Momente der Leichtathletik-EM:In den Wolken

Kapriolen am Himmel, Kaspereien auf der Zielgeraden und eine Laufbahn, rutschig wie Seife: Was von der Leichtathletik-EM in Zürich - abseits der Siegertreppchen - in Erinnerung bleiben wird.

Von Johannes Knuth, Zürich

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Momente der Leichtathletik-EM:Das Wetter

Athletics European Championships 2014

Quelle: dpa

Kapriolen am Himmel, Kaspereien auf der Zielgeraden und eine Laufbahn, rutschig wie Seife: Was von der Leichtathletik-EM in Zürich - abseits der Siegertreppchen - in Erinnerung bleiben wird.

Das Wetter: Seit Sonntag ist die Leichtathletik-EM in Zürich Geschichte. Man kann nicht unbedingt sagen, dass die Veranstalter die hohen Ansprüche erfüllt haben, an denen man Leichtathletik im Züricher Letzigrund misst. Eines konnte man den Organisatoren allerdings nicht anlasten: das Wetter. Mal regnete es, mal stürmte es, die Zehnkämpfer wehte es bei ihrem Stabhochsprung beinahe von der Anlage. Es war, als wolle das Wetter ein Wörtchen mitreden bei diesen Titelkämpfen. Manche Athleten fanden das sogar hilfreich: "Ich mag Regen", outete sich Kugelstoßerin Christina Schwanitz nach ihrer Qualifikation. Der Grund: "Macht Spaß." Welch Unglück, dass während des Kugelstoßen-Finals am Sonntag die Sonne schien. Schwanitz bewahrte die Ruhe und gewann trotz dieser widrigen Sonnenschein-Bedingungen die Goldmedaille.

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Momente der Leichtathletik-EM:Die Mütter

22nd European Athletics Championships - Day Two

Quelle: Getty Images

Die Mütter: Es ist im Grunde nichts Ungewöhnliches, dass Athletinnen nach einer Schwangerschaft in den Hochleistungssport zurückkehren. Die Erfolge von Müttern bei dieser EM sind dann aber doch erwähnenswert. Am ersten Wettkampftag lief die 40-jährige Britin Jo Pavey über die 10 000 Meter zu Gold. Sie geht als älteste EM-Siegerin in die Leichtathletik-Annalen ein. "Manche Leute sagen, du musst wahnsinnig gut organisiert sein. Aber das Gegenteil ist der Fall, ich habe meine Zeit überhaupt nicht organisiert", sagte Pavey nach dem Rennen. Ihr Morgentraining falle auch mal auf den Nachmittag, je nach den Bedürfnissen ihrer Kinder. Hochleistungssport als flexibler Arbeitgeber? In manchen Fällen bringt das Konzept Mutter wohl tatsächlich Erfolg. Speerwerferin Barbora Spotakova wurde in Zürich nach der Babypause Europameisterin, vor den Augen einer Konkurrentin, die sich derzeit in Elternzeit befindet: Christina Obergföll.

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Momente der Leichtathletik-EM:Mahiedine Mekhissi-Benabbad

22nd European Athletics Championships - Day Six

Quelle: Getty Images

Mahiedine Mekhissi-Benabbad: Am Ende hallten tatsächlich ein paar Pfiffe durchs Stadion, als sich Mahiedine Mekhissi-Benabbad, der neue Europameister über die 1500 Meter, am Sonntag zu seiner Ehrenrunde aufmachte. Es war das Ende einer turbulenten Woche für den 29 Jahre alten Franzosen. Mekhissi hatte es am vergangenen Donnerstag zu Ruhm gebracht. Er hatte sich im 3000-Meter-Hindernisrennen weit von der Konkurrenz entfernt, sich auf der Zielgeraden das Trikot vom Leib gerissen, woraufhin ihn die Kampfrichter disqualifizierten. Die Weltöffentlichkeit empörte sich: Man könne einem Europameister doch nicht die Medaille wegnehmen, weil der sich freue. Das kann man sehr wohl, auch ein Sieger muss mit Startnummer ins Ziel laufen - wenn sich jeder Läufer entkleidet, wissen die Kampfrichter irgendwann nicht mehr, wer in welcher Reihenfolge ankommt. Mekhissi revanchierte sich, indem er am Sonntag den 1500-Meter-Läufern derart weit davonspurtete, dass er auf der Zielgeraden aufreizend lässig ins Publikum winken konnte. Der letzte Läufer, der derart lässig vor der Ziellinie kasperte, war übrigens ein gewisser Usain Bolt.

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Momente der Leichtathletik-EM:Die Stimmung

Leichtathletik-EM 2014

Quelle: dpa

Die Stimmung: Die Zuschauer im Letzigrund erhoben sich noch einmal von den Sitzen, kurz vor dem letzten Finale dieser EM. Die 4x100-Meter-Staffel der Frauen stand auf dem Plan. Die Schweizer Staffel war mit guten Referenzen in den Endlauf eingezogen und hatte Hoffnung auf eine Medaille gemacht. Die zerschlug sich allerdings Sekunden nach dem Rennauftakt. Mujinga Kambundji hatte beim Loslaufen den Stab verloren. Mit einem Mal verstummte der Letzigrund, der Rest des Staffelfinals verlief beinahe lautlos. Richtig stimmungsvoll, das muss sich das Züricher Publikum schon vorwerfen lassen, war es bei dieser EM nur beim Gold-Lauf von Hürdenläufer Kariem Hussein sowie am Sonntag entlang der Marathonstrecke. Die Atmosphäre des traditionellen Weltklasse-Meetings lässt sich dann doch nicht auf eine sechstägige EM strecken.

(Im Bild: Maskottchen Cooly im Regenanzug)

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Momente der Leichtathletik-EM:Niederländische 4x100-Meter-Staffel

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Quelle: AFP

Niederländische 4x100-Meter-Staffel: Die Auszeichnung "Mitarbeiter dieser EM", die hat sich zweifelsfrei die niederländische 4x100-Meter-Staffel verdient. Am Samstagvormittag hatten sie sich in ihrem Vorlauf durch einen Ellenbogencheck der ukrainischen Konkurrenz im Nachteil gewähnt, sie protestierten und durften noch einmal laufen - allerdings erst spätabends, ohne Gegner, ohne Publikum. Ein paar Fans waren dann doch geblieben, die Helfer trommelten gegen die Bande, während die vier Läufer allein gegen die Zeit kämpften. Die Stimmung war ziemlich gut für eine Geisterkulisse. Am Ende verpassten die Niederländer den Endlauf um fast zwei Sekunden. Zum Siegerfoto durften sie dennoch antreten.

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Momente der Leichtathletik-EM:Drei Deutsche über 1500 Meter

Leichtathletik-EM 2014

Quelle: dpa

Drei Deutsche über 1500 Meter: Drei deutsche Läufer saßen auf der Kunststoffbahn, sie waren ein wenig enttäuscht. Florian Orth, Tesfaye Homiyu und Timo Benitz (von links) hatten an diesem turbulenten 1500-Meter-Finale der Männer teilgenommen, drei Deutsche in einem 1500-Meter-Finale, das hatte es vor 40 Jahren zuletzt gegeben, bei der EM 1974 in Prag. So richtig freuen wollten sie sich dann aber nicht über die Plätze fünf (Tesafaye), sieben (Benitz) und zehn (Orth, nach Sturz). Tesafaye, der als Zweiter auf die Zielgerade eingebogen war, sagte: "Auf den letzten 50 Metern hatte ich keine Kraft mehr, das hat mich enttäuscht." Und der neue, tolle Schwung der deutschen Mittelstreckler, die historisch tolle Besetzung in diesem Finale? Doch, ganz toll, sagte Tesafaye. "Aber drei ohne Medaille ist ein bisschen schlecht."

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Momente der Leichtathletik-EM:Mo Farah

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Quelle: AP

Mo Farah: Der Brite Mo Farah hat auch an dieser EM mitgewirkt, er hat sogar zwei Goldmedaillen gewonnen, eine über 5000, eine über 10 000 Meter. EM-Siege von Mo Farah geraten gerne zur Randnotiz, sie werden mittlerweile ja fast so selbstverständlich hingenommen wie überteuerte Hotelpreise in der Schweiz oder Wutreden von Matthias Sammer. Wobei Farahs Auftritte in Zürich diesmal souveräner wirkten als sie vielleicht waren. "Es war nicht immer einfach in diesem Jahr", sagte der 31-Jährige nach seinem 5000-Meter-Gold am Sonntag, "umso schöner ist es, hier das Double zu holen." Zu Beginn hatte er sich über die Marathondistanz probiert, es lief schlechter als erwartet. Im März kollabierte er nach dem Halbmarathon in New York, kurz vor den Commonwealth Games Ende Juli erlitt er erneut einen Kollaps, wegen einer Infektion nach einer Zahn-OP. In Zürich wirkte Farah wieder recht gesund, wie auch der Rest der britischen Mannschaft. Dank 23 Medaillen, darunter zwölf goldene, gewannen sie die Medaillenwertung vor den starken Franzosen und dem DLV-Team.

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Momente der Leichtathletik-EM:Dafne Schippers

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Quelle: AP

Dafne Schippers: Die neue Königin der EM weinte, die getragenen Klänge der niederländischen Hymne bei der Siegerehrung waren einfach zu schön. Dafne Schippers war an diesem Freitagabend zur Athletin der EM aufgestiegen. Gold über die 100 Meter hatte sie bereits gewonnen, jetzt der Titel über die 200 Meter. Die Laufzeiten bei Europameisterschaften liegen gerne einmal unter dem Schnitt der Besten, bei einer EM geht es um Platzierungen, nicht um Zeiten, aber Schippers war das egal: Ihre 22,03 Sekunden toppten nicht nur den Landesrekord. Schneller war in diesem Jahr noch keine Frau in der Welt über diese Distanz. Kritiker sagen: Eine recht heftige Leistungssteigerung für eine Athletin, die gerade noch Siebenkämpferin war.

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Momente der Leichtathletik-EM:Usain Bolt

Bolt of Jamaica poses during the European Athletics Championships at the Letzigrund Stadium in Zurich

Quelle: REUTERS

Usain Bolt: Der schnellste Mann der Welt hat auch mitgemacht bei der EM. Allerdings trat Usain Bolt nur als Showgast in Zürich in Erscheinung, kurz vor dem 100-Meter-Finale der Männer am Mittwochabend. Es war im Grunde eine nette Idee: Der Athlet aus Jamaika wünschte den flinksten Männern Europas alles Gute, bevor sie ihren kontinentalen Champion ermittelten. Weniger nett war, dass die Organisatoren den gesamten Wettkampfbetrieb anhielten, während Bolt zum Volk sprach. Die 800-Meter-Läufer mussten derweil in der kalten Züricher Nacht auf ihren Start warten.

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Momente der Leichtathletik-EM:Die Bahn

Leichtathletik-EM 2014

Quelle: dpa

Die Bahn: Was haben sie alle geredet über diese fabelhafte neue Kunststoffbahn, die sie vor der EM im Letzigrund ausgerollt hatten. Ein dünner Belag, der die Läufer zu Spitzenzeiten treiben würde, zu Bestzeiten, Rekorden. Ach was, man müsse diesen Belag nur ansehen, um seine Bestzeit um zwei Sekunden zu verbessern, vermutlich gesunden gar Verletzte auf diesem heiligen Untergrund. Was die Organisatoren leider vergessen hatten: Dass ihre schöne Kunststoffbahn im Regen "nicht funktionierte", wie Gerd Kanter, EM-Zweiter im Diskuswurf, ungefragt auf der Pressekonferenz polterte. Anscheinend ist der neue Belag so dicht, dass der Regen nicht richtig ablaufen kann. Bei manchen Wurf- und Sprungdisziplinen verwandelte sich der Untergrund folglich in eine Rutschbahn, denn es hat oft geregnet bei dieser EM in Zürich. Selbst im trockenen Zustand klagten Athleten, je nach Aufprallwinkel der Schuhe fühle man sich entweder "einbetoniert" oder "wie auf Seife". Zufrieden waren offensichtlich nur die Sprinter, die teils sehr brauchbare Zeiten liefen. Und das verspricht einiges für das Weltklasse-Meeting in Zürich, das am 28. August stattfindet. Usain Bolt wird wieder kommen, diesmal zum Laufen.

© SZ.de/hum
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