Mitgliederversammlung beim TSV 1860:Triumph, Träume und ein Eklat

Mitgliederversammlung TSV 1860

Neuer 1860-Präsident: Gerhard Mayrhofer.

(Foto: dpa)

Viereinhalb Stunden dauert die turbulente Mitgliederversammlung, dann ist Gerhard Mayrhofer neuer Löwen-Präsident. Pfiffe und Buhrufe kontern die 1860-Funktionäre gewohnt eloquent - ein Vorwurf gegen Geschäftsführer Schäfer wirft indes neue Fragen auf.

Von Philipp Schneider

Die Kameras, die Mikrofone, sie waren plötzlich alle auf Robert Schäfer gerichtet, dabei stand er in dieser riesigen Halle etwa 50 Meter entfernt von dem Mann, zu dem sich jetzt eigentlich alle drehen müssten, der nun reden und erzählen müsste von seinem großen Sieg, der Geschäftsmann Gerhard Mayrhofer. Denn es war ja tatsächlich geschehen: der Turn- und Sportverein München von 1860 hatte wieder einen Präsidenten. Einen demokratisch legitimierten sogar.

Die erste Mitgliederversammlung des Vereins seit Jahren hatte Mayrhofer, der zuvor vom Verwaltungsrat nur bestellt worden war, soeben wie im Rausch abgenickt. Ihn, Mayrhofer, und auch seine Assistenten: die Vizepräsidenten Heinz Schmidt, Peter Helfer und Erik Altmann. Um drei Minuten nach 15 Uhr war die graue Fabrikhalle Zenith am Sonntag in die Farbe blau getaucht worden, in jenem Moment, als die Stimmzettel von fast allen der 923 anwesenden Mitglieder in die Höhe schnellten, bei nur 39 Gegenstimmen. Nur waren die Kameras jetzt auf Schäfer gerichtet, obwohl der als Geschäftsführer der Profifußballabteilung nicht viel mit dem Verein zu schaffen hat. Denn dies hier war 1860, also war die Versammlung mal wieder eskaliert.

"Ich habe ihn nicht angeschwärzt, er hat sich keinen Job besorgt" sagte Schäfer nun, und: "Wir sind verpflichtet, der Behörde das mitzuteilen, sollten die Voraussetzungen nicht mehr gegeben sein." Er, das war Noor Basha, der Cousin von Vereinsinvestor Hasan Ismaik, die Stimme des Jordaniers mit Wohnsitz in München. Schäfer sagte, dass er die Ausländerbehörde darüber hatte informieren müssen, dass der Jordanier - anders als von Schäfer einst schriftlich gegenüber der Behörde versprochen - keine Anstellung als Scout bei 1860 gefunden hat. Damit ist Bashas Aufenthaltsgenehmigung nun offenbar ausgelaufen. "Die wollten, dass ich in zwei Tagen die Koffer packe", sagte Basha: "Jetzt bleibt mir noch ein Monat Zeit."

Die Posse hatte sich ganz langsam hochgeschaukelt, Basha ist ja Vereinsmitglied, weswegen er irgendwann auf die Bühne getreten war, um etwas zu verlesen. Auf Deutsch. "Ich wünsche dem designierten Präsidium eine erfolgreiche Wahl", sagte Basha (und das überraschte dann doch einige), schob dann aber etwas Knackiges nach. Der Wahlslogan "Miteinander, nicht gegeneinander" solle auch "ein Signal sein an Robert Schäfer und Otto Steiner (ehemaliger Chef des Verwaltungsrats, der nur den Vorsitz kürzlich niederlegte; d. Red.), "die seit geraumer Zeit daran arbeiten, mich aus dem Verein zu vertreiben". Also meldete sich Schäfer wieder zu Wort, um zu beschwichtigen. "Kein Mensch will Noor Basha vertreiben", sagte Schäfer, "er will nur angestellt werden. Und weil es sich um ein beträchtliches Gehalt handelt, brauchen wir die Gelder vorab. Und das ist bis heute noch nicht passiert." Aber dann, ja dann meldete sich Dieter Schneider.

Der ehemalige Präsident saß in der ersten Reihe, er stand auf und sagte mit sehr ruhiger Stimme: "Ich habe mir vorgenommen, diese Veranstaltung nicht zu beeinflussen." Das tat er dann aber doch. Denn es sei "etwas vorgefallen, wozu ich Stellung nehmen möchte. Es geht um die Wahrheit." Also bezichtigte er Schäfer der Lüge: "Es stimmt, dass man sich nicht auf eine Anstellung einigen konnte. Was Robert Schäfer aber nicht gesagt hat, ist, dass er die Behörde darüber informiert hat, dass es kein Arbeitsverhältnis gibt. Und dass Noor Basha dadurch einen Ausreisebeschluss bekommen hat." Die Menschen in der Halle staunten, auch gab es Buhrufe. "Das hat Noor Basha mir heute morgen glaubhaft versichert", fuhr Schneider fort: "Ich denke, wenn wir an einer guten Zusammenarbeit mit dem Investor interessiert sind, dann sollten wir diese Dinge klarstellen." Schneider setzte sich wieder, er lächelte nicht. Und wer jetzt dachte, die Diskussion sei damit beendet gewesen, der täuschte sich gewaltig. Denn das alte Spielchen nahm seinen Lauf. Der Streit Basha gegen Schäfer wandelte sich in den bekannten Zank: Schäfer gegen Schneider.

Mayrhofer will Ismaik treffen

Der Geschäftsführer nahm sich abermals das Mikrofon, wandte sich direkt an Schneider und sagte: "Wenn dir Noor Basha heute morgen das versichert hat, wäre es gut, wenn du die Informationen erst von mir holst, statt es vermeintlich hier direkt vor der Versammlung aufzudecken." Applaus. Er sei eben dazu "verpflichtet, die unnötigen Ausgaben möglichst gering zu halten". Und mit den unnötigen Ausgaben meinte Schäfer: einen für den TSV 1860 München Talente sichtenden Investorencousin Basha, eigentlich gelernter Pharmazeut. Die Menschen, sie jubelten jetzt.

Natürlich konnte Gerhard Mayrhofer recht wenig dafür, dass sein großer Tag so derart überlagert wurde von der Causa Basha/Schäfer. Und Mayrhofer, 51, hatte ja sogar eine wahrlich flammende Rede gehalten auf dieser Mitgliederversammlung, auf der zuvor nahezu jeder Funktionär des Vereins einen Vortrag gehalten hatte. Selbst Sportdirektor Florian Hinterberger gab eine ziemlich detaillierte (fast 20-minütige) Einschätzung zum neuen Kader. Und eröffnet wurde die Versammlung von Hep Monatzeder, Sechzigs Übergangspräsident (der nach seiner Bestellung nie bestätigt wurde, weswegen noch immer nicht ganz klar ist, ob er überhaupt zu dieser Versammlung hätte laden dürfen), mit einem Satz, der eine friedliche Stimmung nahezu vorschreiben sollte: "Können wir uns vielleicht darauf verständigen, dass Sie nur klatschen?", fragte Monatzeder in die Runde, nachdem auch ihm nicht entgangen war, dass einige Mitglieder gemault und gebuht hatten, als Monatzeder Robert Schäfer begrüßt hatte.

Mayrhofer jedenfalls hielt genau jene Rede, die einer wohl halten muss, wenn er Präsident von Sechzig werden möchte. Als Mitglied, das einst wegen des Arenabaus aus dem Verein ausgetreten war, ging er ja ohnehin mit einem erheblichen Vertrauensvorschuss in die Wahl. Nun aber sprach er wirklich ALLES an, was Sechzig-Fans so gerne hören wollen, also vor allem einen neuen "Löwenkäfig". "Ihr könnt mich für verrückt erklären, aber ich glaube an den Aufstieg in diesem Jahr!", rief er auf der Bühne. Und damit dem großen Ziel auch nichts entgegenstehen wird, kündigte er schon mal mögliche Konsequenzen an.

"Wenn es am Anfang nicht so gut läuft und wir sehen, dass es nicht funktioniert, dann dürfen wir nicht ewig warten, sondern müssen schnell handeln." Auch wenn Mayrhofer nach der Rede zurückruderte, und, warum auch immer, über Pressesprecherin Lil Zercher ausrichten ließ, er habe damit keinesfalls Entlassungen in der Sportlichen Leitung andeuten wollen. Selbst mit Ismaik will Mayrhofer sich bald treffen, dem Investor, mit dem bekanntlich schon zwei Präsidenten, sagen wir, leichte zwischenmenschliche Schwierigkeiten hatten. Er werde "mit allergrößter Offenheit" irgendwann die Gespräche mit dem Jordanier bestreiten, denn: "Wir brauchen einen Plan für die Zukunft."

Mayrhofer ist nie involviert gewesen in die vielen fatalen Entscheidungen, die so manches, noch immer im Verwaltungsrat aktives Mitglied getroffen hat. Und diesen Umstand galt es nun zu feiern. "Es hat mich sehr geärgert, zu hören, ich sei ein Steiner-Spezi", sagte Mayrhofer, es sei vielmehr so: "Ich habe ihn erst vor ein paar Wochen kennengelernt." Ja, selbst die Vizepräsidenten kenne er kaum: "Ich hab den Heinz gekannt und den Erik, den Peter aber nicht." 1860 sei "lange genug ein Ausbildungscamp für Funktionäre gewesen". Und manchmal genügt schon ein einziger sehr wahrer Satz, dann hat einer eine Wahl ohne Gegenkandidat gewonnen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: