Michael Jordan:"Ich könnte heute noch in der NBA spielen"

Die Basketball-Legende Michael "Air" Jordan über große Würfe, die neue Dominanz der europäischen Teams und die Probleme von Dirk Nowitzki bei den Dallas Mavericks.

Martin Fünkele

Michael Jordan, 43, gilt als bester Basketballer, der jemals in der nordamerikanischen Profiliga NBA gespielt hat. Fünfmal wurde er als deren wertvollster Spieler ausgezeichnet, sechsmal gewann er den Titel mit den Chicago Bulls; 1992 gehörte er zum Dream-Team der USA, das bei Olympia in Barcelona Gold gewann. 2003 beendete Jordan seine Karriere, doch seine Popularität ist ungebrochen: Am Wochenende weilte er in Hamburg und Berlin, mehrere tausend Menschen warteten dort stundenlang auf ihn. Gekommen war er im Rahmen einer PR-Tour für seinen Ausrüster - doch Air Jordan ist noch heute mehr als ein Schuhverkäufer.

Michael Jordan: Für die Bulls holte Michael Jordan sechs Titel.

Für die Bulls holte Michael Jordan sechs Titel.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Mister Jordan, Sie sind nun seit drei Jahren im Ruhestand, dennoch tragen noch viele Leute ihr Trikot mit der Nummer 23.

Jordan: Mehr Respekt kann man mir nicht erweisen. Diese Fans zu sehen, bedeutet mir mehr als jede Auszeichnung, die ich je überreicht bekam.

SZ: Erinnern Sie sich noch an Ihren letzten Wurf in der NBA?

Jordan: Mein letzter Wurf? Für welches Team? Da war dieser Freiwurf in Philadelphia (für Washington, am 16.April 2003; d. Red). Aber eigentlich ist mein letzter Wurf der, mit dem ich in Chicago gegen Utah 1998 die sechste Meisterschaft gewann.

SZ: Haben Sie nach Ihrem Rücktritt jemals wieder dieselbe Intensität in Ihrem Leben gespürt?

Jordan: Nicht wirklich. Man sieht die Dinge ganz anders. Ich kümmere mich um die Stadt Chicago, meine Familie und die viele Fans. Aber ich war nie wieder in einer Situation wie damals. Ich vermisse es noch immer. Aber es gibt so viele Erinnerungen, von denen ich leben kann.

SZ: Als Spieler waren Sie für Ihren unersättlichen Ehrgeiz bekannt. Wie befriedigen Sie den heute?

Jordan: Tja, ich lebe jetzt ein normales Leben, bin ein großer Chicago-Bulls-Fan und seit neuestem Anteilseigner der Charlotte Bobcats. Und ich liebe Motorsport. Ich versuche meinen Ehrgeiz auf unterschiedliche Art zu stillen. Beim Golf gelingt mir das am besten. Aber an Basketball reicht das alles nicht heran.

SZ: Vom Basketball kommen Sie nur schwer los.

Jordan: Wenn Sie mich jetzt fragen würden, ob ich heute noch in der NBA spielen könnte, würde ich sagen: Ich glaube schon. Mental wäre ich dazu immer noch in der Lage. Körperlich? Momentan wohl nicht, dazu bin etwas zu schwer geworden. Mein Körper würde eine Saison mit 82 Spielen vielleicht nicht mehr durchhalten. Aber im Kopf werde ich immer bereit dazu sein.

SZ: Was ist das Besondere an Gewinnertypen wie Roger Federer, Ronaldinho oder Michael Schumacher?

Jordan: Es gibt eine Menge sehr guter Sportler. Was sie verbindet, ist ihre Leidenschaft, ihre Bereitschaft, hart zu arbeiten und keine Ausreden zu akzeptieren. Jeder dieser Stars will in seinem Sport dominieren. Mir ging es so. Ronaldinho wird es im Fußball so gehen, Schumacher hat es in der Formel 1 vorgemacht. Leidenschaft treibt Athleten an.

SZ: Sie werden mitbekommen haben, dass der deutsche Vorzeige-Basketballer Dirk Nowitzki mit den Dallas Mavericks die NBA-Finals verloren hat.

Jordan: Oh ja, das war verdammt hart. Und einige Leute haben gesagt: Nowitzki schafft den ganz großen Wurf nie.

SZ: Was würden Sie ihm raten?

Jordan: Ich glaube nicht, das Dirk versagt hat. Er hat schließlich dafür gesorgt, dass die Mavs in die Finals kamen. Aber um eine Meisterschaft zu gewinnen, brauchst du ein bisschen Glück. Und vor allem Hilfe von deinen Kameraden. Ich habe keine meiner sechs Meisterschaften alleine gewonnen. Mal half mir Scottie Pippen, mal war es John Paxton oder Steve Kerr. Dirk hat alles getan, man kann ihm keinen Vorwurf machen. Er wird gewinnen, so lange die Mavericks ihn mit guten Spielern versorgen.

"Ich könnte heute noch in der NBA spielen"

SZ: Ihnen schien Druck nie etwas auszumachen, im Gegenteil. Kann man das lernen?

Michael Jordan: Immer noch gut in Form: Michael Jordan.

Immer noch gut in Form: Michael Jordan.

(Foto: Foto:)

Jordan: Lernen vielleicht nicht. Aber das Selbstbewusstsein kann man entwickeln. Bei mir begann der Prozess schon am College. 1981 entschied ich die Meisterschaft mit dem letzten Wurf. Von diesem Punkt an begann ich zu glauben, ich könne immer und überall treffen. Du brauchst diese eine Erfahrung, an die du dich klammern kannst. Wenn du es dann wieder schaffst, entwickelst du ein Art Über-Selbstbewusstsein.

SZ: Konnten Sie diese Kaltschnäuzigkeit auch in Ihr Businessleben übertragen?

Jordan: Ich glaube schon. Viele meiner Entscheidungen treffe ich aus dem Bauch heraus. Gut, du musst die Käufer verstehen und wissen, wie der Markt funktioniert, letztlich verlasse ich mich aber auf meinen Instinkt. In Verhandlungen habe ich vor keinem Manager Angst. In meiner Position kann ich mir das leisten.

SZ: Als Sie bei Olympia 1992 in Barcelona mit dem so genannten Dream Team aufliefen, düpierte diese Mannschaft jeden Gegner. Heute tut sich Team USA ungleich schwerer. Haben Sie diese Entwicklung erwartet?

Jordan: Irgendwie schon. Die stetig steigende Zahl der Europäer in der NBA ist nur der letzte Beweis der Evolution. Die Europäer haben uns in den letzten internationalen Vergleichen mehrfach geschlagen - aber das wird sich auch wieder ändern.

SZ: Woran liegt es, dass Europa so schnell aufgeholt hat?

Jordan: Wir versorgen sie ja mit allen Informationen. Wir führen doch die ganze Welt im großen Stil an das höchste Level heran. Sie schauen sich alles ab, klauen unsere Ideen und unsere Einstellung. Das Resultat ist ein besserer Wettkampf. Wenn NBA-Teams heute nach Europa kommen, ist das kein Spaziergang, sondern eine Herausforderung. Jetzt müssen wir verteidigen, was wir aufgebaut und jahrelang dominiert haben.

SZ: Was müssen die Amerikaner anstellen, um die verlorene Vormachtstellung im Weltbasketball wieder zurückzuerobern?

Jordan: Das wird schwierig. Die Grundausbildung spielt eine große Rolle. Viele europäische Talente sind einfach besser ausgebildet. Wir werden zurückkommen, aber unsere Festung wird nicht mehr so stark sein wie früher. Es wird ein harter Wettkampf, der die NBA dazu zwingt, ein bisschen flexibler zu werden, mehr Wert auf die Grundausbildung zu legen. Das tun die Europäer.

SZ: Sie kümmern sich auch selbst um die Ausbildung von Jugendlichen: Was werden Sie von den Kids am häufigsten gefragt?

Jordan: Viele fragen: Wer ist der beste Basketballspieler? Oder: Wie hast du dich in Space Jam gefühlt (Jordans Hollywood-Debüt an der Seite von Bugs Bunny; d. Red)? Mir macht das großen Spaß, obwohl viele der Kids mich ja gar nie spielen sahen.

SZ: Wer ist denn aktuell der beste Basketballspieler?

Jordan: Ich weiß ja, dass Sie jetzt von mir hören wollen, dass ich ,,Dirk'' sage. Dirk ist einer der Besten. Aber der Allerbeste ist momentan Kobe Bryant.

SZ: Ist es fair, von Spielern wie Bryant, LeBron James oder Carmelo Anthony zu erwarten, sie müssten der nächste Michael Jordan werden?

Jordan: Nein, absolut nicht. Es ist eine ganz andere Ära, und man kann ihr Können nicht wirklich mit meinem vergleichen. Von ihnen dasselbe wie von mir zu verlangen, ist nicht gerecht. Michael Jordan ist ein ganz anderer Athlet.

SZ: Wer wird in der nächsten Saison NBA-Champion?

Jordan: Schwer zu sagen. Ich muss mich für den Titelverteidiger Miami entscheiden, weil sie jetzt wissen, worauf es ankommt. Aber Dallas ist wahrscheinlich hungriger als jedes andere Team. Weil sie am Titel geleckt haben.

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