Mönchengladbach - Mainz (17.30 Uhr):Nachhilfe im Kino

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Zuletzt war Nico Schulz (l.) noch für die Hertha am Ball: Nun läuft er bald für Galdbach auf. (Foto: Lukas Barth/Reuters)

Gegen Mainz ist Nico Schulz noch nicht dabei, aber der Zukauf aus Berlin bekommt schon mal vorgeführt, was die Gladbacher in den Jahren mit Trainer Favre alles geleistet haben.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Der Junioren-Nationalspieler Nico Schulz wird an diesem Sonntag um 17.30 Uhr nicht für Borussia Mönchengladbach auflaufen. Er wird auch nicht auf der Ersatzbank sitzen. Er wird nicht mal im Kader stehen. Der gebürtige Berliner und bisherige Herthaner ist erst am Mittwoch zur Borussia gestoßen. Für den Trainer Lucien Favre ist das so, als habe ein Schauspieler erst fünf Minuten vor der Theatervorstellung mal kurz ins Skript schauen können. Für Favre macht das keinen Sinn. Trotz der 0:4-Blamage zum Ligaauftakt in Dortmund. Favre braucht Darsteller, die jede Silbe des Skripts beherrschen, Fußballer, die seinen Matchplan im Detail verinnerlicht haben. Schulz muss warten. Gladbach wird gegen den FSV Mainz 05 ohne ihn versuchen, den missratenen Start zu korrigieren.

An seinem ersten Tag als Borusse musste Schulz am Mittwochabend gleich ins Kino. Dienstlich. Der 22-Jährige bekam unterhaltsamen Anschauungsunterricht in Orts- und Erfolgskunde. "Auf, auf, auf in die Champions League", heißt der 60-Minüter, der die aufregende Zeit der Borussia unter Favre vom Beinahe-Abstieg 2011 bis zur direkten Qualifikation für die europäische Meisterklasse 2015 zusammenfasst. Am Mittwochabend war Premiere, bald gibt es den Film auch zu kaufen.

Im Kino durfte Schulz neben Ibrahima Traoré sitzen. Zwischen den beiden herrscht kaum fußballerisches Konfliktpotenzial, weil Schulz ein Mann für die linke Seite ist und Traoré einer für die rechte. Anders sieht das schon mit Thorgan Hazard aus, aber der saß drei Sitze weiter, und Linksverteidiger Oscar Wendt saß ganz woanders.

Offiziell drei Millionen Ablöse wurden nach Berlin überwiesen

Schulz, der sich jüngst mit der U21 für die Olympischen Spiele 2016 in Rio qualifizieren konnte, galt bei der Hertha lange als Linksverteidiger, aber zuletzt hat er häufiger bewiesen, dass er offensiv sehr viel Wirbel machen und trotzdem defensiv recht zuverlässig sein kann. Schulz ist ein Allrounder für die linke Seite. Aber es wird spannend zu sehen, wie er sich bei der Borussia durchsetzen kann, wenn Hazard offensiv und Wendt defensiv gute Leistungen zeigen und wenn der soeben mit einem Muskelfaserriss in der Wade ausgefallene Fabian Johnson wieder zurückkehrt. Auf den Flügeln ist Gladbach ziemlich gut besetzt. Hinten rechts bilden Tony Jantschke und Julian Korb die Optionen, vorne rechts Patrick Herrmann und Traoré, vorne links Johnson und Hazard und hinten links Wendt - und nun Schulz. Der auf drei Millionen Euro Ablöse taxierte gebürtige Berliner ist also zunächst der Backup für Wendt.

Die Personalie hat unter der Woche vielleicht sogar ein bisschen überrascht, denn wenn die Gladbacher noch Bedarf haben, dann eigentlich eher zentral. In Granit Xhaka und dem Zugang aus Hannover, Lars Stindl, haben die Borussen genau zwei hochkarätige "Sechser". Wenn Stindl für den wankelmütigen Raffael mal ins zentral-offensive Mittelfeld rücken muss, oder auch für den noch haltlosen neuen Mittelstürmer Josip Drmic mal ganz nach vorn in die Spitze, dann ist der Norweger Havard Nordtveit (gegen Mainz noch gesperrt wegen einer roten Karte aus der vergangenen Saison) schon der einzige Nachrücker fürs defensive Mittelfeld. Nordtveit könnte in rasanten Champions-League-Spielen aber Probleme bekommen, genauso wie andere Defensiv-Kandidaten wie Andreas Christensen oder Nico Elvedi - beide sind junge Zugänge bei Borussia.

Erstes Heimspiel ohne Kramer und Kruse

Auf welcher Position die Gladbacher zu Beginn dieser Saison Probleme haben, lässt sich nach dem 0:4 von Dortmund allerdings kaum sagen, weil alle Spieler einen schwarzen Tag erwischt hatten. So ein kollektiver Totalausfall ist selten bei der Borussia unter dem Trainer Favre, weshalb die Mannschaft das erste Heimspiel am Sonntag gegen Mainz umso seriöser und bemühter angehen dürfte.

Der Kinoabend hat ihnen noch einmal veranschaulicht, welche Emotionen und welch harte Arbeit erforderlich sind für denkwürdige Momente. Ab sofort wird allerdings alles noch viel schwieriger, weil die Gladbacher ohne ihre Stabilisatoren Christoph Kramer (jetzt in Leverkusen) und Max Kruse (jetzt in Wolfsburg) eine Saison bestreiten müssen, die noch härter wird als die vergangene. Im Sog der Champions-League-Höhepunkte kann so manches Bundesliga-Spiel leicht ins Wasser fallen. Dass man mit dieser Dortmunder Negativ-Erfahrung die vielleicht attraktivste Saison der vergangenen vier Jahrzehnte aber gleich eröffnet, ist trotzdem ein Kuriosum. Gladbach muss jetzt das Feld von hinten aufrollen. Ihr Film zeigt ihnen noch einmal, wie das geht.

© SZ vom 23.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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