Michael McGovern:Nordirlands Keeper macht das Spiel seines Lebens

Michael McGovern: Nordirlands Torwart Michael McGovern

Nordirlands Torwart Michael McGovern

(Foto: AFP)

Michael McGovern bringt die deutschen Stürmer zur Verzweiflung. Bislang spielt er bei einem kleinen Klub in Schottland. Das könnte sich nun ändern.

Von Thomas Hummel, Paris

Der Verein Hamilton Academical FC hat in der vergangenen Saison 63 Gegentore gefangen, es ging lange Zeit ernsthaft gegen den Abstieg aus der Scottish Premiership. 63 Tore? Da muss wohl so manch ferner Beobachter seine Meinung über die erste schottische Liga und deren Stürmer revidieren. Denn im Tor von Hamilton Academical stand Michael McGovern. Am Dienstagabend erklärt der nordirische Trainer Michael O'Neill der verblüfften Öffentlichkeit: "Michael ist nicht blöd, er spielt für Hamilton Academical, er machte jede Woche viele Paraden und hat seinem Team sicher 15 Punkte gerettet in der Saison."

Seiner nordirischen Nationalmannschaft hat McGovern im Pariser Prinzenpark zwar keine Punkte gerettet. Aber ein gutes Torverhältnis. Als am späteren Abend die Partien der Gruppe D beendet waren, stand fest, dass die Nordiren mit nur drei Zählern und 2:2 Toren als einer der vier besten Gruppendritten das Achtelfinale der Europameisterschaft erreichen. Man hätte auch sagen können: Michael McGovern hat seine Fußballnation in die K.-o.-Runde geführt.

Die Angreifer des Weltmeisters Deutschland hatten zuvor geschätzt Chancen für ein 63:0 gehabt, doch am Ende reichte es nur zu einem Tor. Mario Gomez schoss den Ball ins Netz. Ein paar Mal flutschte die Kugel knapp vorbei, zweimal half das Torgestänge. Doch oft genug blieben Gomez, Thomas Müller, Mario Götze oder Sami Khedira hängen an dem 31-jährigen Torwart aus Enniskillen. Dessen Marktwert war vor dem Spiel auf etwa 500 000 Euro geschätzt worden. Falls ihn überhaupt jemand hätten verpflichten wollen.

Das dürfte sich mit diesem einen Auftritt in Frankreich grundlegend geändert haben. Als Michael McGovern nach dem Spiel die Kabine betrat, klatschten seine Mitspieler Beifall. "Das war eine phänomenale Leistung", urteilte Trainer O'Neill. Mittelfeldspieler Oliver Norwood fand, "es war unglaublich, welche Paraden er gezeigt hat".

McGovern träumt von einem Topverein

Die Deutschen hatten vor dem Tor vielleicht nicht ihren besten und ganz sicher nicht ihren glücklichsten Tag. Doch McGovern machte es ihnen auch alles andere als leicht. Gegen Müller und Götze kam er hervorragend aus dem Tor, bei einem Kopfball von Gomez tauchte er flink in die Ecke. Er leistete sich auch keinerlei Unsicherheit, die einem Müller mal zu einem leichten Abstauber verholfen hätte. "Ich habe das Spiel sehr genossen", sagte er danach, "es war zweifellos die beste Leistung meines Lebens."

Die war auch nötig für diese Nordiren, die mächtig angefeuert von ihren Fans gar nicht wussten wie ihnen geschah. Während 20 000 Landsleute in grünen Trikots ihre Lieder sangen, taumelten die Spieler auf dem Rasen umher wie lange nicht mehr. "Es war mit großem Abstand der beste Gegner, gegen den ich je gespielt habe", beteuerte Norwood. Kein Wunder, der Mann spielt beim FC Reading in der zweiten englischen Liga. Genau wie Stuart Dallas (Leeds United) und Jamie Ward (Nottingham Forrest). Aaron Hughes war zuletzt in Melbourne, Australien, aktiv. Der viel besungene Will Grigg ist zwar Torschützenkönig, allerdings in der dritten englischen Liga bei Wigan Athletic. Er kam bislang nicht zum Einsatz.

Deshalb reagierte Trainer O'Neill auch pikiert, als er auf die defensive Spielweise seiner Mannschaft angesprochen wurde. "Es ist nicht mein Auftrag als Trainer, meine Spieler so vorzubereiten, dass Löws Team uns 7:0 weghaut", sagte er. Wenn die Leute nicht zufrieden sind mit unserer Strategie, dann kann ich nur sagen: Es ist mir wirklich egal." Nordirland sei ein kleines Land mit sehr wenigen Fußballern auf diesem Niveau, die Mannschaft sei stolz, überhaupt gegen den Weltmeister antreten zu dürfen.

Im Achtelfinale warten Frankreich oder Wales

Durch die knappe Niederlage geht es nun sogar weiter, ins Achtelfinale gegen Gastgeber Frankreich oder Wales. Wieder werden die Nordiren versuchen, ihr Tor zu verteidigen. Und vielleicht über einen Konter oder Standardsituationen zum Erfolg zu kommen. O'Neill spekuliert dabei auf einen gewissen Angstfaktor bei den Favoriten, wenn es in der K.-o.-Runde um alles oder nichts geht.

Zudem wird er hoffen, dass McGovern gleich das nächste Spiel seines Lebens absolviert. Dessen Vertrag bei Hamilton Academical läuft aus, er hat ein neues Angebot bislang abgelehnt. Es dürfte nun schwierig werden für den kleinen Klub, keine 20 Kilometer von Glasgow entfernt. O'Neill sagte: "Er hat es verdient, bei einem Topverein zu spielen."

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