Mertesacker beim FC Arsenal:Wengers treuer Weltmeister

Arsenal v Chelsea - The Emirates FA Cup Final

Weiß, was er an ihm hat: Trainer Arsène Wenger (rechts) mit seinem Kapitän Per Mertesacker

(Foto: Getty Images)
  • Die Stimmung beim FC Arsenal hat sich gedreht. Trainer Wenger kann optimistisch in die neue Saison blicken.
  • Das hat auch mit Per Mertesacker zu tun, der seinem Trainer stets die Treue hielt.

Von Sven Haist, London

Auf dem Siegerfoto platzierte sich Per Mertesacker in der hintersten Reihe, von dort aus forderte er seine Mitspieler zum Jubeln auf. Als diese gehorchten und Champagner spritzten, war Mertesacker schon aus dem Bild, die Feierlichkeiten verfolgte er aus seitlicher Distanz. Mit dem rechten Zeigefinger deutete der Kapitän des FC Arsenal da bereits wieder auf die Fans. Das sollte heißen: Ehrenrunde!

Wie ein Stadionführer leitete Mertesacker seine Gruppe durchs Wembley, in keiner anderen Arena dieser Welt kennt er sich ja besser aus. Weder mit Arsenal noch der DFB-Nationalelf hat Mertesacker hier bisher eine Partie verloren, 2013 gelang ihm sogar ein Siegtor für Deutschland in einem Testspiel. Und mit den Gunners hat der zentrale Abwehrspielerin Wembley nunmehr in sechs Saisons sechs Titel abgeräumt: drei im FA-Cup, drei im Supercup.

"Wir wissen beide, was wir aneinander haben"

Nach dem 4:1 (1:1) im Elfmeterschießen gegen Meister Chelsea nahm Mertesacker erneut die Trophäe des Community Shield entgegen. Neben ihm reihten sich die Kollegen auf, ganz außen stand Trainer Arsène Wenger. Eigentlich wollte sich Wenger gleich wieder davonstehlen, aber ein Zeichen des Teams hielt ihn davon ab. Als der Pokal bei ihm angelangt war, feierten ihn die Fans einvernehmlich. War das kürzlich nicht mal anders?

Mertesacker hatte die Schlussminuten des Supercups auf der Ersatzbank verfolgt, eine Platzwunde über dem rechten Auge zwang ihn in der ersten Hälfte zur Aufgabe. Danach führte sein Weg sofort zu Wenger, die Umarmung mit dem Coach fiel besonders herzlich und anhaltend aus: "Wir wissen beide, was wir aneinander haben", sagte Mertesacker. Vor einem Jahr zog sich der Verteidiger in der Vorbereitung eine schwere Knorpelverletzung im Knie zu. Die lange Ausfallzeit schreckte Wenger nicht davor ab, eine Woche später Mertesacker zum neuen Kapitän zu ernennen und sechs Monate später dessen Vertrag bis Sommer 2018 zu verlängern - mit der Zusage, anschließend die Stelle des Nachwuchschefs übernehmen zu dürfen.

Ein solcher Vertrauensvorschuss verlangt nach einer Gegenleistung. Im Frühjahr geriet Wenger nach Arsenals peinlichem Aus in der Champions League gegen den FC Bayern und dem Abrutschen in der Premier League auf Rang fünf in Not. Der Verein stand unter Spannung, die Anhänger teilten sich auf in zwei Fraktionen.

Jens Lehmann analysiert jetzt für den Trainerstab Spiele

Nur vereinzelte Fans konnten sich eine Zukunft mit Wenger (seit fast 21 Jahren im Amt) vorstellen. Die meisten organisierten hinter seinem Rücken Protestzüge, veräppelten ihn vor seinen Augen oder ließen über seinem Kopf Zeppeline aufsteigen, die seinen Weggang forderten.

Die Mannschaft fing an, unter dieser Last auseinanderzufallen, Eigeninteressen standen damals im Vordergrund. Und auch Wengers Vorgehensweise, seine Planungen über die Saison hinaus nicht offenzulegen, hemmte: "Möglicherweise", sagt Arsenals Coach jetzt, "war das ein Fehler."

Auftaktspiel gegen Leicester City

In dieser schwierigen Lage konnte sich Wenger stets auf Mertesacker verlassen. Der kehrte just in jenem erfolglosen Zeitraum ins Training zurück und ergriff Partei für seinen Chef: "Er hat unendlich viele Verträge verlängert, um uns Sicherheit zu geben. Jetzt sind wir dran, Dankbarkeit und Demut zu zeigen." Die strategische Gewitztheit, mit der Mertesacker, 32, seine Geschwindigkeits-Defizite auf dem Spielfeld ausgleicht, hilft ihm auch im Umgang mit seinen Arbeitskollegen: "Ich habe lange Zeit bloß trainiert, um einfach zu zeigen, dass ich da bin. Ich glaube, dass man mit seinen Aktionen schon vorangeht."

Die neue Einigkeit bei Arsenal war dann schon in der Schlussphase der Vorsaison spürbar. Seit der Umstellung auf eine Dreierreihe in der Abwehr haben die Gunners mittlerweile acht von neun Pflichtspielen gewonnen: "Mit der Maßnahme kam neuer Schwung rein", sagt Weltmeister Mertesacker, "jeder wollte sich beweisen beim Trainer. Das hat Energie freigesetzt."

Nicht zu unterschätzen bei Arsenals Stimmungsumschwung, der sich gerade verfestigt, sind personelle Veränderungen. Seit jeher zögert Wenger damit, das Preistreiben auf dem Transfermarkt mitzugehen. Auch diesmal beließ es der konservative Elsässer bis hierhin bei lediglich einem kostspieligen Zugang: Für 53 Millionen Euro stärkte er mithilfe seines französischen Landsmanns Alexandre Lacazette den Angriff, das soll die Abhängigkeit von den Aushängeschilder Mesut Özil und Alexis Sánchez verringern. Zudem erhöht der ablösefreie Ex-Schalker Sead Kolasinac die Robustheit der Defensive. Auf Anhieb gelang ihm per Kopf gegen Chelsea das 1:1 (82.) - der Impuls fürs erste Saison-Titelchen.

Ferner erweiterte Arsenal den Trainerstab. Auf der Tribüne analysiert nun der frühere DFB-Torwart Jens Lehmann das Team. Beim Stadtduell mit Chelsea tauchte Lehmann in der Halbzeit und nach Abpfiff im Kabinentrakt auf, auch bei Trainingseinheiten sucht der Ex-Arsenal-Keeper Kontakt zu Wenger. Und der Australier Darren Burgess soll helfen, die Verletzungsanfälligkeit und labile Mentalität der Gunners in Topspielen zu verändern.

Freitagabend wartet Leicester City im Auftaktspiel zur neuen Premier-League-Saison. Zum Leidwesen von Per Mertesacker und den Gunners findet diese Partie nicht im Wembley statt.

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