Mesut Özil bei Arsenal:Abgetaucht hinterm Elfmeterpunkt

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Elfmeter, vergeben: Mesut Özil beim Spiel gegen den FC Bayern. (Foto: AFP)

Dem FC Arsenal dämmert: Mesut Özil ist ein wunderbarer Fußballer - aber kein Mitreißer. Beim 0:2 gegen den FC Bayern in der Champions League wirkt der Deutsche nach seinem Fehlschuss beim Strafstoß fast abwesend. Die Kritiker sind gnadenlos.

Von Jonas Beckenkamp, London

42,5 Millionen Pfund, diese Zahl tauchte am Tag danach in fast allen großen englischen Zeitungen in großen Lettern auf. Umgerechnet 50 Millionen Euro, so viel Geld kostet normalerweise kein Mensch - aber der Fußball schreibt eben seine eigenen Rechnungen. Noch nie hat der FC Arsenal einen solch enormen Betrag für einen Spieler bezahlt wie im vergangenen Jahr für Mesut Özil. "Gebt endlich Geld aus" hatten die Fans im Sommer auf Plakaten gefordert. Es war die Sehnsucht nach neuem Glanz, nach Inspiration und den besonderen Momenten auf dem Platz.

Doch davon war beim 0:2 gegen die Bayern im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League nichts zu sehen. "Ein tonnenschweres Schlamassel" machte das Revolverblatt The Sun aus, der Daily Star spitzte es noch konkreter zu: "Özil war seine Rekordsumme nicht wert - wieder mal". Wer durch die englische Presse blättert, könnte meinen, dass der Deutsche mit den traurigen Augen das Spiel alleine verlor. Dabei ging Özil einfach mit unter in einer Mannschaft, die den Bayern schon nach 20 Minuten das weiße Fähnchen entgegenstreckte.

Natürlich war Arsenals Teuerster eine spielprägende Persönlichkeit - und es hatte sogar recht vielversprechend begonnen. Nach sieben Minuten sauste Özil in den Sechzehner, wo ihn Jérôme Boateng elfmeterwürdig umsäbelte. Im Stadion herrschte ein Höllenlärm, eine Führung gegen die Über-Bayern, das wäre es gewesen. Der Gefoulte trottete zum Punkt, lief kurz an und ließ ein Schüsschen los, das sein DFB-Kollege Manuel Neuer mit einer müden Handabwehr lockerleicht zur Seite patschte.

Neuer wehrte gegen Özil ab - das Duell der alten Bolzplatzspezis aus Gelsenkirchen ging eindeutig an den Münchner. "Klar kenne ich Mesut, da muss man lange warten und spät reagieren", sagte Neuer, "er entscheidet immer erst während des Anlaufs, wo er hin schießt". Es war der dritte Strafstoß in Serie, den Özil für seine Klubmannschaften verfehlte. 2009 scheiterte er als Bremer gegen Gladbach und zuletzt verschoss er seinen ersten Versuch für Arsenal gegen Marseille. Schon seine Körpersprache gab Rätsel auf - er wirkte nicht überzeugt.

"Mir ist es lieber, wenn Spieler richtig anlaufen", erklärte sein Trainer Arsène Wenger, "aber jeder hat seinen Stil, das muss man akzeptieren. Es gibt nicht die eine Art, zu schießen". Schlimmer als sein Fehlschuss traf die Engländer aber Özils Reaktion. Er wirkte demoralisiert. "Es hat ihn schwer getroffen. Zehn Minuten später schüttelte er immer noch den Kopf", hatte Wenger beobachtet. Als dann auch noch Linksverteidiger Kieran Gibbs nach 30 Minuten verletzt vom Feld musste, verschwand der Deutsche komplett.

Gegen die andauernden Druckwellen der Bayern über rechts brauchte Ersatzmann Nacho Monreal Özils Hilfe in der Defensive, doch die blieb aus. Fast körperlos schlich der Spielmacher über den Platz - an ihm zischten Rafinha, Lahm oder Robben einfach vorbei, Özil schien längst nicht mehr am Eingreifen interessiert. "Selten spiegelte ein lascher Elfmeter so sehr eine Einzelleistung wieder", befand die Zeitung Daily Telegraph. Es war noch eines der netteren Urteile. Das fieseste lautete: "Özil ist einer der wenigen Deutschen, die keine Strafstöße treffen" ( Daily Mail).

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Was in Deutschland schon bekannt ist, haben sie nun auch auf der Insel erkannt: Özil ist ein wunderbarer Fußballer, ein Mann, der sich ins Spiel hinein fühlt, ein Visionär - aber er ist kein anpackender Mitreißer. Selbst sein Mitspieler Mathieu Flamini schnauzte ihn in der zweiten Halbzeit auf dem Platz an, weil der 25-Jährige die Defensivaufgaben auf der linken Seite völlig vernachlässigte. Der interne Ärger war auch Michael Ballack aufgefallen, der als Experte für den britischen Sender Sky deutliche Worte fand: "Er wirkt verloren in dieser Mannschaft. Wenn er nach hinten mitarbeiten muss, beschwert er sich. So fehlt ihm dann die Akzeptanz im Team."

Immerhin, ein paar Fürsprecher fanden sich noch. Flamini hatte seinen Ärger nach dem Spiel vergessen, es sei "ein schwerer Moment für Mesut" gewesen und man müsse den Unglücksschützen jetzt wieder aufbauen. Ähnlich versöhnlich gab sich Per Mertesacker, Özils Kollege beim DFB und Arsenal-Kapitän: "Es ist nicht allein sein Fehler, dass wir verloren haben. Aber wenn wir eine Chance haben wollen, brauchen wir den besten Mesut." Der Mann, über den nach diesem bitteren Abend alle Engländer redeten, war da längst abgetaucht. So wie zuvor auf dem Platz.

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