Mönchengladbach:Wenigstens Gänsehaut

Borussia Mönchengladbach - FC Barcelona

Beifall angebracht: Die Borussen Herrmann (links) und Sommer konnten trotz der Niederlage zufrieden sein.

(Foto: Maja Hitij/dpa)

1:2 nach 1:0-Führung: Für die Borussia ist die knappe Niederlage gegen den FC Barcelona ein Déjà-vu - das Team hofft trotzdem auf Lerneffekte.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Schlechte Erinnerungen sind wie Fliegen, deren Geräusch durch den Kopf surrt: Sie machen einen wahnsinnig. Der Fußballer Patrick Herrmann hat am Mittwochabend von Gedanken berichtet, die in seinem Kopf "herumschwirrten", als er bei der 1:2-Niederlage gegen den FC Barcelona ein Déjà-vu erlebte. Vor einem Jahr war sein Klub Borussia Mönchengladbach im Champions-League-Heimspiel gegen Manchester City 1:0 in Führung gegangen und hatte gemeinsam mit dem Publikum eine Sensation gewittert - um später doch noch zwei Gegentreffer zuzulassen: "Wir haben bewiesen, dass wir mit den Besten mithalten können", hatte Herrmann damals gesagt.

Ganz ähnlich äußerte er sich nun nach der Barcelona-Partie, allerdings mischten sich diesmal Selbstzweifel in die Analyse: "Wie damals gegen Manchester haben wir wieder ein grandioses Spiel gemacht und trotzdem 1:2 verloren; es fehlt uns also irgendwas, wahrscheinlich vor allem Erfahrung." Ein Jahr älter - und nicht klüger.

Dabei war es im Grunde angebracht, mit Kritik an den Gladbachern zu sparen. Auch Herrmann selbst bilanzierte versöhnlich, es sei "keine Schande", gegen Barcelona knapp zu verlieren. 31 Minuten lang hatten die Borussen nach Thorgan Hazards Führungstreffer (34.) von einer Sensation geträumt, dann glich Arda Turan aus (65.) und Gerard Piqué markierte den Siegtreffer (74.). Obwohl dem zweiten Gegentor ein Fehler des Borussia-Torwarts Yann Sommer vorausgegangen war, erwies sich Barcelonas Sieg am Ende als klar verdient. Die jungen Gladbacher - in Andreas Christensen, Nico Elvedi und Mahmoud Dahoud standen drei 20-Jährige auf dem Platz - trösteten sich mit der überschwänglichen Resonanz ihres Publikums.

ManCity, Juve, Sevilla, Barcelona - bisher fühlt sich Gladbach wie ein Neuling auf dem Schulhof

"Das war eines der schönsten Spiele, die ich je im Borussia-Park erlebt habe", sagte Herrmann, der nicht zu übertriebenem Pathos neigt. Sein stärkster Eindruck von diesem denkwürdigen Fußballabend lautete: "Als ich auf die Anzeigetafel geschaut habe, und da stand Gladbach gegen Barcelona 1:0 - da hatte ich eine Gänsehaut."

Solche Fußballnächte hinterlassen auch philosophische Fragen, im Falle der Borussia etwa jene, ob bewusst empfundenes Glück nicht bedeutsamer ist als geldwerte Champions-League-Erfolge. Gladbacher Gänsehäute wurden schon nach dem letztjährigen 1:2 gegen Manchester dokumentiert sowie nach zwei Unentschieden gegen Juventus Turin. Von ihren insgesamt acht Champions-League-Spielen haben sie allerdings nur ein einziges gewonnen (4:2 gegen Sevilla), und das, obwohl sie gleich fünfmal in Führung lagen.

Mit Manchester City, Juventus Turin, dem FC Sevilla und dem FC Barcelona wurden den Borussen in beiden Spielzeiten sogenannte Hochkaräter in die Gruppe gelost. Das fühlt sich an wie die Hierarchie auf dem Schulhof, auf dem Neulingen erst mal zur Zurückhaltung geraten wird, notfalls mit Prügeln. Die nächsten zwei Spiele bestreiten die Gladbacher allerdings gegen Celtic Glasgow - eine Mannschaft, gegen die sie sich mit einem Sieg im direkten Vergleich gerne den dritten Gruppenplatz holen und damit nach der Winterpause zumindest die Versetzung in die Europa League sichern würden. Nun hat Glasgow allerdings am Mittwoch ein 3:3 gegen Pep Guardiolas Manchester City gefeiert und ist den Borussen einen Punkt voraus. So müssen die Gladbacher gegen die Schotten auf alle Fälle das direkte Duell gewinnen, um die Europapokal-Saison nicht zum zweiten Mal nacheinander schon vor Weihnachten beenden zu müssen.

"Lebe deinen Traum", hatte Gladbach am Mittwochabend auf ein haushohes Plakat am Stadion geschrieben, um den Champions-League-Spielen ein ideelles, quasi olympisches Motto zu geben. Im irdischen Hier und Jetzt, dem Brot-und-Butter-Geschäft Bundesliga, sind ihnen die kommenden Spiele umso wichtiger, weil sie sich mit Erfolgen am Sonntag auf Schalke und danach gegen den Hamburger SV im oberen Tabellendrittel einnisten könnten.

Leicht wird es nicht, denn die Gladbacher müssen vorerst auf Spielmacher Raffael verzichten. Der Brasilianer, der wegen Adduktorenproblemen schon zwei Ligaspiele versäumt hatte, hat sich gegen Barcelona einen Muskelfaserriss zugezogen.

"In der Champions League kommt es auf die Art und Weise an, wie wir spielen."

Reicht es gegen die europäische Elite nicht zu Siegen, so hoffen die Gladbacher wenigstens, von diesen Erfahrungen für die Bundesliga zu profitieren: "In der Champions League kommt es für uns auch auf die Art und Weise an, wie wir spielen", sagt Trainer André Schubert, "auch wenn dann eine Weltklassemannschaft wie Barcelona eben doch noch vieles besser macht als wir." Schubert erachtet die von Manager Max Eberl als "Lehrgeld" bezeichnete Niederlage als Investition in die Zukunft: "Man lernt in diesen Spielen von der Qualität des Gegners."

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