Mexiko:"Einer der besten Würfe"

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Deutschlands WM-Auftaktgegner schielt darauf, erstmals seit 1986 das Viertelfinale zu erreichen.

Von Javier Cáceres, Berlin

Das Auftaktspiel bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland? Längst abgehakt! Der Horizont der Mexikaner geht längst über den 17. Juni hinaus, an dem sie in ihrem ersten WM-Spiel in Moskau auf den viermaligen Weltmeister Deutschland treffen.

"Wir sollten die Niederlage schon mal ins Budget aufnehmen", sagt Manuel Lapuente, der von 1997 bis 2000 mexikanischer Nationaltrainer gewesen war, und die Sportpresse tat wie geheißen. Am Samstag prangte auf dem Titelblatt von Récord neben Stürmer Hirving Lozano nicht etwa, wie man hätte vermuten können, ein Spieler aus dem Kreis der mexikanischen Gruppengegner Südkorea, Schweden oder eben Deutschland. Sondern Brasiliens Neymar, "auf zu einer neuen Heldentat", lautete die Schlagzeile. Die Rechnung der Mexikaner, beziehungsweise ihre lange Kette an Konditionalsätzen, geht in etwa so: Wenn Mexiko die Gruppe F hinter Deutschland als Zweiter überstehen sollte, würden im Achtelfinale wohl tatsächlich Neymars Brasilianer als wahrscheinliche Sieger der Gruppe E warten. Und dann stünden die Chancen gut, erstmals seit 1986 und zum dritten Mal in der WM-Geschichte ein Viertelfinale zu erreichen, denn Brasilien liege den Mexikanern, findet das Fachblatt Récord. Das Indiz: Mexikos Sieg im Finale bei den Olympischen Spielen von London 2012.

Mexikos junger Antreiber: Hirving Lozano (links) war auch im Sommer beim Confed Cup gegen die Deutschen dabei, als das DFB-Team 4:1 siegte. (Foto: imago/Artyom Korotayev)

Jener Triumph ist bis heute der einzige relevante Erfolg der mexikanischen Fußballer, bei Weltmeisterschaften schieden sie meist eher früh aus. Kein Land hat bei Weltmeisterschaften mehr Niederlagen gesammelt als Mexiko (25), und auch die Bilanz gegen Deutschland liest sich bei fünf Niederlagen und ebensovielen Unentschieden aus elf Spielen denkbar schlecht. Zuletzt traf man sich im Juni beim Confed Cup in Russland, Deutschland zerlegte die Nordamerikaner im Halbfinale. Er habe dieses 1:4 noch gut vor Augen, sagte Osorio selbst nach der Auslosung und ließ verbale Verbeugungen folgen: "Wir treffen auf ein Team, das nicht nur auf einen Erfolgszyklus zurückblickt, sondern ein Beispiel darstellt, dem viele andere folgen sollten."

Das gilt wohl auch für die Mexikaner, die trotz ihrer dürren Bilanz immer wieder interessante Spieler hervorgebracht haben. Zurzeit sind es sogar besonders viele, behauptet ein weiterer früherer Nationaltrainer Mexikos, der Argentinier Ricardo La Volpe (2002-2006): "Mexiko wird bei der WM von sich reden machen, weil es viele schnelle Spieler gibt, die ein Spiel aus dem Gleichgewicht bringen können. Es ist einer der besten Würfe, die ich je gesehen habe", sagt La Volpe. Doch das gilt wohl vor allem im Offensivbereich, dort stechen insbesondere Spieler wie Javier "Chicharito" Hernández (früher Leverkusen, jetzt West Ham United), Carlos Vela (FC Los Angeles) und vor allem Hirving Lozano hervor. Der 22-Jährige spielt bei PSV Eindhoven und attackiert dort den einen oder anderen Rekord, den der Brasilianer Ronaldo in den Neunzigerjahren bei PSV aufgestellt hatte. Das neue Wunderkind Mexikos ist mit zehn Treffern aus elf Spielen aktuell bester Torschütze der Eredivisie.

In der Abwehr wiederum leiden die Mexikaner daran, dass Trainer Osorio zu viel rotieren lässt - und kein Ersatz für den ehemaligen Innenverteidiger des FC Barcelona, Rafael Márquez, in Sicht ist. Márquez wird bei Turnierbeginn 39 Jahre alt sein. Doch das ist nicht das größte seiner Probleme. Er muss seit August mit dem Vorwurf des US-Finanzministeriums leben, für den Drogenboss Raúl Flores als Strohmann firmiert zu haben. Seine Konten wurden durch das Amt für Kontrolle von Auslandsvermögen der USA (OFAC) zeitweise eingefroren; mittlerweile darf er wieder mexikanische Banken nutzen und auch in Mexiko Salär beziehen. Márquez hat auch wieder für FC Atlas de Guadalajara gespielt, doch das Alter fordert seinen Tribut, er verletzte sich sofort. Sollte Márquez in Russland dabei sein, würde er sein fünftes Turnier spielen und mit seinem mexikanischen Landsmann Antonio Carbajal sowie dem Deutschen Lothar Matthäus gleichziehen. Sollte Márquez fit sein, wird er berufen werden. Denn er ist noch immer die Seele des mexikanischen Teams.

© SZ vom 04.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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