Moto-GP:Motorrad-Weltmeister flüchtet nach Italien

Lesezeit: 3 min

Lorenzo auf seiner alten Maschine von Yamaha. (Foto: AFP)
  • Jorge Lorenzo ist Weltmeister - aber im Yamaha-Team lieben sie Valentino Rossi. Jetzt wechselt Lorenzo in Rossis Heimat Italien.
  • Ihn erwartet ein störrisches Motorrad, auf dem schon Rossi vor ein paar Jahren gescheitert war.
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Von Birgit Schönau, Rom

Zwölfeinhalb Millionen Euro netto im Jahr sind natürlich ein gewichtiges Argument. Auch für einen, der vorher schon zehn Millionen Euro kassierte, so wie Jorge Lorenzo, Moto-GP-Weltmeister von 2010, 2012 und 2015 bei Yamaha. Und doch wechselt der 28 Jahre alte Spanier wohl nicht nur wegen des üppigen Salärs zum italienischen Rennstall Ducati. Lorenzo wolle sich endlich von einem lästigen Teamkollegen befreien, schwört die Branche. Von einem, in dessen Schatten er auch als Weltmeister fährt; von dem er sich nicht befreien kann - selbst wenn er Titel auf Titel häuft.

"Jorge erträgt die Konkurrenz von Valentino Rossi nicht mehr", sagt der ehemalige Champion Marco Lucchinelli. In einem Interview mit der Gazzetta dello Sport spricht der bestens vernetzte Weltmeister von 1981 aus, was alle ahnen: "Der Spanier ist zwar Titelverteidiger und acht Jahre jünger als Valentino. Aber bei Yamaha dreht sich trotzdem alles um Rossi. Als Lorenzo zuletzt Weltmeister wurde und Valentino sich mit Platz zwei begnügen musste, wirkte das Team fast beleidigt. Da verzieht man sich doch lieber."

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Bei Yamaha hatten Valentino Rossi und Jorge Lorenzo nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie nicht füreinander fuhren, sondern gegeneinander. Seit Jahren geht das jetzt schon so. Zuerst zog Rossi den Kürzeren, und nachdem er dem aufstrebenden Talent Lorenzo eine Weile hinterhergefahren war, flüchtete er 2011 - zu Ducati. Dort wurde er aufgenommen wie ein verlorener Sohn. Ein italienischer Traum sollte wahr werden: der schillernde Rossi und die legendäre Italo-Marke, der Weltstar und die Ästhetik der alten Heimat.

Rossi bei Ducati? Er scheiterte

Sechsmal war Rossi auf japanischen Maschinen Moto-GP-Weltmeister geworden, zuletzt 2009 mit Yamaha. Ducati hatte seinen einzigen Triumph in der Königsklasse 2007 eingefahren, mit dem Australier Casey Stoner. Auf dem Landsmann Rossi aus den Marken, unweit des Ducati-Stammsitzes bei Bologna, ruhten deshalb alle Hoffnungen. Doch auf die Euphorie folgte bald eine Bruchlandung.

Nie fuhr Valentino der Große so schlecht wie auf seiner Ducati Desmosedici; die Maschine mit dem klangvollen Namen und der zickigen Technik wollte ihm einfach nicht gehorchen. Zwei Jahre vergingen ohne einen einzigen Sieg, dann trennte man sich mit gegenseitigen Schuldzuweisungen. Lorenzo hatte derweil mit Yamaha schon den zweiten Titel geholt. Und mit einem großen Comeback des Rivalen wohl gar nicht mehr gerechnet.

Doch kaum war er wieder bei Yamaha, lief es wieder für Rossi. 2014 wurde er Zweiter hinter dem Spanier Marc Márquez, und in der Saison 2015 war Titel Nummer zehn für ihn lange zum Greifen nahe. Bis Rossi zwischen Teamkollege Lorenzo und dem Honda-Fahrer Márquez eine spanische Verschwörung witterte, mit dem Ziel, ihn, den übermächtigen Italiener, ein für allemal auszuschalten. Beim Grand Prix von Malaysia wurde Rossi Dritter, nachdem er den hart angreifenden Márquez quasi von der Piste gekickt hatte. Der Spanier habe ihn provoziert, rechtfertigte sich Rossi.

Beim Saisonfinale in Valencia musste er zur Strafe als Letzter starten und unterlag trotz beeindruckender Aufholjagd dem Kollegen und Rivalen Lorenzo. Dessen Triumph haftete indes ein Hauch von Verrat an, hatte Lorenzo doch getönt, die Strafe für Rossi sei zu mild gewesen, "viele werden jetzt den Respekt für ihn verlieren". Stattdessen musste er selbst gehen. "Zu erleben, dass die Leute auch dann nach Valentino rufen, wenn man selbst gewinnt, ist nicht einfach", glaubt Giacomo Agostini, der mit 15 Titeln unerreichte Italiener.

"Lorenzo ist ein komischer Typ"

Jetzt reitet also Jorge Lorenzo die Desmosedici, von der natürlich alle behaupten, sie sei nun endlich konkurrenzfähig, ein Meisterwerk italienischer Ingenieurskunst, bezahlt vom deutschen Autokonzern Audi, dem Ducati seit 2012 gehört. "Vincerò", beteuert Lorenzo, ich werde gewinnen, soviel Italienisch kann er schon. Die Desmosedici ist rot wie die Wagen aus dem Formel-1-Rennstall Ferrari, ein anderer italienischer Mythos, der mit italienischen Piloten wenig Glück hatte. Bei Ducati waren bislang Andrea Dovizioso und Andrea Iannone unter Vertrag. Dovizioso war mal Weltmeister in der 125er-Klasse, Iannone darf kaum hoffen, bis zum Sommer auch mal etwas zu gewinnen.

Wenn Lorenzo kommt, müssen die beiden Italiener wohl gehen. Und dann? "Lorenzo ist ein komischer Typ", sagt der alte Kämpe Marco Lucchinelli: "Er ist der Einzige, der Márquez die Stirn bieten könnte. Aber er bringt es auch, Freitag und Samstag bei den Proben toll zu fahren, und am Sonntag läuft ihm eine Laus über die Leber, und das war's dann. Er wirkt immer so traurig, so allein." Und jetzt soll er auf der Desmosedici triumphieren, als Don Quijote in Rossi-Land.

© SZ vom 23.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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