Mönchengladbach - Köln (18 Uhr):Flatterfuß

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2016 schoss Marcel Risse im Derby gegen Borussia Mönchengladbach das Tor des Jahres mit einem Freistoß à la Cristiano Ronaldo. Nun kehrt er nach einem Kreuzbandrisss zurück - gegen den Lokalrivalen. (Foto: Marius Becker/dpa)

Seit seinem Zaubertor in Gladbach hat Marcel Risse kaum noch gespielt. Rechtzeitig zum rheinischen Derby ist der Kunstschütze wieder fit.

Von Milan Pavlovic, Köln

Die letzten Bilder vom Fußballer Marcel Risse, an die man sich erinnert, stammen aus dem November 2016, aus einem Spiel bei Borussia Mönchengladbach: ein indirekter Freistoß aus fast 35 Metern, halblinke Position, der junge Özcan tippt die Kugel kurz an, sein Kölner Kollege erdreistet sich, aus dieser Entfernung mit rechts abzuziehen. Was dann passiert, ist aus unzähligen Wiederholungen und Umfragen nach dem schönsten Treffer der Saison bekannt, man kann es sich immer wieder ansehen: Der Ball flattert auf das Tor zu, ändert dreimal die Richtung und schlägt jenseits der Arme des Gladbacher Torwarts Yann Sommer im entfernten Winkel ein - zum 2:1-Siegtor in dem aus Kölner Sicht wohl wichtigsten Derby, erzielt von einem gebürtigen Kölner.

Das war natürlich zu kitschig, um von Dauer zu sein. Und prompt kam für Risse das vorzeitige Saisonende. Nur zwei Wochen später, bei einer Bewegung, die so unscheinbar war, dass sie allenthalben vergessen wurde, riss sein vorderes Kreuzband im Knie. Danach verfolgte Risse den Rest der Spielzeit als Edel-Fan auf der Tribüne, freute sich über den Sprung seines Teams auf Platz fünf und damit auf die europäische Bühne und rackerte ansonsten hart für sein Bundesliga-Comeback. Dieses findet am Sonntag um 18 Uhr statt - wie es das Fußball-Drehbuch so will, natürlich in Mönchengladbach.

Erstmals seit vielen Jahren ist der FC der Gejagte

Ob das eine gelungene Pointe ist, wird sich noch zeigen. Es sei aber gut, gleich "mit einem besonderen Spiel" zu starten, findet Risse, "weil wir alle sofort bei 100 Prozent sein müssen. Es gibt keine Ausreden". Wobei die Kölner zum ersten Mal seit vielen Jahren mehr zu verlieren haben: Als Überraschungs-Fünfter der vergangenen Saison schwebten die FC-Fans und -Spieler wie auf einer Glückswolke durch den Sommer. Nun müssen sie sich ohne den nach China gewechselten Goalgetter Anthony Modeste (25 Tore) beweisen. Trotzdem sagt Trainer Peter Stöger: "Es ist genau das richtige Spiel nach so einer langen Zeit."

Die Kölner werden jetzt gejagt, besonders von jenen Klubs, die sie zuletzt hinter sich gelassen hatten. Also auch von Gladbach, das im vergangenen Jahr an einer unerklärlichen Heimschwäche litt (nur 26 von 51 möglichen Punkten). Um sich zu verbessern, holte der Klub in dieser Woche zum wiederholten Mal den bulligen Brecher Raul Bobadilla zurück (diesmal vom FC Augsburg) - und bestimmt nicht nur, weil er Derby-Erfahrung hat: Im November 2010 war dem launischen Stürmer beim 4:0-Sieg der Borussia gegen Köln ein Doppelpack gelungen.

Dass der FC Favorit sein soll, sieht Gladbachs Trainer Dieter Hecking nicht: "Favorit, na ja", sagte er dem Express. "Die Kölner werden uns nichts schenken, aber wir spielen zu Hause und wollen gewinnen." Er rechnet mit einem "Geduldspiel. Die Kölner spielen sehr diszipliniert, sind laufstark und schalten über ihre schnellen Leute exzellent um". Und sie haben Spieler für die besonderen Situationen. So wie Marcel Risse.

Darauf angesprochen, ob er einen seiner diabolischen Schnibbel-Fernschüsse loslassen werde, antwortete Risse differenziert: Der neue Liga-Ball, sagte er dem kicker, "flattert anders: Die Kugel ist ein bisschen leichter, sodass ich nicht die Kraft reinlegen kann wie im vergangenen Jahr". Aber "je häufiger ich es probiere, desto besser wird das Gefühl". Gladbach wäre also gut beraten, in der eigenen Hälfte keine Fouls zu begehen.

© SZ vom 20.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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