Wintersport:Mikaela Shiffrin - Die Skitänzerin

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Mikaela Shiffrin auf der Slalompiste von Aspen.

(Foto: AFP)
  • Die US-Amerikanerin Mikaela Shiffrin ist Weltmeisterin, Olympiasiegerin und Weltcupsiegerin im Slalom.
  • In dieser Saison gewann sie in Aspen mit mehr als drei Sekunden Vorsprung - die Konkurrenz ist ratlos.
  • Shiffrin ist erst 20 Jahre alt und wird rasant erwachsen geworden.

Von Johannes Knuth

Mikaela Shiffrin schiebt sich in eine Alpenhütte in Sölden. Vor ein paar Monaten war das, es sind die ersten Tage der Saison. Großes Skirennfahreraufkommen in den Alpen. Die Fahrer sagen viel, ohne allzu viel zu sagen, sie berichten, dass die Saison gut werden wird, und wenn das Rennen am Tag darauf doch nicht so gut läuft, sagen sie, dass die Saison ja noch jung sei und es nur besser werden kann. Dann ist da Shiffrin. Shiffrin spricht über ihren Sommer auf Hawaii ("Wandern, Kaffeetrinken, normaler Mädelskram"), sie spricht über ihre Form ("niemand weiß genau, wo er steht") und wie sie zuletzt am Material getüftelt hat. "Manchmal wirst du selbstgefällig. Das Set-up, das eine Weile funktioniert hat, funktioniert nicht eine ganze Karriere lang. Das ist Teil eines Reifeprozesses", sagt Shiffrin. Sie hält kurz inne, mustert die Reporter. Dann sagt sie mit gespielter Empörung: "Ich bin kein Baby mehr, okay?!"

Vier Monate später hat Shiffrin nur deshalb nicht den Slalom-Weltcup gewonnen, weil sie zwei Monate wegen einer Knieverletzung fehlte. Als sie nach der Verletzung die Rennen wieder wie selbstverständlich gewann, hatte sie meist mehr als zwei Sekunden Vorsprung auf ihre Konkurrentinnen. Ihr Ziel hat sie so formuliert: Sie wolle "neue Grenzen definieren".

Angriff auf den Gesamtweltcup: In Lake Louise fährt sie ihren ersten Super-G

Mikaela Pauline Shiffrin aus Vail/Colorado, Olympiasiegerin, zweimalige Weltmeisterin, dreimalige Disziplinsiegerin im Slalom, fuhr schon in den vergangenen Jahren in ihrer eigenen Liga, und man kann wohl sagen, dass sie auch in dieser Saison ihr Ziel wieder erreicht hat.Shiffrin ist nicht nur eine Fahrerin, die sich zuletzt von einer außergewöhnlichen in eine noch außergewöhnlichere Skifahrerin verwandelt hat. Sondern eine, die als Skifahrerin erwachsen geworden ist.

Shiffrin war 15, als sie sich zum ersten Mal im Weltcup blicken ließ. Bald hatte sie derart viele Erfolge angehäuft, wie andere bestenfalls in einem Sportlerleben sammeln: eine kleine Kristallkugel für die beste Slalomkönnerin des Jahres, Weltmeisterin mit 17, Olympiasiegerin mit 18 als jüngste Slalomfahrerin überhaupt, zwei weitere kleine Kugeln. Im Februar 2015 dann Weltmeisterin in Vail, wenige Meilen entfernt von ihrer Heimat Avon; vor der WM hatten sie dort eine Straße nach ihr benannt, den "Mikaela Way". Phasenweise war Shiffrin so gut, dass ein Slalom in zwei Rennen zerfiel, in Shiffrins und das der Konkurrenz. "Wir versuchen alles", sagte die Österreicherin Michaela Kirchgasser einmal, "aber wir fahren nur in der zweiten Liga." Das war vor zwei Jahren.

Vor der Saison wurde Eileen Shiffrin, die ihre Tochter seit den ersten Tagen im Weltcup begleitet, gefragt, warum Mikaela so gut Ski fahre. "Weil sie so hart arbeitet", sagte Eileen Shiffrin, "weil sie so entschlossen, willensstark und fokussiert ist."

"In meinen besten Läufen stehe ich oft am Abgrund"

Es gibt viele Geschichten darüber, wie Shiffrin sich in einen Wettkampf vertieft, eine geht so: Als Jugendliche bereitete sich auf ein Nachwuchsrennen vor. Shiffrins Bruder Taylor wollte sie aufmuntern. Als Mikaela ihn sah, hielt sie kurz inne. Dann raunte sie: "Hau' ab, du bist nicht mein Bruder!" Später konnte sie sich an den Vorfall nicht mehr erinnern. Sie verzieht sich vor einem Rennen oft in eine mentale Höhle, und wenn sie kurz vor dem Start hinauskriecht, hat sie die belastenden Gedanken abgeschüttelt. Im besten Fall übernehmen ihre Instinkte die Kontrolle, sie rufen jene Abläufe ab, die Shiffrin tausende Male einstudiert hat: Den Schwung früh einleiten. Die Kanten sauber ins Eis drücken. Ein paar Tore im Voraus planen. Wenn andere ihren Schwung noch beenden, hat sie den nächsten eingeleitet, wo andere versuchen, nicht langsamer zu werden, wird sie schneller, beschleunigt mit den Unterschenkeln, springt von einer auf die andere Kante, rhythmisch wie eine Tänzerin. "In meinen besten Läufen stehe ich oft am Abgrund", hat Shiffrin einmal gesagt, aber sie fällt fast nie, weil sie die Gefahren erkennt, bevor sie über sie stolpern kann.

Auf diese Weise hat Shiffrin so ziemlich alles gewonnen, was der Slalom hergibt, und dass sie bereits in dieser Saison den Gesamtweltcup hätte bestimmen können, wäre sie nicht verletzt gewesen, liegt auch daran, dass sie jetzt eines der wichtigsten Geschäftsfelder ihres Sports bestellt. "Ich weiß jetzt, wie man Material testet", sagt sie.

Vonn, USA, gegen Shiffrin, USA: Von diesem Duell haben die Skizirkus-Vermarkter geträumt

In den ersten Weltcupjahren, erinnert Shiffrin, "hatte ich sofort das beste Set-up, das ich mir vorstellen konnte", die Abstimmung von Ski, Platte, Bindung und Skischuh also. Sie hörte Geschichten von Fahrern, die Dutzende Skier testeten, sie dachte, das sei Unfug. Bis vor einem Jahr. "Irgendwann habe ich plötzlich mein Selbstvertrauen und den Rhythmus verloren." Ihr Ausrüster sagte: Manchmal musst du einfach etwas ändern. Also änderte Shiffrin was, spürte ihre alte Form wieder auf. Seitdem testet und tüftelt sie akribischer, auch mit Blick auf die schnellen Disziplinen. "Ich sage ihnen (den Leuten der Ausrüsterfirma; Anm.) jetzt auch mal, wie die Skier laufen. Ich glaube, sie sind wirklich erleichtert", sagt Shiffrin, dann lacht sie. Es klingt absurd, aber die Amerikanerin war bis ins letzte Jahr hinein quasi eine Dreiviertel-Skifahrerin. Sie gewann alles, aber sie tat gar nicht alles dafür.

Shiffrin gegen Lindsey Vonn, die Speed-Könnerin aus Amerika, dieses Duell wird den Skisport prägen, solange Vonn noch weitermacht. Ein bisschen fährt da auch die Vergangenheit und Gegenwart (Vonn) gegen die Zukunft des amerikanischen Skirennsports (Shiffrin). Beide geben sich nahezu 24 Stunden dem Sport hin, jede auf ihre Weise. Die Skifahrerin Vonn ist ein System, bestens ausgeleuchtet, Gast in TV-Serien und Talkshows. Shiffrin tut nicht unbedingt das, was maximale Aufmerksamkeit verspricht, sondern was ihr Spaß macht, sie wird nicht von PR-Firmen vermarktet, sondern betreibt ein Familienunternehmen mit Mutter Eileen. "Ich glaube, ich bin auf dem richtigen Weg", sagte Shiffrin zuletzt, heftig untertreibend.

Sie ist übrigens noch immer erst 21 Jahre alt.

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