Mönchengladbach:"Das sind dumme Menschen"

GER, Borussia Mönchengladbach (GER) vs. Manchester City (ENG)

Es hätte ein schöner Abend für Borussia Mönchengladbach werden können. Doch dann wurde es frustrierend. Oscar Wendt (Nummer 17) vergab die große Chance zur 2:0-Führung.

(Foto: Meuter/Nordphoto)
  • Nach dem 1:1 von Borussia Mönchengladbach in der Champions League gegen Manchester City platzt Manager Max Eberl der Kragen.
  • Grund sind Pfiffe und die allgemeine Anspruchshaltung einiger Fans gegenüber der Borussia.
  • Eberl erinnert an die Relegation vor einigen Jahren, als der Klub gerade noch den Abstieg in die zweite Liga verhinderte.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

An der Oberfläche herrschte Ruhe bei Borussia Mönchengladbach: "Wir sind sehr zufrieden", sagte Trainer André Schubert am Mittwochabend auf dem Podium im Scheinwerferlicht. "Unser Ziel haben wir erreicht", sagte Abwehrspieler Nico Elvedi trotz des versäumten Einzugs ins Champions-League-Achtelfinale. Auch das Publikum hatte großteils den Fußballern applaudiert. Gladbach war stolz auf sein 1:1-Unentschieden gegen Manchester City - und auf den dritten Gruppenplatz, der im kommenden Frühjahr zumindest in die K.o.-Phase der Europa League führt. Doch dieser scheinbar harmonische Abend endete kurz vor Mitternacht im Bauch des Stadions mit einer Tirade des Sportdirektors Max Eberl.

Es hatte im Laufe des Spiels auch Pfiffe gegeben anlässlich der Gladbacher Auswechslungen, zudem genervtes Raunen auf den Tribünen, wenn es den Fans bei Borussias Spielaufbau nicht schnell genug nach vorne ging. "Großartig", lautete in der Retrospektive Eberls erstes Wort zum Spiel und zum Ergebnis, aber dann steigerte er sich zu einer Generalkritik an den enorm hohen Erwartungen im Borussia-Park, in die sich zuletzt auch Skepsis am Trainer Schubert gemischt hatte.

"Ich spüre hier eine Stimmung, die du mit dem Messer zerschneiden kannst", sagte Eberl. "Das macht mir ein bisschen Angst, das finde ich gefährlich."

Champions League? "Es kann sein, dass Gladbach diese Hymne jetzt jahrelang nicht mehr hört."

Eberl schimpfte, weil er sich offenbar ausgerechnet nach dem Achtungserfolg gegen Pep Guardiolas Citizens um die Früchte der jahrelangen Arbeit gebracht fühlt: "Ich habe immer noch den Jubel vor Augen, als alle an der Eckfahne standen und 2011 den Relegationssieg gegen Bochum feierten", sagte er: "Ich habe hier Zeiten erlebt, da haben die Leute gesagt: 'Bitte, bitte, nur einmal in den Europapokal'; jetzt sind wir schon zum vierten Mal dabei und spielen 1:1 gegen Manchester City, aber die Leute gehen nach Hause als wär's business as usual - und damit kann ich nur ganz schlecht umgehen."

In der Stadt und in den Gladbacher Internetforen ist derzeit vor allem der enttäuschende 13. Bundesliga-Platz das Thema. Einige machen den Trainer verantwortlich. Als Schubert am Mittwoch die Gelb-Rot-gefährdeten Raffael und Mahmoud Dahoud auswechselte (Lars Stindl war zuvor bereits des Feldes verwiesen worden), pfiffen Tausende Fans. "Das sind dumme Menschen", sagte Eberl wütend. Denn sie hätten den Grund der Auswechslungen gar nicht verstanden. "Sie haben gedacht, dass Schubert defensiv spielen will. Da wollen einige nur ihren Frust loswerden, und wer hierherkommt und erwartet, dass man Manchester City aus dem Stadion fegt, der soll nach München fahren."

Eberl erinnert an Lucien Favre

Gladbach wird in diesem Herbst zum Opfer seines fünfjährigen Aufschwungs. Teile des Publikums sind ungeduldig. "Es ist leichter, aus dem Keller nach oben zu kommen, als ein gewisses Niveau erreicht zu haben und dann noch höher zu steigen", erklärte Eberl. Es könne aber nicht immer nur steil nach oben gehen: "Wir sind mit der Situation auch nicht zufrieden, und ich verteidige auch nicht unsere Leistungen, sondern ich verteidige eher mich persönlich, denn ich habe die Leute offenbar nicht so vor dieser Situation warnen können wie Lucien Favre das früher geschafft hat."

Unter dem allseits respektierten Schweizer war Gladbach aus dem Tabellenkeller in die Champions League gestürmt, hatte zwischendurch aber auch mal eine Saison des Atemholens einlegen müssen. Nach Favres Rücktritt im September 2015 führte Schubert den Erfolg fort. Doch nun stockt der Aufschwung, und dafür haben viele Zuschauer kein Verständnis mehr. Eberl erlag dem Irrglauben, man habe "nach den vergangenen Jahren mehr Bonus bei den Fans", er bereitete die murrenden Teile des Publikums gar auf noch schwierigere Zeiten vor: "Nächstes Jahr nenne ich als Ziel nicht mehr einen einstelligen Platz, sondern dass wir nicht absteigen wollen", sagte er erkennbar trotzig.

In seine Wut mischte sich womöglich auch ein bisschen Wehmut, denn das 1:1 gegen Manchester könnte das letzte Champions-League-Heimspiel für längere Zeit gewesen sein. "Es kann sein, dass Gladbach jetzt ein oder zwei, vielleicht aber auch sieben oder acht Jahre lang keine Champions-League-Hymne mehr hört", sagt Eberl, "aber ich weiß auch nicht, was die Leute erwarten; ich halte es für gefährlich, jetzt das große Ganze in Frage zu stellen."

Bis Weihnachten haben die Gladbacher Gelegenheit, ihr Publikum wieder zu beruhigen. Die bevorstehenden Spiele sind dazu geeignet (Samstag gegen Hoffenheim, danach Dortmund, Mainz, Augsburg und Wolfsburg), aber sie sind auch gefährlich, denn bei weiterem Misserfolg könnte es richtig ungemütlich werden. Eberl hielt auch deshalb die mitternächtliche Grundsatzrede: "Ich bin jetzt seit 17 Jahren in diesem Verein, ich habe verdammt viel miterlebt - vielleicht hatte ich jetzt auch das Recht, das alles mal zu sagen."

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