Mönchengladbach:Zwischen den Räuschen

Mönchengladbach 25 10 2016 Borussia Park Raffael BMG VfL Borussia Mönchengladbach VfB Stuttgar

Galgenhumor oder Freude auf den Moment, wenn er seinem Team wieder helfen kann? Gladbachs Spielgestalter Raffael auf der Tribüne.

(Foto: Moritz Müller/imago)

Gegen Berlin, Köln, Hoffenheim, Dortmund und Mainz wird sich für Borussia Mönchengladbach entscheiden, ob sie den Kontakt zum oberen Tabellendrittel zurückerkämpft.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Die Fußball-GmbH Borussia Mönchengladbach wird in Kürze neben ihrem Stadion ein eigenes Hotel errichten. 131 Zimmer mit grün-weißem Interieur bergen den Vorteil, dass die Kundschaft sich dort für Heimspieltage ein Bett reservieren kann. Wenn sich die Spiele dann so quälend gestalten wie die jüngsten Bundesliga-Auftritte der Borussia, kann man jederzeit seinen Sitzplatz aufgeben, zum Hotel hinter der Haupttribüne schlendern und sich ins Bett fallen lassen. Sollte doch noch ein Tor fallen, bekäme man es zumindest akustisch mit.

Gladbach hat in der Bundesliga seit sechs Stunden und vierzehn Minuten kein Tor mehr geschossen. Nicht einmal das sonst zu Euphemismen verpflichtete Führungspersonal mit Max Eberl (Sportdirektor) und André Schubert (Trainer) kam umhin, das Nullzunull gegen Eintracht Frankfurt als "zäh" und "mühsam" zu bezeichnen. Gäbe es das Borussia-Hotel bereits, hätte die Hotelbar hernach sicher viel Hochprozentiges zur Therapierung fußballerischer Tristesse ausschenken dürfen.

Als Tribut an die prägenden Europacup-Auftritte der Klubhistorie präsentiert Gladbach seit einem Jahr oft spektakuläre Spiele in der Champions League. Allerdings bezahlt es diese Räusche in jüngster Zeit mit einer gewissen Lethargie in den Zwischenzeiten. Dem in jeder Hinsicht vorzüglichen 2:0-Sieg in Glasgow waren in der Liga ein 0:4 auf Schalke und ein 0:0 gegen Hamburg vorausgegangen sowie ein 0:2 in München und das 0:0 gegen Frankfurt gefolgt. Es ist ein solcher Regenerationsfußball allerdings eine allzu menschliche Regung, denn wer hat nicht schon von Buchhaltern gehört, die nüchtern ihren Dienst verrichten, um vor Feiertagen umso extrovertierter durchs Nachtleben zu toben?

Gladbach musste gegen Frankfurt unter anderem ohne Raffael, Thorgan Hazard und Ibrahima Traoré auskommen. Ohne diese putzmunteren Dampfmacher wirkte der Gladbacher Vortrag so, als wären in einer mediterranen Klubanlage sämtliche Animateure bettlägerig. "Ich verstehe ja, dass man von uns immer Champagnerfußball erwartet", sagte Trainer Schubert, "aber dazu waren meine Jungs zuletzt nicht in der Lage." Weil sie die Gründe in Müdigkeit und Verletzungspech gefunden zu haben glauben, wollen Schubert und Eberl von einer Krise nichts wissen. "Eine Krise sehe ich hier definitiv nicht", verlautbarte Eberl. "Das ist keine kritische Phase", beschloss Schubert.

Sie sind vielleicht auch deshalb so zuversichtlich, weil am Dienstagabend mit dem vierten Gruppenspiel daheim gegen Celtic Glasgow wieder Champions League auf dem Spielplan steht - und weil sie hoffen, dass Raffael oder Hazard oder Traoré oder gar alle drei wieder einsatzbereit sind. Ein Sieg gegen die Schotten eröffnete Gladbach zum einen eine kleine Gewissheit aufs Überwintern im internationalen Geschäft (Zwischenrunde Europa League), zum anderen sogar ungeahnte Möglichkeiten (Achtelfinale Champions League). Weil sie zudem kürzlich den Verbleib im DFB-Pokal sichergestellt haben (Achtelfinale bei Zweitligist Fürth), stünden tröstliche Weihnachtsferien bevor. Im kommenden Frühjahr droht dennoch ein Kater, weil die Borussia im Brot-und-Butter-Geschäft Bundesliga die neuerliche Qualifikation für den Europapokal zu versäumen droht. Dadurch würden die wasserfallartigen Geldzuflüsse zu Rinnsalen verkümmern, und das würfe Gladbach im immer hochpreisigeren Transfergeschäft zurück.

Im Alltag - in Berlin, gegen Köln, Hoffenheim, in Dortmund und gegen Mainz - wird sich für die Borussia in den nächsten fünf Spielen entscheiden, ob sie den Kontakt zum oberen Tabellendrittel zurückerkämpft oder vollends verliert. Und ob dem vereinseigenen Übernachtungsbetrieb zur Eröffnung 2018 eine eher maue Stimmung droht.

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