Mikaela Shiffrin im SZ-Interview:"Je öfter ich gewinne, desto mehr fürchte ich mich, nicht mehr zu gewinnen"

2017 Audi FIS Ski World Cup Finals - Ladies' Giant Slalom & Mens' Slalom

"Ich habe mein Potenzial nicht annähernd ausgeschöpft": Skirennfahrerin Mikaela Shiffrin.

(Foto: AFP)

Mikaela Shiffrin ist die wohl beste Skirennfahrerin der Gegenwart. Im SZ-Interview spricht sie darüber, wie man hungrig bleibt, auch wenn man schon fast alles gewonnen hat.

Von Johannes Knuth

Die Plätze auf der Haupttribüne waren binnen einer halben Stunde ausverkauft, und auch sonst wird es laut und voll am Wochenende in Killington, Vermont: 30 000 Zuschauer erwarten sie für den Riesenslalom der Frauen am Samstag und den Slalom am Sonntag. Alpine Ski-Weltcups finden in Nordamerika schon mal nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, aber an der Ostküste der USA wurzelt die Tradition tief. Es gab eine Zeit in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, da gab es dort kaum einen Berg, auf dem nicht mindestens ein Schlepplift stand. Die meisten Zuschauer in Killington kommen nun freilich wegen Mikaela Shiffrin aus Colorado, der dreimaligen Weltmeisterin, Olympiasiegerin, seit diesem Frühjahr auch Inhaberin des Gesamtweltcups. Der vielleicht besten Skirennfahrerin der Gegenwart also, der wohl auch noch eine Weile die Zukunft gehört.

Im Vorjahr, als der Skizirkus erstmals wieder im Osten der USA hielt, war Shiffrin etwas überfordert mit dem Trubel, "ich musste mich ein paar Mal übergeben", sagte sie zuletzt. Derart viel Druck wie in der vergangenen Saison sei sie kaum ausgesetzt gewesen. Aber sonst, findet Shiffrin im Interview mit der Süddeutschen Zeitung, habe sie "nicht den Eindruck, dass ich mich in all den Jahren im Weltcup sehr verändert habe. Ich fühle mich immer noch wie ich selbst." Der Erfolg, der ihr über all die Jahre treu blieb, sei gut und schön, aber es gebe noch eine große Spielwiese jenseits ihres Kerngeschäfts Slalom, auf der sie sich austoben könne. "Es gibt noch eine Menge Dinge zu lernen", sagt Shiffrin, und es klingt fast wie eine Drohung, wenn sie sagt: "Ich habe mein Potenzial nicht annähernd ausgeschöpft."

Shiffrin achtet darauf, sich stets etwas Unzufriedenheit zu wahren

Auch in ihrem Kernbetrieb gebe es genug Arbeit. "Für mich ist das die viel größere Herausforderung: schnell zu sein, wenn alle auf dich schauen und studieren, was du machst. Es gibt ein paar Dinge, die andere mittlerweile noch besser machen, wie sie mit dem Druck im Rennen umgehen zum Beispiel." Shiffrin achtet also darauf, sich stets etwas Unzufriedenheit zu bewahren, wenn sie zum Beispiel mit ihren Trainern und ihrer Mutter einen siegreichen Lauf im Video begutachtet. "Dann halten wir oft erst einmal Ausschau nach den Dingen, die ich noch besser machen kann. Damit ich weiß: Das war noch nicht meine beste Leistung", sagt Shiffrin. Und mit den Siegen sei es letztlich so: "Je öfter ich gewinne, desto mehr fürchte ich mich, nicht mehr gewinnen zu können. So arbeite ich vielleicht noch härter."

Shiffrin ist noch immer 22 Jahre alt, man vergisst das leicht, aber mittlerweile drängt sie auch jenseits der alpinen Kraftzentren in Europa ins öffentliche Bewusstsein. Wenn sie im Sommer etwa neben Schauspieler Morgan Freeman sitzt, in der US-Talkshow von Seth Meyers. "Ich fühle mich mittlerweile wohler dabei, über Dinge zu reden, die nicht mit Skifahren zu tun haben", sagt Shiffrin, wie die Sicherheitslage vor den Winterspielen in Südkorea. "Nach allem, was wir von unserem Nationalen Olympischen Komitee und vor allem der amerikanischen Botschaft in Korea gehört haben, hat sich das tägliche Leben dort gar nicht so sehr verändert. Ich denke, das Ganze wird gerade ins Rampenlicht gezerrt, weil die Winterspiele bevorstehen", findet sie.

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