Mercedes in der Formel 1: "Auf gut Deutsch: Die verarschen doch jedermann!"

Mercedes in der Formel 1: Irgendwo da drinnen im Motor ist er versteckt: Lewis Hamiltons "Partymodus".

Irgendwo da drinnen im Motor ist er versteckt: Lewis Hamiltons "Partymodus".

(Foto: AFP)
  • Der Mercedes-Rennstall demonstriert zum Saison-Auftakt der Formel 1 seine Stärke.
  • Auch wenn Lewis Hamilton das Rennen nicht gewinnt, zeigt er beeindruckende Geschwindigkeiten.
  • Die haben mit einer Zusatz-Funktion im Motor zu tun.

Von Philipp Schneider, Melbourne

Es gibt unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Zutaten Hamilton dabei halfen, seine Zauberrunde zusammenzusetzen, als er am Samstag die zwei Ferraris von Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel um fast sieben Zehntel düpierte. Noch ist nicht klar, wie genau er die erste "Hammertime" des Jahres vorlegte, so lautet der Kosename für seine Bestzeiten, mit denen er immer mal wieder seine Konkurrenten demütigt. Es ist fraglich, welchen Anteil die Reifen hatten, welchen die Bedingungen auf dem Asphalt, welchen der Fahrer und welchen der Motor.

Mercedes schaltet gegen Ende der Qualifikation seine Antriebe auf die höchste Leistungsstufe, es gilt schließlich, in einer Runde die maximale Geschwindigkeit abzurufen. Das ist logisch und legal. Alle Teams machen das. Der Vorwurf allerdings, der nun in Melbourne mitklang, als die Konkurrenten Hamiltons "Partymodus" kommentierten (so hatte Hamilton die Einstellung an seinem Motor am Freitag im Funk in einem Anflug von Vorfreude selbst bezeichnet), lautet: Mercedes hat uns alle genarrt.

Sie haben weder bei den Tests in Barcelona, noch in den Freien Trainings in Melbourne, noch in den ersten zwei Dritteln der Qualifikation ihre volle Leistungsfähigkeit demonstriert. Auch das ist nicht verboten. Der Vorwurf: Mercedes habe mit der Konkurrenz nur gespielt. "Auf gut Deutsch: Die verarschen doch jedermann!", sagt Helmut Marko, der Sportdirektor des Red-Bull-Teams.

Am Sonntagnachmittag, wenige Stunden vor Start des Rennens, sitzt Marko im Pavillon des Brauseherstellers, und so wie es aussieht, kann selbst die vorzüglich duftende Garnelensuppe, die er gerade speist, seinen Zorn nicht lindern. "Bei unseren Motoren gibt es eine Steigerung, die sich pro Runde im Hundertstel-Bereich bewegt. Ferrari findet vielleicht zwei Zehntel. Und Mercedes hat im Qualifying sieben Zehntel gefunden, wie man gesehen hat. Sie können die Leistung nicht nur dort abrufen, sondern auch im Rennen." Im Rennen zwar nicht für lange Zeit, sagt Marko, "denn dann würden sie etwa so viel Sprit verbrauchen wie wir - und der Modus schlägt auch auf die Haltbarkeit".

Insgesamt, sagt Marko, habe Mercedes mal wieder einen super Motor entwickelt, "der wieder mehr Leistung bringt und dabei weniger Sprit verbraucht". Red Bulls eigener Motorenlieferant Renault wiederum, klagte Marko, "hat keine Ahnung, wie sie das technisch erreichen sollen".

Kaum für möglich gehaltenes Gripniveau

Allzu hoch muss man den Ärger des Brause-Rennstalls aber nicht hängen. Red Bull verweist traditionell gerne darauf, dass sie mit ihrem von Designikone Adrian Newey entworfenen Chassis konkurrenzfähig wären, hätten sie einen stärkeren Motor im Auto. Der komplizierte Hybridantrieb, so das Argument, überfordere fast alle Hersteller, weswegen die Lösung eine neue Motorenformel ab 2021 sei, die auf einer bezahlbaren, simpleren, überall funktionierenden Technik basiert.

Mercedes dagegen argumentiert, das Ausmaß an Leistungssteigerung im Spezialmodus sei wesentlich geringer, verantwortlich für die sensationelle Qualifying- Zeit sei das perfekte Zusammenspiel aus Reifen, Fahrer und Auto. "Es sticht nur diese eine Runde hervor bei Lewis. Er hat sie perfekt gefahren. Er hatte die Reifen perfekt im Fenster, wir haben ein Gripniveau gesehen, das wir nie für möglich gehalten haben", sagte Motorsportchef Toto Wolff.

Einig waren sich am Samstag alle, dass sie ein Niveau gesehen hatten, auf das sich Hamilton ziemlich plötzlich erhoben hatte. Vettel hatte spätestens nach seinem glücklichen Rennsieg am Tag danach seinen Frieden geschlossen mit der Qualifikation des Vortags. "Mercedes hat nichts anders gemacht als im Vorjahr. Sie haben die Leistung hochgedreht, aber sieben Zehntel hat ihnen das nicht gebracht", sagte Vettel.

Lewis Hamilton sagte noch, es gebe "keinen Extraknopf" in seinem Auto, die maximale Leistung sei schon in den Qualifying-Runden davor zugeschaltet gewesen (auch wenn die unmittelbar vorherige sogar neun Zehntel langsamer war). Dann witzelte er, er, also der Mensch Lewis Hamilton, sei ja wohl "ohnehin immer im Partymodus". Und das lässt sich wahrlich schlecht leugnen.

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