Gladbach-Profi Raffael:Der Künstler fühlt sich unwohl

FC Bayern Muenchen v Borussia Moenchengladbach - Bundesliga

Favres Liebling: Der Brasilianer Raffael folgte seinem Trainer Lucien Favre einst von Zürich nach Berlin - und 2013 nach Mönchengladbach.

(Foto: Matthias Hangst/Getty Images)
  • Mönchengladbachs Spielgestalter Raffael leidet unter einer Schaffenskrise.
  • Ihm fehlen die meisten seiner vertrauten Nebenleute und Torvorbereiter aus der vergangenen Spielzeit.
  • Eine von innen heraus verunsicherte Borussia taumelt ins Abenteuer Champions League.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

"Raffael", schreibt das Lexikon, "widmete sich in seinem Werk dem Ideal der Schönheit." Der Künstler Raffaello Santi, italienischer Maler der Renaissance, war den meisten nur unter seinem Vornamen bekannt. Dies hat er mit dem Brasilianer Raffael Caetano de Araujo gemein, der unter der Kurzform "Raffael" für Borussia Mönchengladbach spielt und sein Leben diesbezüglich ebenfalls dem Ideal der Schönheit widmet.

Doch der Fußballästhet Raffael, 30, leidet wie viele Künstler immer wieder unter Schaffenskrisen. Das wäre nicht weiter dramatisch, würde ihn seine gegenwärtige Blockade nicht ausgerechnet zur Vereinspremiere der Gladbacher in der Champions League ereilen. Wenn die Borussia an diesem Dienstagabend beim FC Sevilla antritt, dann sucht eigentlich die ganze Mannschaft, besonders aber sucht ihr im seelischen wie im taktischen Zentrum aktiver Brasilianer verzweifelt nach Inspiration.

Kreativer Kopf und Spielgestalter

Der Fußballtrainer Lucien Favre ist ein Mann der Kunst und der Kultur. Wohl auch deshalb hat er auf unterschiedlichsten Stationen immer wieder Raffael, den Fußballer, zu sich geholt: beim FC Zürich, bei Hertha BSC und auch in Mönchengladbach. Raffael spielt die dritte Saison bei der Borussia und ist als kreativer Kopf und Spielgestalter für jede spielerische Laune dieser Mannschaft mitverantwortlich. In guten wie in schlechten Zeiten.

Zurzeit durchlebt Gladbach eine ganz üble Phase. Die Mannschaft ist mit vier Niederlagen in die Bundesliga gestartet. Eine seltsame Verlorenheit im Mittelfeld, Zuspiele ins Leere, Verunsicherung, mangelnde Gelegenheit zum Torschuss - es gibt viele Unzulänglichkeiten aufzuführen in der Mannschaft. Die ungeschmeidigen Ballverluste des sonst so geschmeidig aufspielenden Raffael symbolisieren die Krise bloß besonders augenfällig. Favre, der öffentlich nie ein schlechtes Wort über Raffael verlöre, sagt immerhin: "Er ist nicht in Topform." Raffael benötige aber auch ein funktionierendes Team um sich herum, erklärt der Trainer - und genau das ist die Borussia momentan nicht.

Wechselnde Kontaktmänner

Man kann dieses Formloch auch daran festmachen, dass ihm die meisten seiner vertrauten Nebenleute und Torvorbereiter aus der vergangenen Spielzeit momentan schmerzlich fehlen. Patrick Herrmann, der Raffael drei Tore vorbereitete, ist ebenso verletzt wie Fabian Johnson und Alvaro Dominguez, die ihm je einen Treffer auf- legten. Max Kruse, der Raffael zwei Tore vorbereitete, ist nach Wolfsburg gewechselt, und Christoph Kramer, der ihm einen Treffer auflegte, nach Leverkusen.

Ein rascher Blick auf die Aufstellung macht also deutlich, was sich verändert hat: In der besten Phase seiner Gladbacher Zeit, in der vergangenen Rückrunde, spielten hinter Raffael Granit Xhaka und Kramer, links Johnson, rechts Herrmann und vor ihm Kruse. Von diesen fünf ist beim Gastspiel in Sevilla kein einziger dabei. Hinter Raffael spielen diesmal womöglich Tony Jantschke und Havard Nordtveit, links Thorgan Hazard, rechts Ibrahima Traoré und vorne Lars Stindl. Der Trainer Favre hat mehrere Variationsmöglichkeiten. Gesetzt ist im Zentrum nur Raffael, doch der fühlt sich leider merklich unwohl zwischen lauter immer wieder wechselnden Kontaktmännern.

"Wir haben nichts zu verlieren"

Und so taumelt eine von innen heraus verunsicherte Borussia ins Abenteuer Champions League. "Wir haben nichts zu verlieren", sagt trotzig Sportchef Max Eberl. "Wir sind wild entschlossen, uns in Sevilla mit einer guten Leistung aus unserer schwierigen Lage zu befreien", sagt kämpferisch der Abwehrspieler Roel Brouwers.

1978 hat Gladbach letztmals im Europapokalwettbewerb der Meister mitgespielt und 1974 (4:2 in Saragossa) letztmals ein Europapokalspiel in Spanien gewonnen. Viele Statistiken der Vergangenheit machen aus diesem Dienstag einen besonderen Tag für die Gladbacher Vereinsgeschichte. Auch deshalb vertrauen sie darauf, dass der Künstler Raffael samt seiner Nebenleute rechtzeitig die nötige Kreativität zurückerlangt.

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