Mit Lautsprecher gegen BVB-Fans:In Hoffenheim gibt's was auf die Ohren

Während des Bundesliga-Spiels wurde in Hoffenheim ein hochfrequenter, mobiler Lautsprecher eingesetzt, um den Dortmunder Fanblock an Anti-Hopp-Gesängen zu hindern. Ein "Regisseur" soll das Gerät bedient, die Ordner daneben Ohrenschützer getragen haben. Ein Anhänger erstattet Anzeige.

Freddie Röckenhaus

Eine Geschichte, die so klingt, als sei sie als Skript für die Kabarettsendung "Neues aus der Anstalt" ausgedacht: Beim Bundesligaspiel der TSG Hoffenheim gegen Borussia Dortmund wurden am Samstag in der Rhein-Neckar-Arena offenbar hochfrequente, mobile Lautsprecher eingesetzt, um den Dortmunder Fanblock akustisch unter Druck zu setzen.

Mit Lautsprecher gegen BVB-Fans: Dortmunder Fans demonstrierten in Hoffenheim gegen den Mäzen Dietmar Hopp. Dafür mussten sie schrille Töne ertragen.

Dortmunder Fans demonstrierten in Hoffenheim gegen den Mäzen Dietmar Hopp. Dafür mussten sie schrille Töne ertragen.

(Foto: imago sportfotodienst)

Nach Erkenntnissen der Polizei sollen die Lautsprecher immer dann hochgefahren worden sein, wenn die BVB-Anhänger Schmähgesänge auf Hoffeneims Mäzen Dietmar Hopp angestimmt hätten. Aus der vermeintlichen Posse könnte nun Ernst werden: Ein BVB-Fan aus Pforzheim hat bei der Polizei in Heidelberg Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet.

Bei dem Pforzheimer Fan wurde ein Tinnitus diagnostiziert, er wurde arbeitsunfähig geschrieben. Ein Sprecher der Heidelberger Polizei hat bestätigt, dass die Anzeige eingegangen sei und wegen des Verdachts auf Körperverletzung ermittelt werde. Die TSG Hoffenheim ließ über ihren Sprecher Markus Sieger bereits mitteilen, dass man nichts von der akustischen Kriegsführung gegen den Dortmunder Fanblock wisse und der Klub damit nichts zu tun habe.

In einer ergänzenden Stellungnahme am Abend ließ der Klub mitteilen, dass die Beschallung des Gästeblocks von einem Mitarbeiter "eigenmächtig" durchgeführt worden sei. Nach dessen Aussage habe die Aktion einen "eher scherzhaften Charakter" gehabt. Arbeitsrechtliche und disziplinarische Schritte seien eingeleitet worden.

Laut Darstellung des Vereins wollte der Mitarbeiter damit nach eigener Aussage "ein Gegenmittel" gegen die Beleidigungen gegenüber Mäzen Dietmar Hopp anwenden. Die Beschallungsanlage wurde von Fotografen dokumentiert. Die mobile Anlage, mit zwei Sirenen-Lautsprechern auf einer rollbaren Holzkonstruktion, war exakt im Eingangstor unter dem Gästeblock stationiert. Die neben der Lärm-Anlage positionierten offiziellen Stadionordner waren praktischerweise mit Ohrschützern ausgerüstet, die man normalerweise bei besonders lauten Arbeiten wie etwa an Pressluftbohrern aus Arbeitsschutzgründen trägt.

Der Sozialarbeiter Thilo Danielsmeyer vom "Dortmunder Fanprojekt", der seit zwanzig Jahren bei Heim- und Auswärtsspielen des BVB für Deeskalation unter Fangruppen sorgt, hatte am Ort weitere Details zu den Schallattacken recherchiert: "Auf meine Nachfragen wurde mir sowohl von der Einsatzleitung der Polizei als auch vom Hoffenheimer Ordnungsdient erläutert, wie die Anlage funktioniert und wie sie gehandhabt wird."

Wie Akustik-Werfer in den USA

Demnach wurden die unangenehmen, körperlich schmerzhaften Tonsignale von einem "Regisseur" gesteuert, der hinter dem Tor nahe dem Dortmunder Gästeblock positioniert war. Bei Schmähgesängen der BVB-Fans gegen Hopp oder Hoffenheim drückte demnach der "Regisseur" den Knopf und das ohrenbetäubende Geräusch setzte ein, bis die Fangesänge wieder aufhörten. Ein Sprecher der Heidelberger Polizei, die die Strafanzeige bearbeitet, sagte: "Wir haben das Gerät noch nicht in unserem Besitz, wir sind aber sicher, dass wir es sehr bald kriegen werden."

Ohrenzeugen berichten, dass bereits ab 12.30 Uhr, also drei Stunden vor Anpfiff die Fan-Beschallung im Probebetrieb gelaufen sei. Das Transport-Wägelchen, auf dem die Anlage installiert war, wurde mit Strom aus dem Stadionnetz versorgt. Anhänger von Eintracht Frankfurt, die ebenfalls als besonders aggressiv gegen Hoffenheim und seinen Groß-Mäzen Dietmar Hopp gelten, berichten inzwischen, dass auch beim letzten Frankfurter Spiel in der Sinsheimer Arena die Beschallung stattgefunden habe.

Dietmar Hopp, der sich seit dem Aufstieg seines Klubs ständig groben Beleidigungen und Schmähgesängen durch Gästefans ausgesetzt sieht, erklärte gegenüber der Rhein-Neckar-Zeitung: "Wer mich 90 Minuten lang permanent beleidigt, sollte nicht so empfindlich reagieren. Wenn BVB-Fans Anzeige erstatten, dann müsste ich 200 Anzeigen wegen Beleidigung erstatten." In Fanforen wird diese Aussage Hopps als halbes Schuldeingeständis bewertet. Zugleich geben viele Fans dort zu bedenken, dass die Beleidigungen gegen Hopp längst Überhand genommen hätten.

Anlagen, wie die nun offenbar gegen die BVB-Fans eingesetzte, sorgten erstmals beim G20-Gipfel in Pittsburgh vor zwei Jahren für Aufsehen. Damals verjate die amerikanische Polizei die zahlreichen Demonstranten mit den Schall-Geräten. Die Bilder von sich die Ohren zuhaltenden, flüchtenden Demonstranten gingen damals um die Welt. Die Akustik-Werfer werden in den USA als Alternative zu Wasserwerfern verwendet.

Dortmunds offizieller Fanbeauftragter Jens Volke berichtet von "sehr nervigen" Tönen, "allerdings hatte sich die Ant-Hopp-Stimmung vor dem Spiel eher abgekühlt. Als unsere Fans dann merkten, was da gespielt wird, schlug das ganze ins Gegenteil um und die Gesänge gegen Herrn Hopp wurden immer lauter und wütender". Das Ligapspiel endete übrigens 1:0 für Hoffenheim.

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