Mexiko:Hiebe von der Laus

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Unrühmlicher Abtritt: Nur zwei Tage nach dem Finalsieg mit Mexiko beim Gold Cup muss Miguel Herrera, 47, nach einem Übergriff auf einen Reporter gehen. (Foto: imago/Icon SMI)

Nationaltrainer Miguel Herrera wird nach einer Attacke auf einen Reporter am Flughafen fristlos vom Verband entlassen.

Von Javier Cáceres, Berlin

Man kann nicht sagen, dass der mexikanische TV-Reporter Cristian Martinoli nicht gewarnt gewesen wäre. Im Gegenteil: Schon vor geraumer Zeit hatte er die düstere Ahnung von sich gegeben, dass er beim nächsten Treffen mit Mexikos Nationaltrainer Miguel Herrera "sicherlich eine gelangt bekommen würde, noch ehe wir auch nur drei Worte gewechselt haben", man sei miteinander schon länger verfeindet. Als das Treffen nun stattfand, kam es zwar tatsächlich zur vermuteten Tätlichkeit. Korrigieren musste sich Fernsehmann Martinoli dennoch. Denn als Coach Herrera am frühen Montagvormittag Martinoli am Check-in-Schalter des Flughafens von Philadelphia traf, hielt er sich mit Vorreden nicht lange auf. Stattdessen verpasste er dem Medienschaffenden unter Verzicht auf verbale Warnungen einen Hieb an den Hals, weitere Schläge und Tritte gingen laut Martinoli ins Leere. Nach einem medialen Aufschrei zog Mexikos Verband in der Nacht zum Mittwoch deutscher Zeit die Konsequenzen - und entzog der Fußballwelt zumindest vorerst eine ihrer schillerndsten Gestalten. Nur zwei Tage nach dem Finalsieg beim Gold Cup, der Regionalmeisterschaft des Verbandes der Karibik, Nord- und Mittelamerikas, wurde Herrera, 47, fristlos entlassen.

Durch den Vorfall, für den die mexikanische Ausgabe der Zeitschrift Forbes! den Ausdruck "Selbstsabotage" erfand, endete für Herrera der Traum von der WM 2018 sowie eine Amtszeit, die mit einer Dauer von einem Jahr und neun Monaten durchaus eine Ära genannt werden darf. Die vier unmittelbaren Vorgänger Herreras als mexikanische Nationaltrainer waren 2013 in einem Zeitraum von nur 45 Tagen gefeuert worden. Herrera beeindruckte freilich weder durch seine Verweildauer im Amt noch durch die 19 Siege und 11 Unentscheiden in 37 Partien. Seine globale Fama gründete vielmehr darauf, dass er bei der Fußball-WM in Brasilien 2014 das vollemotionale Coaching einführte. Es manifestierte sich in kultisch-epileptischen Ausdruckstänzen, die dem "Tanztheater Wuppertal" zur Ehre gereicht hätten. Bloß Martinoli war diese Neuerung reichlich egal.

Insbesondere nach der aus mexikanischer Sicht im Juni enttäuschend verlaufenen Copa América (zwei Niederlagen, ein Remis in drei Spielen) triezte er den "el Piojo" (die Laus) genannten Herrera. Unter anderem warf er ihm vor, ein populistischer Rabauke zu sein. Was genau letztlich dazu führte, dass Herrera vor Zeugen handgreiflich wurde, ist unklar, er selbst sprach von Injurien und Spott durch einen angeblichen "Schuft": Martinoli. Dieser war übrigens nicht das einzige Herrera-Opfer von Philadelphia: Trainer-Tochter Michelle schlug auf den Reporter Luis García ein. Sie warf ihm vor, ihren Papa einen Eber genannt zu haben. Was García bestritt.

Derweil bat Miguel Herrera in einem Kommuniqué um Vergebung, der "bedauerliche Zwischenfall" sei eines Nationaltrainers nicht würdig. Andererseits: Für Kenner der Biografie kam die Episode wenig überraschend. Schon als Aktiver hatte Herrera einem Fan öffentlich Tritte und Schläge verpasst, später wurde ein Gegner auf dem Feld Opfer einer Tätlichkeit, die unvergessen ist, weil Mexikos früherer Nationaltrainer Miguel Mejía Barón auf eine Nominierung Herreras für die WM 1994 verzichtete. All das verleiht einem Versprechen Herreras eine besondere Note. Er werde bald wiederkommen, sagte er: "Als der, der ich immer war."

© SZ vom 30.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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