Mercedes triumphiert:Die alte Farbenfolge

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Nico Rosberg gewinnt das erste Rennen der Saison vor Lewis Hamilton. Sebastian Vettel startet gut - doch ein spektakulärer Crash von Fernando Alonso samt Unterbrechung sorgt für die Wende.

Von René Hofmann, Melbourne

Der erste Sieger der Formel-1-Saison 2016 heißt Nico Rosberg: Der Mercedes-Fahrer gewann den Großen Preis von Australien in Melbourne vor seinem Teamkollegen Lewis Hamilton und Ferrari-Fahrer Sebastian Vettel. "Für mich war es ein tolles Wochenende. Unser Auto war heute unwirklich gut. Es war toll, die Ferraris zu schlagen", sagte Rosberg nach der Champagnerdusche. "Ich bin froh, dass wir für das Team ein so gutes Ergebnis geholt haben", meinte Hamilton, der seine Niederlage gegen Rosberg umgehend relativierte: "Ich hatte schon wesentlich schlechtere erste Rennen."

Der Grand Prix begann mit einer Überraschung. Lewis Hamilton konnte von der Pole-Position nicht profitieren. Als die Startampel erlosch, kam der Titelverteidiger nur zögerlich los. Sein Mercedes-Kollege Nico Rosberg, der neben ihm auf dem zweiten Startplatz parkte, legte ebenfalls keinen Traumstart hin. Die Unpässlichkeit der Favoriten nutzte Sebastian Vettel: Er lenkte seinen Ferrari forsch zwischen den beiden Silberpfeilen hindurch und ging in Führung. Sein Teamkollege Kimi Räikkönen schlüpfte in seinen Windschatten - weil Rosberg und Hamilton sich in der ersten Kurve so nahe kamen, dass sich ihre Autos leicht berührten; beide verloren so entscheidend an Schwung. Platz drei (Rosberg) und sechs (Hamilton): Das war nicht, was das dominante Team der vergangenen zwei Jahre erwartet hatte. "Mein Start war mega", sagte Vettel, "ich habe mich an Ungarn im vergangenen Jahr erinnert gefühlt." Damals hatte er Hamilton und Rosberg vor der ersten Kurve ebenfalls überrumpeln können.

Die spektakulärste Szene des Rennens ist ein Unfall in Runde 17

Unbedrängt raste Vettel 13 Runden lang voraus. Dann entschloss sich Rosberg, die Jagd auf neuen Reifen fortzusetzen. Er wählte dafür eine der härteren Mischungen. Vettel, der eine Runde später die Box ansteuerte, setzte auf weichere Pneus - und stellte damit sicher, dass seine Führungsrolle zunächst unangefochten blieb. Hamilton mühte sich derweil weiter hinten im Feld, Plätze gut zu machen, kam dabei aber nicht weiter nach vorne als auf Platz fünf, weil er an Max Verstappen im Toro Rosso nicht vorbeikam. Unmittelbar, bevor er in Umlauf 16 zu seinem ersten Boxenstopp abbog, ärgerte Hamilton seinen Teamkollegen aber noch ein wenig: Er hielt Rosberg, der auf frischen und damit eindeutig schnelleren Reifen unterwegs war, bei der Jagd auf Vettel einige Sekunden lang auf. Das Duell zwischen den beiden könnte in diesem Jahr noch giftig werden.

Die spektakulärste Szene des Rennens ereignete sich in Runde 17. Auf der langen Geraden vor Kurve Nummer drei, auf der die Autos bis zu 310 km/h schnell werden, kollidierten Esteban Gutiérrez und Fernando Alonso. Der Spanier, Weltmeister der Jahre 2005 und 2006, fuhr mit seinem McLaren-Honda gegen den linken Hinterreifen des Mexikaners im Haas-Ferrari. Alonsos Auto war daraufhin nicht mehr zu kontrollieren. Es schleuderte mit großer Wucht ins Kiesbett, wo es sich zweimal überschlug, bevor es gefährlich aufstieg.

"Ich bin okay. Dank der vielen Sicherheitsvorkehrungen bin ich am Leben"

Der Wagen war nach dem heftigen Crash ein Totalschaden. Sowohl Alonso wie auch Gutiérrez konnten die Unfallstelle aber aus eigener Kraft verlassen. "Ich bin okay. Dank der vielen Sicherheitsvorkehrungen bin ich am Leben", gab Alonso an. Einen Vorwurf an Gutiérrez wollte er nicht formulieren: "Es war ein Rennvorfall. Aber manchmal vergessen wir, dass wir mit 300 km/h unterwegs sind", so Alonso. An gleicher Stelle hatte es bei einem ähnlichen Unfall zwischen Ralf Schumacher und Jacques Villeneuve 2001 einen Toten gegeben: Ein abgerissenes Rad war damals durch eine Lücke im Zaun geflogen und hatte einen Streckenposten erschlagen. Dieses Mal kamen alle Beteiligten mit dem Schrecken davon.

Um den Streckenposten Zeit zu geben, die vielen Trümmer von der Strecke zu räumen, wurde das Rennen mit der roten Flagge unterbrochen. Die Fahrer reihten ihre Autos in der Boxengasse auf. Die Reihenfolge an der Spitze lautete zu dieser Zeit: 1. Vettel/Ferrari, 2. Rosberg/Mercedes, 3. Räikkönen/Ferrari, 4. Daniel Ricciardo/Red Bull. Lewis Hamilton war durch seinen Boxenstopp kurz vor dem Unfall auf Position sieben zurückgefallen.

Vettel fällt nach einem zusätzlichen Boxenstopp zurück

Als es nach 20 Minuten weiterging, dauerte es wenige Runden bis zur nächsten Aufregung: Kimi Räikkönen musste seinen Ferrari wegen eines Defektes abstellen - wegen eines Defektes, der Flammen aus der Lufthutze schlagen ließ. Es sollte nicht die letzte unangenehme Szene für die Scuderia an diesem sonnigen Nachmittag bleiben. Als Sebastian Vettel in Umlauf 35 seine weichen Reifen mit einem zusätzlichen Boxenstopp abstreifen musste, klemmte der Schlagschrauber am linken Vorderrad.

Der Halt ließ Vettel zurückfallen und brachte Rosberg in Front. Sieben Runden später schob sich dessen Teamkollege Lewis Hamilton an Red-Bull-Fahrer Ricciardo vorbei auf Position zwei: In der 42. Runde war damit die erwartete Farbenfolge an der Spitze wieder hergestellt - der Erste und der Zweite strahlten in Silber. Im gewohnten Formationsflug ging es daraufhin dem Ziel entgegen. Vettel startete in der Schlussphase noch eine entschlossene Attacke auf Hamilton, kam aber nicht mehr am Titelverteidiger vorbei. Die Saison 2016 begann damit genau so, wie das Rennjahr 2015 geendet hatte: Mit einem Sieg von Rosberg. Für den 30-Jährigen war es der 15. Triumph seiner Karriere, saisonübergreifend der vierte nacheinander. "Was für ein toller Saisonstart", freute er sich.

© SZ vom 20.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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