hybrid-Rennwagen ihre ganze Schubkraft in dem Moment entfalten, in dem die Startampeln erlöschen, ist der Druckpunkt der Kupplung. Meistens ist diese entweder zu lasch oder zu stark eingestellt, die ideale Justierung übernahmen bisher die Computer - die Fahrer mussten dazu auf dem Weg in die Startaufstellung lediglich die Anweisungen der Ingenieure genau befolgen. Damit ist es nun vorbei. Die Chancen für Fehler steigen. Und die Aussichten auf ein Chaos auf den ersten Metern.

Sebastian Vettel, der am Wochenende sein 150. Formel-1-Rennen bestreiten wird, betrachtet all das als reine Gewöhnungssache. "Die neuen Regeln machen das Ganze etwas schwieriger. Aber ich bin das mit meinen Ingenieuren alles durchgegangen. Wir haben ja clevere Leute in der Formel 1, und jeder Fahrer sollte in der Lage sein, an ein paar Sachen selbst zu denken. In zwei bis drei Rennen werden wir wieder da sein, wo wir jetzt sind."

Die kurzfristige Änderung trifft vor allem die Favoriten, die Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton und Nico Rosberg. "Wir werden mehr gefordert", glaubt Rosberg. Wie schwer berechenbar der Sport ist, hat er im letzten Training von Spa erfahren, als sein Hinterreifen bei 306 km/h platzte und er den Rennwagen gerade noch unter Kontrolle brachte. Das kann man kaum üben, anders als den neuen Start, den er am Simulator in England trainiert hat. Hamilton sieht das neue Prozedere als Herausforderung: "Ich glaube, das macht die Formel 1 aufregender. Jeder hat die Chance, besser zu starten - aber auch schlechter wegzukommen." Jenson Button, 35, geht sarkastisch an die Aufgabe heran: "Früher hat mich der Ingenieur zehn Sekunden vor dem Start daran erinnert, was ich zu tun habe. Jetzt muss ich es mir zehn Minuten lang merken." Pragmatisch sieht es Nico Hülkenberg: "Ich habe einfach weniger Arbeit, wenn ich auf dem Weg zum Start nichts mehr ändern darf."

Geht der erste Anlauf schief, können die Fahrer am Lenkrad mit einem zweiten Kupplungshebel korrigieren oder mit dem Gaspedal gegensteuern - alles eine Frage der Reaktion. Noch. Im kommenden Jahr sollen die Bestimmungen weiter verschärft werden.

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