Mitgliederversammlung des 1. FC Nürnberg:Bloßgestellt in 16 Sekunden

Mitgliederversammlung des 1. FC Nürnberg: Schwer in der Kritik: Nürnbergs Aufsichtsratsmitglied Günther Koch

Schwer in der Kritik: Nürnbergs Aufsichtsratsmitglied Günther Koch

(Foto: David Ebener/dpa)

Ist das noch Profifußball? Ein Aufsichtsrat mit FC-Bayern-Schal, skurrile Zwischenrufe und eine groß angekündigte Palastrevolution. Die Mitgliederversammlung des 1. FC Nürnberg entwickelt sich zur Provinzposse.

Von Matthias Schmid

Um 2.45 Uhr am frühen Mittwochmorgen war dann auch die Mitgliederversammlung des 1. FC Nürnberg beendet, nach mehr als acht Stunden. Es war nicht nur eine lange Versammlung, es war eine Versammlung, die die Anwesenden so schnell nicht vergessen werden. Eine, die zwischen Trauerspiel und Komödienstadl changierte und die es im Laufe des Abends als Hashtag #FCNJHV in die deutschen Twitter-Trends geschafft hat.

"Den Tweets nach ist die Jahreshauptversammlung des 1. FC Nürnberg die beste Comedyshow seit immer", hat ein User erkannt. Als Fan des 1. FC Nürnberg ist man ja einigen Kummer gewohnt. Immer diese emotionalen Achterbahnfahrten, diese sportlichen Dramen mit Auf- und Abstieg, finanzielle Exzesse. Doch diesmal waren es weder finanzielle oder sportliche noch personelle Gründe, die die Mitgliederversammlung 2014 so unvergesslich gemacht haben, sondern ein 16-sekündiges Video auf Youtube.

Es waren 16 Sekunden, die viel über den Klub aussagen. Über seine Befindlichkeiten, über Gerüchte, Halbwahrheiten und Intrigen. Eigentlich war ja alles für eine Palastrevolution vorbereitet. Die Initiative "ProClub 2020" um den ehemaligen Aufsichtsrat Hanns-Thomas Schamel forderte mit großspurigen Versprechungen einen radikalen Neustart des 1. FC Nürnberg, ohne Sportvorstand Martin Bader und Finanzvorstand Ralf Woy. "Der Aufsichtsrat darf sich nicht länger von angestellten Vorständen auf der Nase herumtanzen lassen, die in anderen Unternehmen für manche Äußerungen in den letzten Tagen fristlos entlassen worden wären", schrie Schamel bei seiner Vorstellung.

16 Kandidaten waren angetreten. Unter anderem Schamel, der "Meerrettich-König" aus Baiersdorf. Drei Minuten hatten sie Zeit, für sich zu werben. Alle redeten länger, auch weil immer wieder verblüffende Zwischenrufe ("Wie lauten die Lottozahlen am Samstag?") den Ablauf störten. Am Ende wurde aber nur über einen geredet: über Günther Koch. Der ehemalige Radioreporter des Bayerischen Rundfunks stand dabei gar nicht zur Wahl. Sein Aufsichtsratsmandat läuft noch ein Jahr. Doch drehte sich früh schon alles um ihn. Auch er hatte in den Tagen davor viel Kritik an Bader geübt. Doch meinte es auch ernst? Einige der anwesenden Mitglieder trauten Koch nicht, also stellten sie einen Dringlichkeitsantrag, um ihn abzuwählen.

Franken ist der bessere Teil Bayerns

Aus der Mitgliederversammlung entwickelte sich in Sekundenschnelle ein skurriles bis peinliches Volksspiel, eine Provinzposse, die im Netz aber schnell ein große Anhängerschaft fand. Auf der Leinwand war Günther Koch zu sehen, auf einem Youtube-Video. Der Clip dauert 4:14 Minuten und ist mit der Überschrift versehen: "Drunk football correspondent (funny)", betrunkener Fußball-Korrespondent, damit ist eigentlich alles gesagt.

Das Video zeigt Koch nach dem Champions-League-Finale 2013 mit Weißbierglas und - jetzt kommt's - mit dem Schal des FC Bayern, leicht lallend wird der Korrespondent ins BBC-Studio geschaltet. Ein Tabubruch. Kann dieser Mann ein echter "Clubberer" sein? Die Mehrheit der 2016 anwesenden Mitglieder meinten nach einer leidenschaftlichen Diskussion ja, sie stimmten mit 940:830 Stimmen gegen den Dringlichkeitsantrag. Applaus und Buhrufe waren die Folge, gleichverteilt wohlgemerkt.

"Den Club zu lieben, bedeutet noch lange nicht, Bayern, Fürth, Augsburg, Dortmund oder Buxtehude zu hassen", sagte Koch zu seiner Verteidigung. Solche lustigen Beiträge gehören zu seiner Berufsausbildung als freier Journalist. Er fügte entschuldigend hinzu: "Die BBC als mein Auftraggeber verlangte den Schal als Deko." In dem Beitrag, der aus rechtlichen Gründen nur 16 Sekunden gezeigt werden durfte, ließ Koch nicht unerwähnt, dass er ein fränkisches Weißbier trinke. "Franken ist der bessere Teil Bayerns." Vielen Mitgliedern gefiel weder der Beitrag noch der Dringlichkeitsantrag. "Wollen wir uns damit in ganz Deutschland lächerlich machen?", fragte einer.

Die neuen Aufsichtsräte wurden dann doch noch gewählt. Zehn Minuten vor Mitternacht stand das Ergebnis schließlich fest. Sie heißen: Stefan Müller, Thomas Grethlein, Mathias Zeck, Johannes Bisping und Rainer Gömmel. Der Name von Hanns-Thomas Schamel war nicht dabei, die groß angekündigte Palastrevolution bleibt also aus. Und Martin Bader und Ralf Woy bleiben im Amt. Dass der früher so klamme Verein einen Überschuss von 409 000 Euro erwirtschaften und sein negatives Eigenkapital auf rund 1,1 Millionen Euro verringern konnte, interessierte die Mitglieder nur am Rande. Sie werden sich an diese positive Bilanz nicht mehr erinnern. Nur an Günther Koch, im Bayern-Schal, und dessen skurrilen Auftritt in der BBC.

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