Michael Schumacher in der Formel 1:Königsfigur wird zum Bauernopfer

Lange Zeit schien es bei den Verhandlungen zwischen Michael Schumacher und Mercedes nur um die neue Vertragslaufzeit zu gehen. Aber die Bekenntnisse zu einer gemeinsamen Zukunft sind leiser geworden. Ob Schumacher bei Mercedes bleibt, entscheidet wohl sein Konkurrent Lewis Hamilton.

Elmar Brümmer, Singapur

Endlich ist er wieder dran. Michael Schumacher legt den Kopf in den Nacken, überlegt noch einen Moment, dann macht er den entscheidenden Zug. Eine Schachpartie geht im Morgengrauen des Renntages zu Ende, mit ausgiebigem Denksport hat sich der Rekordweltmeister wachgehalten, um auch in Singapur im gewohnten europäischen Schlaf- und Biorhythmus zu bleiben. Das Brettspiel ist generell beliebt bei den Rennfahrern, um vor einem Grand Prix die Konzentration zu schulen.

F1 Grand Prix of Singapore

Wieder ein frühes Rennende: Michael Schumacher steigt nach einem Crash mit Jean-Eric Vergne aus seinem Auto.

(Foto: Getty Images)

Zur Situation des 43-Jährigen passt das karierte Spielfeld besonders gut, als Bild für die Lage auf dem Transfermarkt der Formel 1, wo es um die vertragliche Zukunft zwischen Schumacher und Mercedes geht. Nach Wochen des Schweigens ist Bewegung ins Geschehen gekommen - und plötzlich scheint es sogar möglich zu sein, dass die Königsfigur Schumacher zum Bauernopfer wird. Anders als bei der Partie auf dem Pooldeck seines Hotels kann er sein Schicksal nicht mehr allein bestimmen.

Es sei denn, er würde nach den zweieinhalb holprigen Comeback-Jahren mit Mercedes seine Karriere beenden. Danach sah es zuletzt aber nicht aus. Kürzlich, beim Nachwuchsfahrertest in Magny-Cours, flog Schumacher ein. Nur um zu sehen, wie sich das neue Auspuff-Leitsystem am Silberpfeil macht - Schumachers berühmte Akribie.

Seit dem Frühjahr aber geht es immer dann, wenn er nach besseren Perspektiven für das Rennauto forscht, auch um seine Zukunft. Monatelang schien Mercedes nur auf das Ja-Wort Schumachers zu warten, der auch in schwierigen Zeiten der Garant für viel Aufmerksamkeit ist.

Rennstallchef Ross Brawn und Motorsportchef Norbert Haug betonten, wie gern sie als Team weitermachen wollten. Es schien nur um die Frage der neuen Vertragslaufzeit zu gehen. Schumacher erbat Bedenkzeit bis Oktober. Aber die Bekenntnisse zu einer gemeinsamen Zukunft seitens Mercedes sind leiser geworden. In Singapur sagte Haug auf die Frage, ob man Schumacher unbedingt wolle: "Natürlich denken wir über Möglichkeiten und Alternativen nach."

Moral auf dem Transfermarkt

Es mag dabei auch um unterschiedlichen Auffassungen über das künftige Gehalt gehen. Aber elektrisiert wurden die Verhandlungen dadurch, dass Lewis Hamilton offenbar gerne zu Mercedes wechseln würde. Zumindest scheint er nicht auf ewig mit dem ehemaligen Mercedes-Partner McLaren verbunden zu sein. Hamilton ist 27, sein Vertrag läuft auch aus, finanziell dürfte er sich in Schumacher-Regionen bewegen - der Brite möchte zwischen 15 und 25 Millionen Dollar pro Jahr verdienen.

Da kommt eine lukrative Offerte recht. Umgekehrt muss Mercedes natürlich über seine künftigen Fahrer nachdenken. Zumal der Daimler-Vorstand gerade grünes Licht gegeben hat, den Formel-1-Grundlagenvertrag mit Bernie Ecclestone bis 2020 zu verlängern. Dann müsste man Schumacher nur noch in den Ruhestand verabschieben.

Rechtlich ist das vielleicht keine große Sache, angeblich gibt es keine Optionen mehr, die das erschweren oder verhindern könnten. Ein Misstrauensvotum wäre es trotzdem. Aber Moral ist auf dem Transfermarkt keine entscheidende Tugend.

Der Poker scheint in der derzeitigen Phase der Formel 1 noch zu funktionieren, zumindest, was die Lewis-Hamilton-Fraktion betrifft. Keiner der Beteiligten möchte den Stand der Dinge öffentlich kommentieren, aber McLaren soll in Singapur sein Angebot an Hamilton deutlich nachgebessert haben. Würde der Brite seinen auslaufenden Vertrag verlängern, und hätte sich Mercedes zuvor auf ihn fixiert, wäre Schumacher wieder am Zug. Dann nach seinen Regeln.

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