Mixed Martials Arts:Nur nicht blinzeln

Der Ausgang des Streits zwischen Conor McGregor und dem Kampfsport-Verband UFC wird Aufschluss darüber geben, ob die Veranstaltungen künftig Sport sind oder doch Spektakel.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Natürlich hat Conor McGregor recht. Der irische Kampfsportler möchte sich gewissenhaft auf seinen Rückkampf gegen Nate Diaz bei der Veranstaltung UFC 200 am 9. Juli in Las Vegas vorbereiten. Das erste Duell im März hatte er überraschend verloren und die Niederlage nicht nur mit dem kurzfristigen Wechsel der Gewichtsklasse begründet, sondern auch damit, dass er zuvor durch die USA geschleift worden war, um den Kampf zu bewerben. Das sollte ihm nicht noch einmal passieren.

Der Kampfsport-Verband UFC wollte, dass McGregor sein Trainingslager in Island unterbricht und nach Las Vegas kommt. Er sollte an einer Pressekonferenz teilnehmen, ein paar Interviews geben, Werbefilmchen drehen und Sponsoren die Hände schütteln. Danach eine Tour, die in New York hätte enden sollen. Das übliche Gedöns im Kampfsport, das in einem Vertrag festgelegt ist, den McGregor unterzeichnet hat. Doch der hat plötzlich keine Lust mehr auf den Zirkus, dessen Attraktion er jedoch ist. Er blieb in Island und wurde vom Verband für den Kampfabend ausgeladen. Die UFC hat deshalb ebenfalls recht.

Was passiert, wenn ein Akteur glaubt, er sei größer als seine Disziplin?

Man muss diesen Streit in einem anderen, größeren Zusammenhang sehen: Was passiert, wenn ein Akteur glaubt, er sei größer als seine Disziplin?

"Ich werde bezahlt, damit ich kämpfe. Ich bin verloren im Spiel der Vermarktung und habe die Kunst des Kämpfens vergessen", schrieb McGregor auf Facebook, um die (selbst über Twitter gestreuten) Gerüchte um einen möglichen Rücktritt zu dementieren: "Ich muss tun, was richtig für mich ist. Ich muss jetzt alleine sein, um bereit zu sein für diesen Kampf gegen einen größeren und schwereren Gegner. Wenn das nicht genug für euch ist, wenn ich diese Werbeveranstaltung nicht aussetzen darf, dann weiß ich auch nicht mehr, was ich sagen soll."

BOSTON Featherweights Conor Notorious McGregor black trunks and Dennis Siver green shorts fig

Conor McGregor (r.) in einem Kampf gegen Dennis Siver.

(Foto: imago/ZUMA Press)

McGregor ist nicht nur ein grandioser Kämpfer, sondern auch ein begnadeter Banalredner und Selbstvermarkter. In seinem Eintrag lobt er sich selbst ("Ich habe dafür gesorgt, dass ihr alle mehr verdient.") und beleidigte alle anderen: "Ich habe euch mit meinem einem Tweet zehn Millionen Dollar für die Vermarktung gespart. Die könnt ihr nun dazu verwenden, all die anderen Penner zu vermarkten, die das nötig haben."

Die Reaktion von UFC-Chef Dana White: "Es wird immer wieder gesagt, dass ich Conor verhätschle, dass ich Conor beschütze und dass Conor tun kann, was immer er will. Nein, kann er nicht. Klar geben wir ihm eine Menge Spielraum, weil er auch Leistung bringt. Du kannst aber nicht einfach nicht zur Bewerbung deiner Kämpfe erscheinen. Ich bin nicht sauer. Als Conor aus dem Kampf genommen wurde, haben direkt zehn Leute angerufen, die ihn ersetzen wollen."

Es wirkt nun so, als würden sich McGregor und White gegenüberstehen und darauf warten, dass der andere zuerst blinzelt.

Der Verband vermarktet die Athleten über deren Charisma

Der Verband vermarktet sich bei allen sportlichen Fähigkeiten derzeit vor allem über das Charisma seiner Protagonisten. Wer weiß denn schon, wer gerade UFC-Champion im Weltergewicht ist? Oder im Bantamgewicht der Frauen? Der Vollständigkeit halber: Es sind Robbie Lawler und Miesha Tate. Die Masse jedoch, die über die Bestellung der Kämpfe auf Pay-per-View die enormen Einnahmen finanziert, interessiert im Weltergewicht der geplante Rückkampf zwischen McGregor und Diaz - und im Bantamgewicht der Frauen das geplante Comeback von Ronda Rousey nach ihrer Niederlage gegen Holly Holm im vergangenen November.

Rousey ist eine Berühmtheit, weit über den Kampfsport hinaus, sie spielt in Hollywood-Filmen mit, sie zierte das Cover der Swimsuit-Edition von Sports Illustrated und war im vergangenen Jahr die Person mit den weltweit drittmeisten Suchanfragen auf Google. McGregor war im März der erste UFC-Kämpfer, dessen Kampfbörse noch vor den Boni durch Pay-per-View-Einnahmen garantiert eine Million Dollar betrug - insgesamt sollen es zehn Millionen Dollar gewesen sein. Die beiden könnten tatsächlich glauben, dass sie größer sind als der Sport, den sie betreiben.

Mixed Martials Arts: Keine Lust mehr auf den Zirkus: UFC-Kämpfer McGregor erschien nicht zu einer Pressekonferenz. Verbandspräsident Dana White (l.) sieht das nicht gern.

Keine Lust mehr auf den Zirkus: UFC-Kämpfer McGregor erschien nicht zu einer Pressekonferenz. Verbandspräsident Dana White (l.) sieht das nicht gern.

(Foto: John Locher/AP)

Die UFC: Ein Zirkus mit 600 Millionen Dollar Jahreseinnahmen

Man kann Mixed Martials Arts als "menschlichen Hahnenkampf" abtun, wie es der US-Senator John McCain getan hat. Man kann es für die faszinierende Suche nach dem weltweit besten Kampfsportler halten. Das muss jeder Beobachter für sich entscheiden. Was nicht zu leugnen ist: Es ist nach Einnahmen gerechnet die weltweit am rasantesten wachsende Disziplin, die UFC hat im vergangenen Jahr mehr als 600 Millionen Dollar eingenommen. Sponsoren wechseln vom Boxen, aber auch von anderen Sportarten wie Tennis und Golf zum Kampfsport - in diesem Jahr werden Einnahmen in Höhe von knapp 800 Millionen Dollar erwartet.

Die UFC gleicht derzeit einem Zirkus, der über blutige Attraktionen Aufmerksamkeit generiert und dadurch Geld verdient. Der Verband, der gleichzeitig auch als Veranstalter auftritt, reguliert sich weitgehend selbst. Die Kämpfer sind selbstständige Unternehmer, sie dürfen sich nicht zu einer Gewerkschaft zusammenschließen wie in anderen Disziplinen. Der Ausgang des Streits zwischen McGregor und der UFC und die daraus resultierenden Konsequenzen werden Aufschluss geben darüber, ob die UFC-Veranstaltungen künftig als Sport gewertet werden können oder nur als Spektakel gelten müssen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: