Mixed-Staffel zum Auftakt der Biathlon-WM:Das Beste kommt am Anfang

Der Beigeschmack von Feierabendtennis, der dem Namen "Mixed" anhaftet, ist verflogen: Die einst belächelte gemeinsame Biathlon-Staffel der Frauen und Männer wird von den Sportlern als Top-Event gepriesen - und avanciert zum heimlichen Höhepunkt der WM in Ruhpolding.

Volker Kreisl, Ruhpolding

Arnd Peiffer sagt, er staune immer noch jedes Mal. Es überrasche ihn immer noch, wenn er vor diesem etwas anderen Wettkampf zum Anschießen, also zum Einstellen des Visiers, auf die Matte tritt, sich umschaut und dann denkt: "Mensch, da sind auch die Frauen am Schießstand."

Arnd Peiffer

"Mensch, da sind auch die Frauen am Schießstand" - Biathlet und Mixed-Starter Arnd Peiffer

(Foto: dpa)

Trainer, Betreuer und Athleten der jeweils anderen Abteilung haben ja einen ganz anderen Terminplan, und nur ausnahmsweise helfen sie sich im Rennen gegenseitig aus. Dass sie aber eine Biathlon-WM mit der Mixed-Staffel gemeinsam eröffnen, ist ein neuer Effekt für das Mannschaftsgefühl: "Alle sind auf der Strecke, das ganze Team ist gefordert", sagt Peiffer. Der Schwung eines Erfolgs, den sich zum Start jeder wünscht, wirkt doppelt.

Peiffer zählt zu den erprobten Mixed-Läufern, er hat die vergangenen drei WM-Staffeln mitgemacht und erst Bronze, dann Gold und dann Silber gewonnen. Er wird am Donnerstag nach Andrea Henkel, Magdalena Neuner und Andreas Birnbacher Schlussläufer sein, und er zählt zu den Biathleten, die diese Wettkampfform nun offen als Top-Format preisen.

Die Mixed-Staffel, sagt er, habe das Zeug dazu, die neue Königsdisziplin im Biathlon zu werden: "Das Potential dazu ist da." Der russische Frauen-Trainer Wolfgang Pichler sagt: "Das ist die am besten besetzte Disziplin." Medaillenprognosen seien extrem schwer, denn keiner könne sich sicher sein, "sogar Italien hat mit etwas Glück eine Chance".

Vor dem Frauen-Rennen nach Hause

Peiffer ist 24 Jahre alt, er hat die Anfänge des Biathlons noch nicht erlebt, in denen bei den Wettkampfplanern die erste Idee aufkam, zur Aufwertung der Frauen-Wettkämpfe, weibliche und männliche Athleten in ein Rennen zu stecken. Langläuferinnen waren längst anerkannt, aber schießende Langläuferinnen wurden noch nicht akzeptiert. In Ruhpolding ging das Publikum Ende der Achtziger nach Hause, wenn die Männer-Rennen entschieden waren und die Frauen starteten.

Wie in fast allen Männer-Sportwelten hielt sich dieses offene Vorurteil nicht lange, blieb aber als heimlicher Vorbehalt eine ganze Weile bestehen. Auch im deutschen Männerteam hieß es noch vor wenigen Jahren, Frauen-Siege seien mangels Konkurrenz leichter zu erringen als Männer-Siege, was bei den Frauen auf laute Empörung stieß, was wiederum Rückschlüsse aufs allgemeine Selbstbewusstsein im Frauen- Biathlon provozierte.

Das ist vorbei. Zwar fehlt immer noch vielen Verbänden, zum Beispiel dem österreichischen, eine schlagkräftige Frauen-Mannschaft, aber das Publikum macht keinen Unterschied mehr zwischen den Geschlechtern. In manchen Ländern haben sich die Verhältnisse sogar verkehrt: In Weißrussland und Russland holen Frauen mehr Siege als Männer; im Wintersportland Finnland spielen Biathleten im Gegensatz zu Biathletinnen immer noch keine Rolle; und in Deutschland gibt es zwar viele gute Biathleten, aber vor allem gibt es Magdalena Neuner.

Jeweils in Bestbesetzung

Als Maßnahme für mehr Gleichbehandlung ist die gemischte Staffel also nicht mehr erforderlich, und auch der Beigeschmack von Freizeitsport, von Feierabendtennis, der dem Name "Mixed" anhaftet, ist verflogen. Anders als noch 2007 in Antholz, als die Mixed-Staffel erstmals im Rahmen einer echten WM ausgetragen wurde, wollen in Ruhpolding alle gewinnen.

Es gibt keinen Verband mehr, der nicht in Bestbesetzung antritt. Norwegen schickt Symnöve Solemdal, Tora Berger, Ole Einar Björndalen und Emil Hegle Svendsen ins Rennen. Frankreich läuft mit Marie Dorin, Marie Laure Brunet und den Fourcade-Brüdern. Weißrussland mit Daria Domratschewa, Nastassia Duborezowa, Jewgeni Abramenko und Sergej Nowikov.

Die anderen Teams haben sich noch nicht festgelegt, aber sie werden nach demselben Prinzip verfahren. WM-Mixed als edle Praxisübung für Talente gibt es nicht mehr, es starten die jeweils Vordersten im Gesamtweltcup.

Peiffer glaubt, dass diese Entwicklung erst am Anfang steht. Aus Gründen, die im kleinen Einmaleins liegen, haben deutlich mehr Verbände die Chance auf eine Medaille. Viele, die in den klassischen Staffeln niemals vier konkurrenzfähige Biathleten aufbringen würden, sind gemischt vorne dabei: Zwei Frauen plus zwei Männer macht vier Medaillenkandidaten. Irgendwann müsse das Mixed-Feld vielleicht sogar begrenzt werden, glaubt Peiffer: "Dann werden 30 Schießstände nicht mehr ausreichen."

Vorerst sind das Träume, denn dazu wäre deutlich mehr Entwicklungsarbeit außerhalb Europas nötig. Für den Moment ist Mixed aber im Aufwärtstrend, weil es für jeden etwas bietet. Seit die Staffel auf den Donnerstag vor dem ersten WM-Wochenende gelegt wurde statt auf den Ruhetag danach, stellt sie keine Zusatzbelastung mehr dar.

Spitzenläufer wie Svendsen oder Neuner, die alle Wettkämpfe bestreiten, können auch mitmachen. Und für die schwächeren Nationen ist sie ohnehin eine Herausforderung, spätestens seit April 2011, seit der einst belächelte Wettkampf jenen Status erlangte, der jegliche Zweifel über die sportliche Bedeutung erübrigt: den olympischen.

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