Moritz Stoppelkamps 83-Meter-Tor:Eine unglaubliche Geschichte

Moritz Stoppelkamps 83-Meter-Tor: Ein Tor für die Geschichtsbücher: Moritz Stoppelkamp

Ein Tor für die Geschichtsbücher: Moritz Stoppelkamp

(Foto: AP)

Ausgerechnet Moritz Stoppelkamp gelingt gegen Hannover 96 ein Treffer für die Geschichtsbücher des Fußballs. Das Rekord-Tor ist eine ganz besondere Revanche des Paderborners bei seinem Ex-Klub, wo er die Schattenseiten des Profifußballs kennenlernte.

Von Matthias Schmid

Es ist nicht überliefert, wie oft sich Moritz Stoppelkamp seinen besonderen Treffer zum 2:0 gegen Hannover 96 hinterher noch mal angeschaut hat. Aber das Tor aus 83 Metern, so viel steht schon fest, wird den 27-Jährigen vom SC Paderborn noch sehr lange begleiten. "Ein Tor wie heute gibt es nur einmal im Leben", sagte auch sein Trainer Andre Breitenreiter. Es war in der Tat ein Schuss für die Geschichtsbücher des Fußballs. Aus dieser Entfernung hatte in der 51 Jahre währenden Bundesligageschichte noch kein Spieler getroffen. Die alte Bestmarke stammt aus dem Jahre 2011, damals gelang Giorgios Tzavellas für Frankfurt aus 73 Metern ein Tor.

Stoppelkamp stoppte am Samstagnachmittag gegen Hannover am eigenen Strafraum den Ball mit der Brust. Jeder rechnete mit einem Befreiungsschlag auf die Tribüne, es lief schließlich die dritte Minute der Nachspielzeit. Paderborn führte durch einen Treffer von Elias Kachunga (71.) 1:0. Doch Stoppelkamp dachte nicht daran, den Ball rustikal zu klären, er drehte sich nach links um die eigene Achse und schoss in einer flüssigen Bewegung so wuchtig er konnte. Der Ball flog und flog - und landete schließlich im leeren Tor der Hannoveraner. Nationaltorwart Ron-Robert Zieler hatte es kurz davor verlassen, weil er seinem Klub helfen wollte, unbedingt noch einen Punkt zu holen in Paderborn.

Zu einer solchen Verzweiflungstat ließ sich die Mannschaft beim noch ungeschlagenen Aufsteiger hinreißen. Liganeuling Paderborn ist damit nach vier Spieltagen Tabellenführer, zumindest vorübergehend. Leverkusen und Mönchengladbach können noch vorbeiziehen, wenn sie heute ihre Partien gewinnen.

Schaffen sie es nicht, dann reist Paderborn am Dienstag als Erster zum Rekordmeister FC Bayern. Wie das klingt! Spitzenspiel am fünften Spieltag: München gegen Paderborn, Deutscher Meister gegen Aufsteiger. Paderborns Trainer Breitenreiter wird der wundersame Aufstieg an die Spitze der Bundesliga selbst ein wenig unheimlich. "Ich bin keiner, der nach so einer Serie größenwahnsinnig wird", sagt der 40-Jährige. Das ist eine Momentaufnahme, wir sammeln Punkte für den Klassenerhalt und sind bescheiden."

In Hannover auf der Straße beleidigt

Demütig, beinahe abgeklärt, blieb nach der bisher größten Tat seiner sportlichen Karriere auch Stoppelkamp, dabei hätte er allen Grund gehabt, ein wenig auszuflippen. Für 700 000 Euro vor der Saison von 1860 München nach Paderborn gewechselt, stellte er erstaunt fest: "Ich wusste gar nicht, dass ich überhaupt so weit schießen kann."

Das war natürlich geschwindelt. Stoppelkamp gehört bei den Paderbornern zu den auffälligsten Spielern, technisch stark, ist er einer jener Mittelfeldakteure, die mit ihren Pässen und Zuspielen ihre Mitspieler besser aussehen lassen. Mit 13 Torvorlagen war er in der vergangene Saison bester Vorbereiter in der zweiten Liga. "Moritz hat eine überragende Leistung gezeigt. Er hebt unsere Qualität deutlich. Dass er sich jetzt mit Toren belohnt, ist ein Produkt harter Arbeit", lobte Breitenreiner.

"1000 Gedanken" seien ihm durch den Kopf gegangen, gestand Stoppelkamp im Anschluss an das Spiel. Bei Hannover 96 hatte er zwischen 2010 und 2012 die Schattenseiten als Berufsfußballer kennen gelernt: Verletzungen, Ersatzbank, ja sogar öffentliche Demütigungen. "Es war ja keine schöne Zeit in Hannover, wo ich ausgepfiffen und auf der Straße oft beleidigt wurde. Natürlich war das eine Genugtuung", gab er schließlich doch noch zu. Er schloss mit der Erkenntnis: "Der Fußball schreibt unglaubliche Geschichten, das war wieder so eine."

Und das Leben erst recht, könnte man hinzufügen. Seine Freundin Ina lebt in Hannover, er verbringt also noch viel Zeit in der Stadt, die ihm fußballerisch kein Glück gebracht hat. Jetzt fährt er aber zunächst nach München, wo er bis zum Sommer für 1860 kickte. Aus seiner Zeit dort kennt er die Vorzüge der Wiesn. Gelegenheit für einen Besuch auf dem Oktoberfest wird er diesmal vermutlich nicht haben. Wobei - bei Paderborn weiß man nie, vielleicht gewinnen sie auch noch bei den Bayern und gehen am nächsten Tag alle gemeinsam zum größten Volksfest der Welt. In Lederhosen, versteht sich.

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