Missglückter Start in die EM-Qualifikation:Hollands ängstliche Fußballer

Iceland vs The Netherlands

Geschlagen verlassen die Niederländer den Rasen in Reykjavik

(Foto: dpa)

Bei der WM kritisierte Guud Hiddink das defensive System der niederländischen Elf, nun ist er selbst Nationaltrainer und lässt das Team genauso spielen. Gegen Island kassiert er eine heftige Niederlage - nicht die erste.

Von Matthias Schmid

Louis van Gaal wird wohl für sich behalten, wie er den Auftritt der niederländischen Nationalmannschaft am Montagabend erlebt hat. Der ehemalige niederländische Nationaltrainer wird nicht verraten, ob er in seinem gemütlichen Sessel zu Hause in Manchester wütend wurde während der Partie oder ob er womöglich dieses überhebliche Van-Gaal-Lächeln aufsetzte, weil mit ihm eine ähnlich blamable Darbietung niemals passiert wäre. 0:2 verlor Holland am Montagabend in der EM-Qualifikation überraschend gegen Island, gegen den Weltranglisten-34.

Fest steht: Van Gaal wird einen Nationalspieler schon bald persönlich sprechen, sobald Robin van Persie bei Manchester United wieder auf dem Platz steht, van Gaal wirkt ja seit Sommer als dessen Klubtrainer. Vielleicht wird nicht nur van Gaal dann sagen, was er von der Partie hielt, sondern auch van Persie, Kapitän der Niederländer, ihm dann seine ehrliche Meinung kundtun. Die musste der Stürmer aus Gründen der Diplomatie am Montagabend verbergen. "Guus Hiddink ist ein phantastischer Trainer", sagte van Persie nach der ersten Niederlage überhaupt gegen Island.

Der 31-jährige Fußballer kennt das schnelllebige Profigeschäft, er weiß, dass Hiddink unruhige Tage bevorstehen. Er möchte eine öffentliche Diskussion verhindern, die sich aber nicht mehr verhindern lässt. "Die Mannschaft von Hiddink fällt auseinander wie eine Mannschaft von kleinen Fräuleins", kommentierte die niederländische Zeitung De Volkskrant und De Telegraaf folgerte: "Oranje ist im Auflösungszustand."

Nie sind die Holländer schlechter in eine Qualifikation gestartet, mit zwei Niederlagen in drei Spielen. Dabei hatten sie mit van Gaal die Weltmeisterschaft in Brasilien noch als Dritter beendet.

Dritter sind sie auch jetzt wieder, aber über diesen dritten Platz in der Gruppe A kann sich niemand freuen. Die Niederlande liegt hinter den beiden noch ungeschlagenen Isländern und Tschechen. Sechs Punkte beträgt der Rückstand schon jetzt. Nur die ersten beiden Mannschaften qualifizieren sich sicher für die EM. "Es war eine dumme Niederlage", bekannte Arjen Robben hinterher.

Der Bayern-Profi war sinnbildlich für die Niederlage in Reykjavik, bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt spielte er mit schwarzen Handschuhen, auch seine lange berühmte weiße Unterhose durfte nicht fehlen. Schöngeistige, feine Fußballer waren gegen überwiegend kurzärmelige und rustikale Isländer aber nicht gefragt. "Die haben nur auf unsere Fehler gewartet", haderte van Persie. Und Robben kam zu der Erkenntnis: "Es war so frustrierend, weil wir ihnen zwei Tore geschenkt haben."

Hiddink übernimmt wenig ansehnliches WM-System

Der frühere Hoffenheimer Gylfi Þór Sigurðsson sorgte mit zwei Toren bereits in der ersten Hälfte für den Endstand. Nach einem verwandelten Elfmeter (10.) schloss der 25-Jährige eine Slapstick-Einlage im holländischen Strafraum noch mit einem herrlichen Volleyschuss ab (42.).

"Ich kann mich nicht erinnern, schon zweimal hintereinander mit Oranje verloren zu haben", hatte Wesley Sneijder bereits nach der 1:2-Niederlage zum Auftakt der EM-Qualifikation in Tschechien erklärt. Davor ging schon das erste Testspiel mit Hiddink verloren, 0:2 gegen Italien.

Dass der neue Bondscoach, der schon von 1994 bis 1998 die Elftal trainierte, nach nur einem Sieg aus vier Spielen seine erste Krise moderieren muss, war nicht abzusehen. Der 67-Jährige wollte nicht alles anders machen bei seiner Rückkehr, aber vieles besser. Vor allem wollte er weg von diesem wenig ansehnlichen 5-3-2-System mit fünf Verteidigern seines Vorgängers van Gaal, das er während der WM immer wieder heftig kritisiert hatte. Doch gegen Tschechien spielte er genauso und De Telegraaf spottete: "Hiddink ist plötzlich ein ängstlicher Mann geworden."

Auch auf Island begnügte er sich zunächst mit einem Stürmer, erst nach dem Seitenwechsel brachte er den Schalker Jan-Klaas Huntelaar für Snejder. Huntelaar war es, der nach dem 0:1-Rückstand gegen Kasachstan mit seinem Ausgleich die Wende zum Guten eingeleitet hatte. Doch der schwer erkämpfte 3:1-Sieg am Freitagabend blieb nur eine kurze glückliche Episode. Gegen Island konnten sich die Niederländer kaum Torchancen erspielen. "Es ist sehr enttäuschend für uns", findet Robben, der in der ersten Hälfte wenigstens einmal knapp am isländischen Tor vorbeischoss.

Danny Blind steht schon als Nachfolger fest

Hiddink selbst wollte nach dem Spiel nicht viel sagen. "Wir müssen jetzt alle unsere Emotionen unter Kontrolle halten", antwortete er. In aller Ruhe will er analysieren, was bis zum nächsten Spiel gegen Lettland (16. November) getan werden müsse. Diese Partie kommt schon einem Endspiel nahe. Denn verlieren die Holländer erneut, rutschen sie sogar auf Rang vier ab.

Dabei war Hiddink zu seiner zweiten Amtszeit angetreten, um seine Karriere als Auswahltrainer erfolgreich und versöhnlich zu beenden. Ort und Zeitpunkt schienen günstig. Wieder steht ein Turnier in Frankreich an. Bei der WM 1998 hatte er die Niederländer dort ins Halbfinale geführt, die Runde der letzten vier soll es bei der EM erneut werden, mindestens. Falls sie sich diesmal überhaupt qualifizieren, muss man nun hinzufügen.

Schon jetzt steht fest, dass Guus Hiddink sein Amt nach der EM an seinen derzeitigen Assistenten Danny Blind übergeben wird. Im Moment erscheint vieles möglich im niederländischen Fußball, sogar eine vorübergehende Rückkehr von Louis van Gaal. Er wird sich die Aufgabe selbstverständlich zutrauen. Aber auch das behält er im Moment lieber für sich.

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