Mitarbeiter des Tages:Die Hand

England v Russia - Group B: UEFA Euro 2016

Englands Wayne Rooney (Nr. 10) und Eric Dier unterhalten sich hinter vorgehaltener Hand.

(Foto: Dan Mullan/Getty Images)

Fußball, das ist ein Sport, der mit allen Körperteilen betrieben wird. Das war zumindest 23 Jahre lang so, bevor 1871 den Feldspielern das Handspiel verboten wurde. Längst aber findet es wieder statt - bei Dialogen aller Art.

Von Johannes Kirchmeier

Fußball, das ist ein Sport, der mit allen Körperteilen, also auch mit den Händen, betrieben wird. Das war zumindest 23 Jahre lang so, bevor die in London ansässigen Regelhüter 1871 den Feldspielern das Handspiel verboten hatten - in Abgrenzung zum damals deutlich weiter verbreiteten Rugby. Die Hand wurde zum Nebendarsteller degradiert, sie durfte fortan nur noch vom Torwart eingesetzt werden.

Bis heute. Dennoch verstärkt sich mehr als 140 Jahre später bei der EM ein Eindruck: Die Hand drängt zurück ins Rampenlicht, sie feiert eine Renaissance auf den Fußballplätzen. Selbst die großen Fußballer kommen nicht mehr ohne Handspielereien aus: Englands Wayne Rooney setzt sie ein, genauso wie der Spanier Thiago oder Portugals Cristiano Ronaldo. Allerdings benutzen sie ihre Hände nicht zum Fußballspielen, das Verbot herrscht natürlich noch immer, sondern zur Übermittlung von Botschaften: Wann immer sich zwei Spieler etwas zu sagen haben in Frankreich, schieben sie eine Hand vor ihre Lippen. Mit Döner-Atem oder einem ansteckenden Virus hat das nichts zu tun. Die Spieler haben Angst davor, dass Lippenleser ihre Worte entschlüsseln könnten. Was nach einer Verschwörungstheorie klingt, passiert tatsächlich: Einige TV-Sender greifen auf Lippenleser zurück, in den USA arbeiten sogar welche in der American-Football-Profiliga NFL. Sie sollen gegnerische Teams ausspionieren und idealerweise angesagte Spielzüge erkennen.

Ganz erfahrene Spieler schaffen die verschlüsselte Nachrichtenübermittlung in Frankreich sogar ohne Handspiel. DFB-Kapitän Bastian Schweinsteiger verzichtete beim Spiel gegen Polen (0:0) auf die Europameisterschaftsvariante der "Stillen Post", als er seinem Banknachbarn Lukas Podolski etwas zuraunte. Schweinsteiger zog seine Lippen dabei dermaßen weit auseinander, dass selbst gewieften Lippenlesern jegliche Entschlüsselung unmöglich wurde.

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