Mittelfeldspieler beim DFB:Überschuss im Sechserland

Mittelfeldspieler beim DFB: Drei für Jogi? Joshua Kimmich, Julian Weigl und Johannes Geis (von rechts).

Drei für Jogi? Joshua Kimmich, Julian Weigl und Johannes Geis (von rechts).

(Foto: Getty Images)
  • Julian Weigl, Joshua Kimmich, Johannes Geis - diese Spieler dürften bald auch für die Nationalelf in Frage kommen.
  • Zwei junge Spieler hat Pep Guardiola Joachim Löw schon empfohlen.
  • Im Mittelfeld hat der Bundestrainer künftig fast zu viele Möglichkeiten.

Von Jonas Beckenkamp

Neulich ist Pep Guardiola fremdgegangen. Zwar arbeitet er nach gesicherten Erkenntnissen immer noch als Trainer in der Bayern-Familie, aber das hielt ihn nicht davon ab, der Scouting-Abteilung des Deutschen Fußballbundes (DFB) ein paar Dienste zu erweisen. Guardiola hatte aus nächster Nähe Informationen gesammelt und vom Spielfeldrand erst dem Mittelfeldspieler Joshua Kimmich zugeschaut und dann Julian Weigl, ebenfalls Mittelfeldspieler. Kimmich (20) und Weigl (20) zählen zur Gattung der sogenannten "Sechser", einer Spezies mit Zukunft.

Weil sie als besonders entwicklungsfähig gelten und im van Gaalschen Sinn auch gut "fußballen" können, gelten sie als Lieblingswesen von Guardiola. Sein Scouting-Bericht zu Kimmich fiel so aus: "Jogi Löw hat eine neue Option. Ich bin mir sicher: Er wird früher oder später Nationalspieler." Das sagte Guardiola nach dem 5:0 der Bayern gegen Dinamo Zagreb. In der Zentrale der Bayern hatte Kimmich zum wiederholten Mal eine sehr ordentliche Rolle gespielt - oder wie Guardiola blumig formulierte: "Er hat Wahnsinn gespielt", dieser Kimmich sei eine "Wahnsinnsinvestition in die Zukunft".

"Ich kannte ihn nicht", sagt Guardiola

Der Münchner mit dem Bubengesicht verkörpere "absolut alles, was ein Fußballer braucht. Er ist sehr intelligent, sehr aggressiv gegen den Ball, gut im Umschalten, kopfballstark, hat gute Augen, sieht sehr gut, wo freier Raum ist. Er ist ein wahnsinniger Spieler." Ähnliche Heldentaten bescheinigte Guardiola auch Weigl, den er beim Spiel gegen Dortmund live vor sich herumwuseln sah. Auf der Kommandobrücke des BVB hatte der viele kluge Dinge vollbracht, die nach dem 1:5 seiner Dortmunder natürlich ein wenig untergingen.

"Ich bin von ihm begeistert. Ich kannte ihn nicht", musste Pep G. zugeben - dabei hatte Weigl jahrelang beim Stadtrivalen 1860 München gespielt. "Er bringt fußballerisch alle Voraussetzungen mit. Er ist sehr wichtig für Dortmund, ohne ihn würde es für Dortmund anders aussehen. Genauso wie Kimmich wird er auch irgendwann Nationalmannschaft spielen." Von Pep Guardiola kennt man solche Schwärmereien, aber dass der Bayern-Coach dem Bundestrainer gleich zwei deutsche Mittelfeldmänner so anpreist, ist doch neu.

Mit Löw verbindet Guardiola die Sehnsucht nach der Neuerfindung des Spiels. Lösungen finden, den Gegner sezieren, Ballbesitz - das ist ihr Forschungsgegenstand. Insofern ergibt es Sinn, dass sich beide für die Protagonisten jener Position erwärmen, die in der Moderne des Fußballs als bedeutsamste gilt: die Sechserposition. Noch haben Weigl und Kimmich von Löw keine Einladung für die Nationalelf erhalten, sie kommen gemeinsam ja auch erst auf zwölf Bundesliga-Einsätze - Kimmich spielte einmal über 90 Minuten. Und doch stehen sie stellvertretend für einen Trend, der dem Sechserland Deutschland bald noch mehr DFB-taugliche Jungprofis bescheren könnte.

Auf keiner Position schwappt der Talentpool derart über, nirgends kann Löw so viel tüfteln. Neben den Etablierten um Toni Kroos, 25, Bastian Schweinsteiger, 31, Sami Khedira, 28, und Ilkay Gündogan, 24, steht ihm auch eine Gruppe Zweitsechser zur Verfügung: In ihr warten diverse Benders, beide 26, Christoph Kramer, 24, Sebastian Rudy, 25, Emre Can, 21, und Leon Goretzka, 20, auf ihre Chance. Besonders letzterer hat es dem Trainerteam des DFB angetan - ihm vermieste im vergangenen Sommer erst erhebliches Verletzungsunglück die WM-Teilnahme.

Gerhardt? Dahoud? Goretzka?

Seine Vielseitigkeit schätzt Löw enorm, zudem verspricht er sich von ihm langfristig jene Wettkampfhärte, mit der es die ganzen Schnickser und Trickser im Nationalteam manchmal nicht so genau nehmen. Und Goretzka bringt noch einen Vorteil mit: Er kann (wie in Schalke öfter praktiziert) auch ins rechte Mittelfeld rücken. Zu diesem Überschuss an Rennern, Kämpfern und Strategen gesellt sich nun noch die dritte Riege, der Weigl und Kimmich angehören. Ebenso wie der Schalker Johannes Geis, 22, und Gladbachs Mahmoud Dahoud, 19, oder der Kölner Yannick Gerhardt, 21, der auch als Linksverteidiger eine Option ist (und die kann man sich laut Löw "nicht schnitzen").

Sie alle dürfen sich angesprochen fühlen, wenn Löw wie zuletzt seine Lust aufs Experimentieren kundtut. "Es ist gut, dass wir einen Konkurrenzkampf bekommen über die Kadernominierung hinaus. Dass Spieler nachdrängen, andere wieder reinwollen", orakelte Löw zum Abschluss der EM-Qualifikation. "Wir werden im November einige Spieler testen", kündigte der Bundestrainer für die Partien gegen Frankreich (13. Oktober/Paris) und die Niederlande (17. Oktober/Hannover) an.

Geis könnte bald nominiert werden

Bei Geis rechnen viele Beobachter schon länger mit einer Nominierung. Der ehemalige Mainzer hat sich unter dem neuen Schalker Trainer Andre Breitenreiter als wuchtige Führungskraft etabliert, seine Geschosse bei Standards sind ein nettes Extra. Einen Spieler wie ihn, der nicht nur vom Aussehen an Schweinsteiger erinnert, könnte das Nationalteam auf lange Sicht gut gebrauchen - zumal der echte Schweinsteiger ja eventuell nach der EM 2016 aufhört. Mehr Temperament als der zuletzt ins Pomadige abdriftende Kroos brächte Geis auch mit.

Noch hält sich der Schalker Juniorchef mit Forderungen zurück: "Leader hat die Nationalelf eigentlich genug, da sind wir sehr gut aufgestellt. Aber ich wäre natürlich nicht abgeneigt, wenn ich mal eingeladen werden sollte." Ähnliche Zurückhaltung ist bisher auch bei Weigl zu vernehmen - trotz seiner beeindruckenden Passquote von 91 Prozent: "Wenn man sieht, wer alles diese Mannschaft schon durchlaufen hat, dann hat man natürlich auch das Ziel, den Weg zu gehen wie die anderen Jungs, die A-Nationalspieler sind und sich in der Welt etabliert haben", sagte Weigl am Dienstag bei Sport1.

Aber weil er bei Thomas Tuchel in Dortmund seit der ersten Minute Stammspieler ist, gönnte er sich dann doch ein wenig optimistisches Selbst-Scouting. "Ich sehe schon, dass ich einen großen Schritt gemacht habe", meinte der gebürtige Bad Aiblinger: "Ich wusste nicht, wie schnell es gehen würde. Ich wollte in Dortmund ankommen und Spielminuten sammeln." So kann es laufen, wenn plötzlich Guardiola zum größten Fürsprecher eines jungen Fußballers wird.

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