Miroslav Klose:Vom schüchternen Buben zum Elder Statesman

Miroslav Klose ist 34 Jahre alt. Und es ist erstaunlich, welche Entwicklung er in den vergangenen 15 Jahren genommen hat. Als er bei der Nationalmannschaft auftauchte, konnte er vor Scheu keinem in die Augen schauen. Mittlerweile entlockt ihm selbst beißende Kritik nur noch ein Gähnen.

Thomas Hummel, Berlin

Training deutsche Fussball Nationalmannschaft

Vom schüchternen Buben zum "elder statesman": Miroslav Klose in der deutschen Nationalelf.

(Foto: dapd)

Miroslav Klose hatte erst ein Wort gesagt und doch schon zu mindestens zwei Themen Stellung genommen: Er hatte die Pressekonferenz des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit einem "Servus" eröffnet. Das ist ein lateinischer Ausdruck und bedeutet "Zu Ihren Diensten". Er gab damit einen Hinweis auf seine neue Heimat Rom. Zweitens ist diese Begrüßung in Bayern sehr beliebt, man hätte es also als Friedensangebot an Uli Hoeneß deuten können. Oder war es doch ein Gruß an Gerd Müller?

Das mit dem Friedensangebot an Uli Hoeneß erwies sich schnell als Trugschluss. Der Präsident des FC Bayern München hatte sich zuletzt despektierlich über die 65 Tore geäußert, die Miroslav Klose für die deutsche Nationalmannschaft erzielt hat: Da wären "mindestens 80 Prozent" davon gegen "Liechtenstein und Co." darunter.

Klose zeigte, dass er in Rom bereits die Gelassenheit der dortigen Geschäftsmänner erlernt hat und erhob sich über die Kritik: "Das macht mich mittlerweise ein bisschen müde. Ich möchte mich nicht dazu äußern, das Thema müssen wir jetzt nicht wieder hochkochen."

Miroslav Klose ist 34 Jahre alt. Und es ist schon erstaunlich, welche Entwicklung dieser Fußballspieler in den vergangenen 15 Jahren genommen hat. Damals, mit 19 Jahren, spielte er noch für diesen Verein, dessen Name wie kaum ein anderer nach deutscher Provinz, nach Bratwurstgrill und Sportheim klingt: SG Blaubach-Diedelkopf, Bezirksliga Westpfalz, siebte Liga.

Als er 2001 bei der Nationalmannschaft auftauchte, konnte er vor Schüchternheit und Scheu keinem in die Augen schauen und blickte lieber auf den Boden. Im Jahr 2012 befindet sich Klose in einer derart selbstbewussten Position, dass ihn selbst beißende Kritik des bayerischen Fußballgiganten und ehemalige Nationalstürmers Hoeneß nur noch ein Gähnen entlockt.

Ereilt ihn keine fiese Verletzung, wird er demnächst Gerd Müller (68 Treffer) als DFB-Torjäger Nummer eins überholen, selbst die aberwitzigen 150 Länderspiele des Lothar Matthäus sind nur noch 25 Partien entfernt. Er könnte 2014 in Brasilien auch Ronaldo als WM-Rekord-Torschützen ablösen. Bundestrainer Joachim Löw wird die Geschichte jedenfalls nicht stoppen.

Auf die Kritik aus München reagierte er vor dem WM-Qualifikationsspiel am Dienstag in Berlin gegen Schweden (20.45 Uhr) mit Lobeshymnen auf seinen Lieblingsstürmer. "Jeder Trainer kann froh sein, wenn er einen Miroslav Klose in der Mannschaft hat", sagte Löw.

Junge Spieler sehen zu ihm auf

Viele junge Spieler würden zu ihm aufsehen, weil sie spürten, dass er sehr professionell lebe. Löw nannte Klose einen Führungsspieler und wichtigen Ansprechpartner. Dazu sei er ein kompletter Stürmer mit Stärken im Kopfball und einem Riecher für die Situation. Außerdem auch ein "Kombinationsspieler" und deshalb "wichtig für unsere technisch ausgeprägte Spielweise".

Letzteres könnte irgendwann gegen den Stürmer Mario Gomez verwendet werden. Doch Löw sendete die Nachricht, unter allen Umständen an Miroslav Klose festzuhalten. Und Klose wiederholte in Berlin seinen Wunsch, 2014 seine vierte Weltmeisterschaft als Spieler zu erleben. Sogar seinen Salto, den er einst nach Toren stets zeigte, opfert er für dieses Ziel:

"Der Salto würde noch gehen. Aber ich werde es nicht versuchen, weil ich 2014 noch dabei sein will." Die Geschichte um Klose ist dennoch zwiespältig. Klose wird in Brasilien mit 36 Jahren als Stürmer-Opa ins Turnier gehen. Durch Gomez' Verletzung steht er im DFB-Kader gegen Schweden als einziger Name in der Kategorie "Angriff". Das Festhalten an Klose ist auch pure Notwendigkeit, weil die Alternativen fehlen.

Dabei ehrt es Miroslav Klose, wenn er selbst auf Kollegen wie Stefan Kießling oder den langzeitverletzten Patrick Helmes hinweist, die der Bundestrainer längst aussortiert hat. Oder darauf hinweist, dass die Spanier bei der EM ohne Stürmer gespielt haben. Bei Klose ist sogar wahrscheinlich, dass er selbst zum Bundestrainer geht, und ihm eine solche Alternative nahelegt, wenn er selbst von sich nicht mehr überzeugt sein sollte. Klose entwickelt sich gerade zum "Elder statesman" der DFB-Elf, zum altersweisen Sportsmann, der die Gesetze des Immer-gewinnen-müssen relativiert.

Beim Thema Gerd Müller betonte er grimmig, dass jeder Vergleich mit dem früheren Welt- und Europameister ein Witz sei. "Ich würde mich nie mit Gerd Müller vergleichen." Die Anzahl an Toren pro Spiel sei unerreicht. "Das habe ich Gerd auch ein-, zweimal persönlich gesagt." Dazu diese vor allem in Italien aufsehenerregende Geschichte, als er im Spiel in Neapel zugab, vor seinem Tor ein Handspiel begangen zu haben.

Was für sogenannte Schlitzohren auf dem Platz undenkbar ist, "war für mich selbstverständlich", sagte Klose. Er erzählte nochmals, dass der Schiedsrichter kaum zu ihm durchdringen konnte, weil Neapel-Spieler protestierten und seine Lazio-Mitspieler ihn wegdrängten. Als sie schließlich zueinander fanden, sagte Klose: " Ja, es war Hand." Das Tor wurde annulliert, Lazio verlor 0:3.

"Viele junge Leute schauen zu, da haben wir eine Vorbildfunktion. Das ging in letzten Jahren verloren. Wir Spieler müssen die Fairness bewahren", erklärte Klose. Am Dienstagabend wird ihm dafür vor dem Spiel gegen Schweden von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach die Medaille der Verbandsinitiative "Fair ist mehr" überreicht. Es ist ein erster Orden für Miroslav Klose und wenn sein Körper durchhält, werden noch einige dazu kommen. Ob das in München goutiert wird oder nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: